Читать книгу Black Heart - Die gesamte erste Staffel - Kim Leopold - Страница 14
Kapitel 9
ОглавлениеDüsseldorf, 2018
Louisa von Stein
❤
»Also?«
Ich zucke zusammen, als Alexander neben mir auftaucht, und werfe ihm einen Blick zu. Er betrachtet mich abwartend.
»Also was?«, hake ich nach, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden habe, und wende den Blick ab, um die festlich geschmückte Aula zu betrachten. Die Tanzfläche ist gut gefüllt, auf der Bühne hat ein DJ sein Pult aufgebaut. Neben der Bar befindet sich ein kleines Buffet mit Snacks und einer riesigen Schale Bowle. Von meinen Freunden weit und breit keine Spur.
»Tanzen wir?«
»Du willst mit mir tanzen?« Ich kann die Ungläubigkeit in meiner Stimme nicht verbergen. Alexander lacht leise. Findet er mich tatsächlich witzig?
»Warum sollte ich nicht mit dir tanzen wollen?«
Weil du mich komisch findest und ständig auslachst, will ich sagen. Aber stattdessen zucke ich mit den Schultern.
Einladend streckt er mir seine Hand entgegen.
»Also gut, ein Tanz wird mich schon nicht umbringen.« Er umfängt meine Hand beinahe zärtlich. Ich versuche, ihn nicht anzuschauen, während er mich durch die Menge auf die Tanzfläche führt. Der DJ legt ein langsameres Lied auf.
Oh Gott, das ist mein Tod, denke ich mit rasendem Herzen, als Alexander seine Hand auf meinen Rücken legt und mich dichter zu sich zieht. Ich folge seinen Schritten, habe keine Ahnung, welchen Tanz wir eigentlich tanzen, und bin einfach nur dankbar dafür, dass ich ihm nicht auf die Füße trete. Schon bald vergesse ich meine Sorgen und verliere mich in der Musik. Seinen heißen Atem in meinem Haar, die Sicherheit seiner Arme, die mich nach jeder Drehung auffangen, sein Lächeln, das mit jedem neuen Schritt breiter wird. Er wirbelt mich herum, schließt mich so eng in seine Arme, dass ich jede Kontur seines Körpers spüren kann. Ich lache mit ihm, außer Atem und – glücklich. Für ein paar Stunden kann ich tatsächlich die Sorgen meines Alltags vergessen.
Irgendwann lässt er mich zur Ruhe kommen. »Macht es dir Spaß? Es sieht zumindest so aus.«
»Wenn es so wäre, würde ich es dir nicht verraten«, erwidere ich mit einem breiten Grinsen.
Zur Antwort lacht er und dreht mich ein weiteres Mal. Doch bevor ich in seinen Armen landen kann, schiebt sich jemand zwischen uns.
»LOUISA!«
Erschrocken weiche ich vor der kleinen, quirligen Gestalt zurück, die sich zwischen uns gedrängt hat. Eleni dreht sich zu mir und stemmt beide Hände in die Hüften. In ihrem roten Kleid sieht sie aus wie der Teufel höchstpersönlich.
»Nächstes Mal kommst du gefälligst erst zu uns, bevor du dich mit ...« Sie betrachtet Alexander, der amüsiert eine Braue hochgezogen hat. »... einem heißen Typen auf der Tanzfläche vergnügst.«
Oh Gott, wie konnte ich meine Freunde vergessen? Schuldbewusst beiße ich mir auf die Lippe.
»Jetzt komm schon.« Sie zieht an meinem Arm. »Du auch«, weist sie Alexander an. »Es ist schon fast zwölf Uhr. Die Jungs liegen schon betrunken unter den Tischen, und alle warten darauf, dass wir mit dir anstoßen können.«
»Zwölf Uhr?«, frage ich ungläubig und suche die Wand der Aula nach der großen Uhr ab. Tatsächlich. Nur noch zwanzig Minuten, dann bin ich endlich achtzehn. »Meine Güte, ich hab’ nicht gemerkt, dass es schon so spät ist.«
Eleni grinst mir vielsagend zu. Zur Antwort rolle ich mit den Augen. Sie soll nicht glauben, dass zwischen Alexander und mir etwas läuft. Bloß nicht!
❤
Wir sitzen zusammen an einem der Tische, eng zusammengedrängt, weil wir so viele sind. Alexanders Oberschenkel brennt sich in meinen, seine Hand hat er hinter mir auf der Bank abgelegt. Eleni hat nicht gelogen damit, dass die Jungs schon unter den Tischen liegen.
»Wo habt ihr eigentlich den ganzen Schnaps her?«, frage ich, nachdem sie mein Geburtstagslied so krumm und schief gesungen haben, dass es schon beinahe peinlich war.
»Aus dem Kofferraum.« Thomas grinst mich an und beugt sich zu mir, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. Spielerisch drücke ich ihn weg und wische mir über die Wange.
»Das war definitiv zu viel Alkohol«, erkläre ich und wedle seine Alkoholfahne weg, bevor ich meinen eigenen Becher mit Sekt leermache.
