Читать книгу Der Mufti von Jerusalem - Klaus Gensicke - Страница 20

2.4Der Mufti sucht die deutsche Hilfe

Оглавление

Bereits vor der offiziellen Veröffentlichung des Peel-Reports hatte sich das AA mit der möglichen Bildung „eines jüdisch geleiteten Staatsgebildes unter britischer Mandatshoheit“17 befaßt und war zu dem Ergebnis gekommen, daß das Vorantreiben der jüdischen Auswanderung vorrangig wäre, auch wenn Deutschland die Entstehung eines solchen Staates nicht begrüßen würde, der nach Meinung Berlins so etwas darstelle „wie der Vatikanstaat für den politischen Katholizismus“.18 Die Frage wurde erwogen, ob es tatsächlich zweckmäßig wäre, die Auswanderung ausschließlich nach Palästina zu lenken; aber solange Hitler sich diesbezüglich nicht geäußert hatte, konnte keine Entscheidung getroffen werden. Die Deutschen wollten lediglich mehr Verständnis für die arabische Sache zeigen, wobei sie sowohl die Interessen Großbritanniens als auch die „notorische politische Unzuverlässigkeit der Araber“19 zu berücksichtigen hatten. Allerdings dürften die eigenen wirtschaftlichen Interessen trotz zunehmender Kritik am Haavara-Abkommen in Deutschland nicht außer acht gelassen werden. Somit war Berlin lediglich zu einer kurzen Propagandakampagne in der Presse gegen die Teilung Palästinas bereit und versuchte, sich den politischen Verwicklungen zu entziehen, indem es darauf hinwies, daß das Mittelmeer zur Interessensphäre Italiens gehörte.

De facto interessierte sich das Dritte Reich wenig für die Belange der Araber, aber durch die ständigen Bemühungen des neuen Generalkonsuls Doehle in Jerusalem, des Gesandten Grobba in Bagdad, der Auslandsorganisation in Berlin und die Appelle der Araber selbst wurde die Regierung in Berlin immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie sie mehr Verständnis für die Araber zeigen könnte, „ohne bestimmte Zusicherungen zu bekunden“.20 Sicherlich durch diese ‚neue‘ deutsche Politik und angebliches Verständnis für die politischen Anliegen ermutigt, ergriff el-Husseini erneut die Initiative und suchte Doehle am 15. Juli 1937 – zwei Tage, bevor er von den Briten verhaftet werden sollte – auf, um seine Einstellung zum Teilungsplan zu erläutern.21 Doehle, der im Gegensatz zu Wolff eine pro-arabische Haltung einnahm und Berlin bereits darauf hingewiesen hatte, daß die bisherige Palästinapolitik die arabischen Sympathien für Deutschland beeinträchtigen könnte,22 wurde offensichtlich durch den Besuch des Mufti in Verlegenheit gebracht, denn er konnte wenig mit den verschwommenen Instruktionen anfangen, die er über die mögliche Gründung eines jüdischen Staates in Palästina erhalten hatte.23

Während dieser Unterredung erklärte der Mufti, daß die Palästina-Araber den Teilungsplan „geschlossen“ ablehnen. Dies gelte auch für die übrige arabische und mohammedanische Welt. In ihrem Kampf gegen die Juden hofften die Araber auf die Unterstützung derjenigen Großmächte, „deren Interessen in gleicher Richtung gingen“. Hierbei betonte el-Husseini, daß im Gegensatz zu Großbritannien, Frankreich und der Türkei die Interessen der Araber mit denen der Achsenmächte übereinstimmten. In seiner überschwenglichen Begeisterung für das „neue Deutschland“ unterließ es der Mufti offensichtlich, seine bereits bestehenden Verbindungen zu Italien zu erwähnen.24 Er sprach die Hoffnung aus, „daß Deutschland arabischem Kampf gegen Judentum sympathisch gegenüberstehe und bereit sei, diesen zu unterstützen“. Konkret meinte er, daß Deutschland sich öffentlich gegen die Errichtung eines jüdischen Staates stellen sollte. Doehle konnte jedoch nichts anderes tun, als dem Mufti zu versprechen, diesen Wunsch an seine Regierung weiterzuleiten, wobei er erwähnte, daß es vielleicht klug wäre, „wenn die deutsche Sympathie für arabische Bestrebungen […] nicht zu stark in Erscheinung“ träte. Ferner teilte el-Husseini dem Generalkonsul mit, daß er vorhabe, „einen Vertrauensmann inkognito nach Deutschland zu entsenden“, worauf Doehle sich bereiterklärte, bei den notwendigen Formalitäten behilflich zu sein. Noch am selben Tag bat er das AAum Anweisungen, wie er sich in dieser Angelegenheit zu verhalten habe. Gleichzeitig wollte er wissen, ob weitere Besprechungen mit dem Mufti wünschenswert seien.25

