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1.3Der Streit um die Wahl zum Mufti von Jerusalem
ОглавлениеTrotz der Rivalitäten zwischen den arabischen Familien, deren Notabeln im Rückblick anscheinend die osmanische Verwaltung bevorzugten, glaubten die Briten, besser mit den Arabern als mit den gutorganisierten Juden21, die ein klares Ziel vor Augen hatten, zurechtzukommen. Die Briten waren um das politische Gleichgewicht zwischen den Husseinis und den Nashashibis sehr bemüht und hielten es für einen klugen Schachzug, daß nach den Unruhen vom April 1920 Musa Kasem el-Husseini durch Ragheb Bey Nashashibi als Bürgermeister abgelöst wurde.
Beide Familien betrieben eine starke Agitation und waren sich lediglich in der Ablehnung des jüdischen Nationalheims in Palästina einig. So wurden in Jerusalem der Arabische Club (al-Nadi-al ’Arabi) von den Husseinis und der Literarische Verein (al-Muntada al-Adabi) von den Nashashibis geführt,22 wobei zu erwähnen ist, daß im Gegensatz zu den extremen Husseinis die Nashashibis zunehmend eine gewisse Kooperationsbereitschaft mit den Briten zeigten. Natürlich waren diese beiden Familien mit Hinblick auf die bevorstehende Wahl zum Mufti von Jerusalem daran äußerst interessiert, politischen Einfluß auszuüben.23
Was die Formalitäten dieser Wahl betraf, nahm die britische Verwaltung „Zuflucht zum türkischen System“, wonach eine gewisse Anzahl von Religionsgelehrten und Führern in ganz Palästina ihre Auswahl zwischen den Kandidaten zu treffen hatte. Unter den ersten drei mit den meisten Stimmen sollte dann die britische Verwaltung einen zum Mufti ernennen.24 Alle Anzeichen sprechen dafür, daß sich der Hochkommissar Herbert Samuel bereits vor der Wahl für el-Husseini entschied, der ihm seinerseits anläßlich eines Treffens seine Kooperationsbereitschaft zugesichert hatte. Möglicherweise vertrat auch Samuel die Auffassung, daß ein weiteres Mitglied der Nashashibis in einer derart hohen Position das Machtverhältnis und das politische Gleichgewicht stören würde.25
Daß sich el-Husseini nicht unter die ersten drei Kandidaten plazieren konnte, dürfte den Hochkommissar sicherlich in einige Verlegenheit gebracht haben. Die Husseinis selbst fochten das Ergebnis aus verschiedenen wahltechnischen Gründen an und erreichten schließlich, daß ausgerechnet Scheich Husam al-Din Jarallah, der Kandidat der von den Nashashibis unterstützt wurde und sich sogar als erster plazieren konnte, von den Briten zur Aufgabe seiner Kandidatur gezwungen wurde, so daß el-Husseini von Platz vier auf Platz drei vorrückte. Als die Nashashibis nun unmißverständlich bekanntgaben, sie würden sich unter keinen Umständen mit einer Ernennung el-Husseinis zum Mufti abfinden, zog sich der Hochkommissar aus der Affäre, indem er entschied, keine schriftliche oder öffentliche Ernennung zu erteilen.26 Stillschweigend übernahm el-Husseini das Amt des Mufti und bezeichnete sich von nun an als Großmufti und Oberhaupt der moslemischen Gemeinschaft in Palästina.