»Kannst du mich mal rauslassen?«, bitte ich Alexander leise, während sich die anderen über das kommende Halbjahr unterhalten. Er rutscht von der Bank und hilft mir beim Aufstehen. Nachdem ich meinen Rock gerichtet habe, verabschiede ich mich in die Waschräume. Ich könnte schwören, dass er mir hinterherschaut.
In der Damentoilette richte ich meine Frisur und trage neuen Lippenstift auf. Danach wasche ich mir die Hände und schaue noch mal in den Spiegel.
Ich erstarre. Mein Blick bleibt an einem Mann hängen, der hinter mir steht. Zitternd drehe ich mich um.
Dieses Mal ist er nicht verschwunden. Er steht immer noch da und betrachtet mich – und irgendetwas an ihm ist nicht menschlich.
Ich lege meine Hand an den Türknauf und traue meinen Augen kaum, als sich, wie von unsichtbarer Hand geführt, ein Schnitt an seinem Hals auftut und plötzlich eine tiefe Wunde an seiner Kehle klafft. Und dann ist da Blut. So viel Blut. Er gurgelt und packt sich an den Hals. Panisch schlage ich mir eine Hand vor den Mund, hin- und hergerissen, ob ich weglaufen soll oder ihm helfen. Sein Oberteil, seine Hände ... alles ist rot. In seinem Blut gebadet.
Hilfe", krächzt er und fällt auf die Knie. Das reißt mich aus meiner Erstarrung. Ich stürze auf ihn zu, um ihm zu helfen, aber kaum blinzle ich, ist er verschwunden. Verwirrt schaue ich mich um. Der Boden ist so sauber wie eh und je.
»Was zum Teufel ...«, murmle ich und gehe rückwärts zur Tür. Mein Atem geht hektisch, meine Nerven sind zum Zerbersten gespannt. Was war das gerade?
Real? Einbildung? Übernatürlich?
Ich öffne die Tür und will gehen, doch eine weitere Gestalt versperrt mir den Weg. Vor Schreck entfährt mir ein spitzer Schrei.
»Beruhig dich. Ich bin’s.« Alexanders warme Stimme entspannt meine Nerven. Ich blicke noch einmal über meine Schulter, bevor ich den Raum schließlich ganz verlasse.
»Was machst du hier?«, frage ich ihn beinahe anklagend. Fast so, als würde er hinter den beiden Gestalten stehen, die ich heute gesehen habe.
»Ich hab’ mir Sorgen gemacht. Du warst so lange weg.« Er runzelt die Stirn und sucht besorgt meinem Blick. »Ist alles in Ordnung? Du siehst blass aus.«
»Alles bestens«, presse ich hervor und schaue weg, damit er mir die Lüge nicht ansieht.
Dadurch sehe ich den Mann am anderen Ende des Ganges zuerst. Für einen Schüler ist er zu alt, und wie ein Lehrer sieht er nicht aus mit dem langen Ledermantel und dem grimmigen Gesicht. Ich packe Alexanders Arm und bleibe wie angewurzelt stehen.
Er reagiert sofort, folgt meinem Blick und schiebt sich beschützend vor mich. »Wenn ich sage, dass du läufst, läufst du und hältst nicht an, okay?«, flüstert er mir zu.
»W-was?« Meint er das ernst? Also sieht er den Mann auch? Wieso soll ich weglaufen? Wovor? Und wieso reagiert er so ernst? »Aber ...«
»LAUF!«, brüllt er mich an, bevor ich weitersprechen kann. In dem Moment rennt auch der Mann los. Ich reiße meinen Blick los und sprinte in die entgegengesetzte Richtung, so gut es mit meinen hohen Absätzen eben geht. Den dunklen Korridor entlang, vorbei an unseren Klassenräumen, bis zum Notausgang.
Kurz bevor ich die Tür erreiche, verheddere ich mich mit einem Absatz im Saum meines Kleides und knalle der Länge nach hin. Schnell rapple ich mich auf, ignoriere den stechenden Schmerz in meinem Handgelenk und drücke die Tür auf.
Der Regen fängt mich auf, als wäre ich sein verlorenes Kind. Ich renne über den Schulhof bis hin zum Tor, nur um festzustellen, dass es verschlossen ist. Schwer atmend bleibe ich stehen und sehe mich um. Immerhin ist mir niemand gefolgt. Alexander muss ihn aufgehalten haben.
Mein Herz klopft so stark, dass es unmöglich noch in meiner Brust stecken kann. Schnell gehe ich die Möglichkeiten durch, die ich habe, um zum Auto zu gelangen. Ich könnte über das Tor klettern und den langen Weg wählen, oder die Tür nehmen, die der Aula am nächsten ist, um zumindest unter Menschen zu sein.
Erst jetzt wird mir klar, dass ich nicht mal weiß, wovor ich davonlaufe. Wer war das? Wieso sehe ich Dinge, die nicht da sind? Und warum scheint Alexander zu wissen, wer dieser Mann ist?
