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Mai 2006

„Conleth, wirf mir noch ein Steak mit auf den Grill“ rief Avery, der gerade auf dem Weg ins Haus war, um für Getränkenachschub zu sorgen. Conleth winkte ihm über die Schulter hinweg zu und zog die Grillschürze um seinen Nacken enger.

„Liebling, könntest du mir noch ein Soda mitbringen?“ Carol lächelte ihrem Mann liebevoll zu. Ein Lächeln dem Avery noch nie irgendetwas ausschlagen konnte.

Er ging am Stuhl seiner wunderschönen Ehefrau vorbei und küsste sie sanft auf die Stirn. Dann tauschten sie einen langen, intensiven Blick. Dies war das erste Wochenende, das seinen Urlaub einläutete, ebenso wie Conleth.

Avery genoss die Zeit, die er mit seiner Familie verbringen konnte. Schon bald würde er zurück gehen müssen. Die Zeit würde wie im Flug vergehen, das wusste er. Dann musste er zurück ins Ausland. Es war eines der wenigen Wochenenden im Jahr, das er mit seiner Familie und der seines engen Freundes und Kollegen verbringen konnte.

Er warf Tara, der Frau seines Freundes, einen Blick zu und lächelte. „Darf ich dir auch noch etwas mitbringen?“ „Noch ein Soda wäre toll.“ Sie sah ihre Freundin schmunzelnd an.

Avery nickte und ging ins Haus. Als er zurück kam, setzte er sich kurz zu den beiden Frauen, die amüsiert dabei zu sahen, wie die Kinder ein Versteck bauten.

„Was glaubst du, wann plündern sie eure Holzvorräte?“ wollte Tara kichernd wissen und sah Avery amüsiert an.

Carol seufzte. „Die Frage lautet eher, wie lange leben meine schönen Blumen noch, wenn sie weiter ihre Baumaterialien durch das Beet ziehen?“ „Ich peppel sie dir wieder auf.“ Avery tätschelte die Hand seiner Frau.

Carol lächelte. „Wann wirst du deiner Tochter mal beibringen, ein Nein zu hören?“ „Sie sind Kinder, Carol.“ Er hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie. „Wir sollten uns glücklich schätzen, dass sie noch so schön zusammen spielen. Irgendwann werden sie anfangen nach teuren Klamotten zu fragen, auf Party´s gehen und sich mit anderen treffen.“

Tara kicherte. „Also ich möchte mit dem Jungen, der mit Carly irgendwann mal ausgehen möchte, nicht tauschen.“

Carol stimmte entschieden zu. „Mit dem Vater, wird er es nicht leicht haben!“

Avery grinste und sah zu seiner Tochter, die mit ihrem besten Freund Tate im Gebüsch herum kroch. Tate und Carly spielten schon zusammen, seit sie zwei Jahre alt waren. Damals waren Conleth und seine Familie neu in die Stadt gezogen und man hatte Conleth an den gleichen Stützpunkt wie Avery versetzt. Am ersten gemeinsamen Abend hatten sich auch die Frauen gleich blendend verstanden. Seit dem waren die beiden Familien unzertrennlich gewesen. Carol und Tara trafen sich auch oft, wenn Conleth und Avery im Ausland unterwegs waren. Auch Tate und Carly waren unzertrennlich geworden.

„Klopf, klopf“ ertönte es von der Schwelle der Terrassentür.

Avery seufzte. „Liebling, deine Schwester muss wirklich ihren Schlüssel abgeben.“

Carol lachte leise und stand auf um ihre Schwester zu begrüßen. „Rachel.“ „Hi!“

Rachel gab ihrer Schwester einen Kuss auf die Wange, dann begrüßte sie auch Tara mit einem Küsschen auf die Wange und schob ihre Sonnenbrille auf ihren Kopf. Schließlich warf sie ihrem Schwager einen abschätzigen Blick zu.

„Ich bin kein gehässiger Mensch, aber manchmal wünschte ich, du würdest in der Dusche ausrutschen und keiner wäre da, außer mir. Dann würdest du froh sein, wenn ich den Schlüssel habe, weil du überall so Schmerzen hast, dass du nicht zur Tür kommst.“

Avery musste lachen. Auch wenn seine Schwägerin etwas verrückt war und manchmal ein wenig aufdringlich, mochte er sie eigentlich.

„Rachel, was darf ich dir zu trinken anbieten?“ wollte Carol nun wissen und ging zur Tür. „Habt ihr Limo? Ohne Zucker?“ „Nur für dich gekauft“ lachte Carol und ging in die Küche.

