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2.2Das Haavara-Abkommen
ОглавлениеNach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 änderte sich zunächst wenig an der bereits vorher betriebenen Palästinapolitik der Weimarer Republik. Die neue Regierung litt unter einem chronischen Devisenmangel, der sich durch die weltweiten Boykottmaßnahmen gegen deutsche Waren aufgrund der Verfolgung der deutschen Juden zu verschlimmern drohte. Für Deutschland galt es jetzt, einen Weg zu finden, der sowohl den Export als auch die jüdische Auswanderung fördern würde. Zu diesem Zweck unterstützte der Generalkonsul in Jerusalem, Heinrich Wolff, die Bestrebungen der palästinensischen Orangenzuchtfirma Hanotaiah, das Reichswirtschaftsministerium vom Grundgedanken eines Vermögenstransfers durch den Verkauf deutscher Waren nach Palästina zu überzeugen.6 Das Reichswirtschaftsministerium nahm hierzu Stellung: „Jüdische Auswanderer, die zur Errichtung einer neuen Existenz in Palästina über das von der Einwanderungsbehörde verlangte Vorzeigegeld (1000 Palästinische Pfund) hinaus Teile ihres Vermögens dorthin überführen wollen, werden von den Devisenbewirtschaftungsstellen auf Antrag die Genehmigung zur Einzahlung eines angemessenen Mehrbetrages auf ein bei der Reichsbank für die Anglo-Palästina-Bank und die Tempel-Bank geführtes Sonderkonto ihrer Firma erhalten. Gleiche Genehmigungen können deutschen Staatsbürgern jüdischen Volkstums erteilt werden, die zur Zeit noch nicht auswandern, sich aber gleichwohl schon jetzt eine Heimstätte in Palästina schaffen und an dem Aufbau Palästinas mitwirken wollen.“7
Wolff, der keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die NSDAP machte, konnte das Auswärtige Amt (AA) von den Vorteilen des Haavara(Transfer)-Abkommens8 überzeugen, indem er darauf hinwies, daß die Vereinbarung „geeignet sei, die von jüdischen Kreisen betriebene Kampagne zur Boykottierung deutscher Waren abzuschwächen“.9 Gegner des Abkommens bemängelten, daß es keine harten Devisen ins Land brachte, aber, solange sich der harte Kern der Nationalsozialisten noch nicht durchgesetzt hatte und Hitler selbst entschieden hatte, „daß die Judenauswanderung aus Deutschland weiterhin mit allen Mitteln gefördert werden“10 sollte, überwogen die Vorteile: Beschleunigung der Auswanderung, Schonung der Devisenbestände der Reichsbank und Steigerung des deutschen Exports nach Palästina. Im übrigen wurde der Auszahlungskurs ständig zuungunsten der Auswanderer geändert. In der deutschen Politik spielte das Haavara-Abkommen eine äußerst wichtige Rolle und ist sicherlich auch ein Grund für Hitlers Zurückhaltung gegenüber der arabischen Unabhängigkeitsbewegung und den diesbezüglichen Annäherungsversuchen der arabischen Länder gewesen, die unbedingt eine Auflösung des Abkommens erwartet hätten. Denn es läßt sich nicht leugnen, daß der Haavara-Transfer beträchtlich zum jüdischen Aufbau in Palästina beitrug.
Ebensowenig berücksichtigte Hitler die Interessen der Palästinadeutschen, deren Siedlungen jetzt darunter litten, daß das Haavara-Abkommen den Juden eine Monopolstellung im Handel mit Deutschland gewährte. Die Palästinadeutschen befanden sich tatsächlich in einer Zwickmühle. Einerseits mußten sie aufgrund der nationalsozialistischen Politik mit einer ablehnenden Haltung der Juden in Palästina rechnen, andererseits wurden sie aber von den Arabern im Lande geradezu umworben, was sicher nicht im britischen Interesse lag. „Al Jamiah al-Arabiyah“ berichtete schon am 16. Mai 1933 von den „großen, hochverehrten“ Deutschen, die seit Jahrzehnten in Palästina lebten und deren Häuser „beispielhaft in ihrer Sauberkeit“ seien. Die Juden, die „sich von der ganzen Menschheit in ihrem Lebensstil […] unterscheiden, […] haben diese ehrenhaften Menschen […] als Zielscheibe für ihre boshaften Angriffe [ausgewählt].“11 Der Tatsache, daß Deutschland beträchtich für den dramatischen Anstieg der jüdischen Einwanderung nach Palästina ab 1933 verantwortlich war, wurde in der palästinensischen Presse keine große Bedeutung beigemessen. Zwar nahm die Kritik an Deutschland im Laufe der Zeit zu, aber das Haavara-Abkommen wurde merkwürdigerweise verschwiegen.12