Für den Mufti konnte das Gespräch keinesfalls befriedigend gewesen sein; deshalb entschloß er sich, keine Zeit zu verlieren. Am 22. Juli berichtete Doehle dem AA, daß der Vertrauensmann des Mufti Ende Juli in Berlin eintreffen werde. Das AA hielt diesen Besuch für zwecklos, „solange Stellung arabischer Staaten unsicher“26 sei, aber der Vertrauensmann war bereits nach Deutschland unterwegs. Aus einem Schreiben vom 10. August 193727 geht hervor, daß der Mufti, der inzwischen Zuflucht im Haram al-Sharif gesucht hatte, weiterhin mit dem Generalkonsul in Jerusalem in Verbindung blieb. Über einen Mittelsmann drückte er seine „Freude und Genugtuung“ über die deutsche Pressekampagne gegen die Teilung Palästinas aus. „Schon damit habe die deutsche Regierung dem Kampf der Araber in Palästina um ihre Selbständigkeit einen großen Dienst erwiesen.“

Bei dieser Gelegenheit übermittelte der Mittelsmann einen weiteren Wunsch des Mufti: Deutschland möge bei der polnischen Regierung intervenieren, „um Polen zu einer wohlwollenderen Haltung gegenüber den Bestrebungen der palästinensischen Araber zu bewegen“. Polen habe „ein besonders großes Interesse an der Aufrechterhaltung der Einwanderungsmöglichkeiten nach Palästina und an der Errichtung eines möglichst umfangreichen jüdischen Staates“. Um dem entgegenzuwirken, habe der Mufti der polnischen Regierung bereits schriftlich mitgeteilt, „daß im Falle der Errichtung eines jüdischen Staates die Aufnahmefähigkeit dieses neuen Staates so gering sei, daß das Judenproblem in Polen dadurch keine wesentliche Erleichterung, geschweige denn eine Lösung finden werde“. Vizekonsul Dittmann, der lediglich versprechen konnte, diesen Wunsch an die zuständigen Stellen zu übermitteln, wies das AA darauf hin, daß die „Befürchtungen des Mufti […] durchaus berechtigt“ seien. „Wenn die Aufnahmefähigkeit eines in den Grenzen des Peel-Vorschlages errichteten jüdischen Staates auch beschränkt ist, so dürfen nach vorsichtigen Schätzungen doch immerhin in den nächsten Jahren Einwanderungsmöglichkeiten für mindestens 500.000 Juden bestehen.“ Dittmann gab die Vermutung des Mufti weiter, daß eine bevorstehende Reise Chaim Weizmanns nach Warschau nur das Ziel haben könnte, „etwa für 300.000 polnische Juden Einwanderungsmöglichkeiten nach Palästina zu schaffen“. Hier vertrat das Generalkonsulat die Auffassung, daß für ein derartiges Zugeständnis die polnische Regierung die Gründung des jüdischen Staates „sowohl im Völkerbund als bei der Englischen Regierung nachdrücklich […] unterstützen“ würde.

Den Ausführungen des Mittelsmannes des Mufti über die Unterstützung, die Palästina von den arabischen Staaten erwarten könnte, schenkte das Generalkonsulat wenig Glauben, zumal einige arabische Staaten sich nur halbherzig für die Palästinafrage eingesetzt hatten. Neuerdings wurde – so Dittmann – die Möglichkeit wieder erwogen, daß Palästina und Transjordanien zu einem arabischen Königreich proklamiert werden, und es hieß, daß der Mufti – „wohl wegen der Aussichtslosigkeit seiner jetzigen Politik“ – nun mehr Verständnis für diesen Plan zeigen würde. Allerdings bezweifelte Dittmann, daß es zu einer Aussöhnung zwischen el-Husseini und Emir Abdallah kommen könnte. „Das gegenseitige Mißtrauen und der Haß“ seien zu groß.28 Gerade diese Uneinigkeiten unter den Arabern boten Berlin die Gelegenheit, diesbezügliche Entscheidungen hinauszuzögern. Die Deutschen behaupteten nun, daß der arabische Widerstand abgeflaut sei und lediglich der Ministerpräsident des Irak und der Mufti von Jerusalem eine heftige Haltung einnehmen würden.29 Mit diplomatischer Geschicklichkeit machten nunmehr die deutschen Regierungsstellen ihre Haltung zur Palästinafrage von derjenigen der Araber abhängig.

Der Mufti von Jerusalem

Подняться наверх