Rachel ging an den Rasenabschnitt. „Hallo Conleth!“ „Rachel.“ er winkte ihr zu und deutete auf den Grill. „Was darf ich dir drauf werfen?“ „Habt ihr Hühnchen?“ „In Senfmarinade.“ „Perfekt!“

Carol brachte gleich ein weiteres Gedeck aus der Küche mit und stellte ihrer Schwester alles perfekt positioniert an den Platz.

„Tante Rachel!“ schrie Carly, als sie aus dem Gebüsch gestürmt kam. Rachel ging ihrer Nichte entgegen und hob sie auf den Arm. „Gott, bist du schon wieder gewachsen? Das ist doch unglaublich!"

Carly lachte. „Tante Rachel! Wir haben uns doch vorgestern erst gesehen.“ „Ja, aber ich könnte schwören, dass du größer geworden bist. Strecken sie euch in der Schule etwa?“ „Nein.“ „Mhh, dann müssen sie euch Wachstumsmittel ins Essen mischen.“ „Rachel!“ sagte Carol tadelnd. Rachel rollte mit den Augen. Dann lächelte sie, als auch Tate aus dem Gebüsch hervor kam. „Hey, großer Mann!“ „Hallo Rachel!“ Tate stellte sich artig neben Carly. Nun begann Rachel in ihrer Tasche zu kramen.

„Wie versprochen, habe ich euch etwas aus Boston mitgebracht.“

Die beiden Kinder kicherten aufgeregt. Avery beobachtete aufmerksam, was Rachel aus ihrer Tasche holte. Sie war wegen ihres Jobs als Sportmoderatorin, ebenfalls oft im Land unterwegs und brachte den beiden immer etwas mit. Für sie war Tate praktisch wie ihr Neffe, so gerne hatte sie ihn, weswegen sie ihm ebenso etwas mit brachte, wie für Carly. „Hast du die Red Sox gesehen?“ fragte Tate sofort, der begeisterter Baseballfan war. Rachel nickte grinsend. „Und ich soll euch Grüße ausrichten.“

Beide Kinder machten große Augen.

„Von wem?“ wollte Carly sofort wissen.

Rachel hielt zwei Bälle in der Hand und reichte jedem der beiden einen davon. Beide sahen in ihre Hände, als hielten sie den heiligen Gral.

„Carlton Fisk!“ rief Tate auf und sah Rachel überglücklich an. „Danke Rachel!“

Die beiden fielen Rachel um den Hals und überhäuften sie dankbar mit Küssen. Rachel lachte und schaffte es nur mühsam sich zu lösen. Dann liefen die beiden kreischend durch den Garten und hielten dabei triumphierend ihren Baseball in die Höhe.

Rachel kam zum Tisch zurück und setzte sich auf ihren Platz. „Danke!“ Carol nahm dankbar die Hand ihrer Schwester. Diese nickte und sah erneut zu den Kindern rüber. Sie lächelte traurig. Etwas schien sie eindeutig zu bedrücken. Das merkte auch Carol sofort. „Was ist los? Ist in Boston etwas passiert?“ „Ach“ Rachel winkte ab.

Sie presste ihre Lippen zusammen. Nun brachte Conleth einen Teller mit frisch gegrilltem an den Tisch. Rachel tippte nervös mit den Fingern auf ihrer Tasche herum. „Darf ich euch was fragen?“ Sie sah speziell ihren Schwager und dessen besten Freund an. „In Boston macht gerade eine Eilmeldung die Runde.“

Conleth warf Avery einen alarmierten Blick zu. Dennoch nickte Avery. Er konnte sich schon denken, worum es sich handelte. Die erschütternde Nachricht war in den oberen Reihen bereits umher gegangen, was sich in Massachusetts ereignet hatte.

Rachel schluckte. „Habt ihr das von dem Jungen bereits gehört? Der verschwunden ist?“ Carol und Tara wurden ebenfalls aufmerksam.

Avery nickte. „Es ist schrecklich, dass so etwas möglich war.“

„Aber hat denn das Jugendamt seine Pflichten nicht erfüllt? Ich meine, wie kann so etwas möglich sein? Wie kann das passieren, Avery?“ Rachel sah ihren Schwager fragend an.

Die Nachrichten hatten es bisher noch nicht landesweit berichtet, doch bald würde es die Runde machen wie ein Laubfeuer, da war er sich sicher. Und die Gesellschaft würde einen Schuldigen suchen. Er wollte sich gar nicht ausmalen, welchem Druck das in dem Fall zuständige Jugendamt nun ausgesetzt war. Wenn auch begründet. Auch, wenn sie nicht die einzigen waren, denen das passiert war. Doch darüber durften er und Conleth kein Wort verlieren. Rachel sah ihren Schwager noch immer auf eine Erklärung wartend an.