Die Notausgangtür fliegt auf, und ein Mann tritt heraus.
Scheiße.
Scheiße, scheiße, scheiße.
Ohne nachzudenken, werfe ich meine Tasche über das Tor und springe hoch, um mich mit beiden Armen hochzuziehen. Dabei habe ich nur leider nicht mit meiner eigenen Unsportlichkeit gerechnet. Ich kann mich kaum festhalten. Gott sei Dank finde ich mit meinen Schuhen Halt und kann mich doch noch hochdrücken. Auf der anderen Seite falle ich wie ein nasser Sack hinunter und prelle mir die Hüfte auf dem harten Boden.
Ein Blick auf die andere Seite offenbart mir, dass der Mann mittlerweile fast das Tor erreicht hat. Ich raffe mich auf, schnappe mir meine Handtasche und renne weiter. Warum habe ich nicht daran gedacht, dass ich durch den Wald muss? Weil ich wiederholt mit den Schuhen im Schlamm stecken bleibe, streife ich sie kurzerhand ab und lasse sie einfach liegen.
Dünne Äste knallen mir gegen die nackten Arme und das Gesicht, während ich durch den Wald hechte. Immer wieder bleibe ich an Wurzeln hängen. Meine Lungen fühlen sich an, als stünden sie kurz vor dem Explodieren.
Bald kann ich nicht mehr. Mit schmerzenden Rippen werde ich immer langsamer. Irgendwie sieht alles gleich aus. Der Vollmond ist so gut hinter den dicken Regenwolken versteckt, dass ich kaum etwas erkennen kann. Ich presse mich hinter einen Baum und lege eine Hand auf meinen Mund, damit man mein Keuchen nicht hört.
Dieser Mann ist hinter mir her.
Mein Herz hört nicht auf zu rasen. Es ist so laut, dass der Mann es unmöglich überhören kann. Meine Hand ist feucht, ob vom Regen oder von den Tränen weiß ich nicht. Hinter mir knackt das Unterholz. Ich erstarre, halte den Atem an und schließe die Augen.
Bitte. Bitte, geh weiter.
Das Knacken kommt näher.
Bitte.
Mir wird schlecht vor Angst. Das Blut rauscht in meinen Ohren.
Ich will noch nicht sterben.
Ich kann seinen Atem hören. Im Gegensatz zu meinem geht seiner hektisch und laut. Er muss sich keine Mühe machen, ihn zu verbergen. Im nächsten Moment steht er neben mir. Nur noch ein paar Schritte, und er hat mich entdeckt. Ich kann die Luft nicht länger anhalten. Vorsichtig atme ich aus und drücke mich dichter an den Baum, doch es ist zu spät.
Er macht die paar Schritte und steht plötzlich vor mir. Ich schreie, als er mich berührt, und versuche mich loszureißen, doch sein Griff ist eisern. In meinen Adern pulsiert das Blut, und in meinem Bauch erwacht ein Gefühl, das ich noch nie gespürt habe. Die Angst in meiner Stimme bahnt sich ihren Weg aus meiner Kehle und wird nur noch übertönt von einem Krachen und Tosen um uns herum. Im nächsten Augenblick wird der Mann zurückgeschleudert. Er knallt gegen einen Baum, der einfach abknickt und umfällt.
Erschrocken blicke ich mich um und sehe, wie nach und nach auch die anderen Bäume um uns herum krachend umkippen. Das Brennen in meinem Hals nehme ich nur unterschwellig wahr.
Was zur Hölle ...?
Ich habe den Schock kaum verdaut, da rührt sich der Mann wieder. Also nutze ich die Chance, die mir dieses seltsame Geschehnis gegeben hat, und renne weiter, ohne zurückzuschauen. Vor mir blitzen vereinzelt die Lichter der umliegenden Häuser auf, doch mein Schrei nach Hilfe bleibt unbeantwortet.
Es ist zwecklos. Er wird mich kriegen, bevor mir jemand helfen kann.
Die bittere Wahrheit vergiftet meine Lungen und presst sämtlichen Lebenswillen aus mir heraus. Ich stolpere über eine Wurzel und falle mit dem Gesicht voran in eine Pfütze. Ich will aufstehen, doch mich hat sämtliche Kraft verlassen.
Die Lichter sind jetzt so nah. Ich habe es fast geschafft, denke ich und hebe schwach den Kopf. In der Pfütze erkenne ich, wie der Mann mit erhobenem Messer über mir steht.
Ich schließe die Augen und warte auf die Schmerzen, doch sie bleiben aus.
Blinzelnd suche ich nach seinem Spiegelbild, aber ich bin mir sicher, dass er verschwunden ist. Mit einem leisen Keuchen stütze ich mich ab und schaue mich um.
Alexander!
In einer Hand hält er ein Messer und in der anderen ...
Oh Gott.
Ich würge, als er den körperlosen Kopf achtlos in den Dreck wirft und sich anschließend über mich beugt.