„In Massachusetts ist ein Kind in eine Pflegefamilie gegeben worden, die objektiv völlig in Ordnung war. Jetzt sind sie wie vom Erdboden verschluckt und es kam heraus, das sie dem Jungen fragwürdige Erziehungsmaßnahmen angedeihen ließen“ „Fragwürdige Erziehungsmaßnahmen?“ Carol runzelte die Stirn.

„Sie haben ihn im Jagen und Töten ausgebildet.“ kam ihm Conleth nun zur Hilfe bei der Erklärung. „Außerdem hielten sie ihn aus der Schule und unterstützten seine aggressiven Verhaltensmuster durch das Quälen und Ausschlachten von Tieren.“ „Das... das verstehe ich nicht“ keuchte Tara entsetzt. „Und sie sind einfach verschwunden? Was ist mit dem Kind?“

„Von dem Jungen fehlt ebenso jede Spur. Das Jugendamt hat sich wohl mit den Besuchen zu viel Zeit gelassen. Sonst wäre es sicher viel eher aufgefallen. Auch die Vorfälle wären eher aufgefallen. Er zeigte sich auch in der Schule sehr auffällig und aggressiv.“

Carol faltete ihre Hände auf dem Schoß und sah zu Tate und Carly, die ausgelassen im Garten spielten. Sorge spiegelte sich in ihren Gesichtszügen. Avery nahm sanft die Hand seiner Frau in seine. Er konnte sich vorstellen, was ihr durch den Kopf ging. Die Behörden arbeiten auf Hochtouren, um die Familie und die entführten Kinder zu finden. Auch Avery sah nun zu Tate und Carly rüber und begann ernsthaft sich darüber Sorgen zu machen, was gerade passierte. Die Behörden wussten, dass es in zwei der anderen Fälle das gleiche Paar war, wie in dem Fall in Massachusetts. Sie hatten sich Urkunden gefälscht und in die Systeme eingehakt, damit ihre Daten problemlos überprüft werden konnten. Und auch in anderen Ländern waren ähnliche Fälle aufgetreten. Doch niemand wusste, was das zu bedeuten hatte, oder wer dahinter steckte.

Erste Fälle waren aus Osteuropa bekannt geworden. Aus jeglichen Heimen waren Kinder verschwunden. Waisen, die niemanden hatten, der sich nach ihnen erkunden konnte. Niemand der sie vermissen würde. Zuerst vermutete man einen Ring von Kinderhändlern für Kinderarbeit. Dann einen Ring, der Kinder an Kinderlose Familien für mehr Geld weiter verkaufte. Es war schwer, Kinder aus anderen Ländern zu adoptieren. Diese Ringe vereinfachten das ganze durch gefälschte Papiere. Die Behörden tappten noch immer im Dunklen. Als wäre das Ganze nicht furchtbar genug.

Am Tisch breitete sich betretenes Schweigen aus. Niemand wollte so recht darüber nachdenken, was mit den entführten Kindern wohl passiert sein mochte. Vermutungen die noch viel furchtbarer waren, hatten ebenfalls im Raum gestanden. Welche die niemals an die Öffentlichkeit dringen durften. Organmafia oder sogar Kinderprostitution. Seine Frau drückte sanft seine Hand. Sie warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Einen der versprach, dass sie alles gemeinsam überstehen würden.

Conleth hatte schon mal darüber nachgedacht, Tate in eine interne Akademie Schule zu schicken, die dem Militär angehörte. Das sei einerseits sicherer, wenn man von den möglichen Einsätzen absah, sagte Conleth. Und vorallem würde Tate viele berufliche Möglichkeiten eröffnen, was für ihn von noch größerer Bedeutung war. Auch Carly hätte die besten Chancen dazu, nicht zuletzt, weil er selbst diente. Sie hatte ausgezeichnete Noten, war sportlich und im Kopf bereits sehr fit für ihr Alter. Doch Carol liebte sie so sehr, dass sie Carly nur ungern weg schicken würde. Sie war ihr ein und alles. Ihre kleine Räuberprinzessin, wie Avery sie schon als Kleinkind nannte, weil Carly schon immer wild und quirlig war. Und weil sie ihrer Mutter in so vielem Ähnlich war. Nicht nur wegen ihrer rotblonden locken und den braunen Augen. Sondern auch ihre Entschlossenheit und Wildheit, die er schon an Carol immer so faszinierend fand. Der Grund, warum er sich damals Hals über Kopf in Carol verliebt hatte. Damit hätte er damals nicht gerechnet. Zu Beginn, als sie einander kennen lernten, standen sie sich ganz anders gegenüber. Bis Carly kam und sie einander näher zusammen brachte. Sie würden Carly beschützen, so gut es ihnen möglich war.

Zerbrochene Seelen

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