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1. Religionsgeschichte als Fremdbeschreibung

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Allgemeine, Besondere und Spezielle Religionsgeschichte

Die Historische Religionswissenschaft zielt darauf, die geschichtlichen Entwicklungen von einzelnen Religionen bzw. innerhalb derselben nachzuzeichnen. Religionsgeschichte ist also zunächst „Arbeiten am Besonderen“ (11: 35), wobei die ganze Vielfalt der Religionen zum Gegenstand des Interesses werden kann: Lehre und Glaubenspraxis, Brauchtum und Organisationsgestalt, die Ausformung von Traditionen innerhalb der Religion wie ihre Beziehung zu anderen Religionen. Dabei bedient sich die Religionsgeschichte der üblichen historisch-kritischen Methoden und sucht die Unterstützung von benachbarten Wissenschaften wie Psychologie, Soziologie, Ethnologie etc. Unter formalen Gesichtspunkten lässt sich die Religionsgeschichte nochmals unterteilen in Allgemeine, Besondere und Spezielle Religionsgeschichte. Die Allgemeine Religionsgeschichte ist bemüht, wie schon der Name sagt, die Gesamtheit der Religionen in ihrer historischen Dimension in den Blick zu nehmen und darzustellen. In der Besonderen Religionsgeschichte geht es um die Darstellung des historischen Werdens und Wachsens einer Religion, also um die Geschichte beispielsweise des Hinduismus oder des Judentums. Die Spezielle Religionsgeschichte wiederum richtet ihren Blick auf die Geschichte einzelner Elemente entweder innerhalb einer bestimmten Religion oder im Zusammenhang einer mehrere Religionen übergreifenden religiösen Tradition. Beispiele für Ersteres wären etwa die historischen Entwicklungen der islamischen Engelslehre oder der buddhistischen Ethik, Beispiele für Letzteres die geschichtlichen Ausprägungen der Gestalt Abrahams in Judentum, Christentum und Islam, oder die unterschiedliche Entfaltung der karma-Vorstellungen in hinduistischen, jainistischen und buddhistischen Traditionen.

Selbstbeschreibung und Fremddarstellung

So sehr die Religionswissenschaft versuchen sollte, das Selbstverständnis der Angehörigen einer untersuchten Religionsgemeinschaft „von innen her“ nachzuvollziehen, so deutlich muss sie auch darum bemüht sein, zwischen zwei Ebenen strikt zu unterschieden: zwischen Selbstbeschreibung und Darstellung, zwischen „Glaubenssätzen“ und dem Zitieren dieser Glaubenssätze, zwischen religiösem und religionswissenschaftlichem Diskurs.

Der Religionswissenschaftler Wilfred Cantwell Smith hat einmal gefordert: „Es kann kein religionswissenschaftliches Untersuchungsergebnis Gültigkeit besitzen, wenn es nicht von Anhängern der betreffenden Religion anerkannt werden kann“ (66: 87). Eine solche Forderung ist aus verschiedenen Gründen äußerst problematisch. Die größte Schwierigkeit besteht darin, dass dann zwischen religiöser und religionswissenschaftlicher Begrifflichkeit nicht mehr klar unterschieden werden könnte. Religiöse Begriffe würden zu religionswissenschaftlichen Termini technici werden und in ihrem neuen Verwendungszusammenhang unerkannt die Wertungen ihres ursprünglichen, religiösen Kontextes einbringen.

Das lässt sich besonders gut am Beispiel negativer Wertungen zeigen: Begriffe wie „Sekte“, „Magie“, „Aberglaube“ usw. sind als religionswissenschaftliche Termini im Grunde nicht zu verwenden, da sie stark von ihrer christlich-theologischen Herkunftsgeschichte geprägt sind, wo sie als apologetische Kampfbegriffe dienten und z.T. noch dienen. Manchmal lässt es sich allerdings nicht vermeiden, dass solche Kategorien auch in die religionswissenschaftliche Terminologie Aufnahme finden – so z.B. „Synkretismus“ oder „Bekehrung“. In diesem Falle ist es umso wichtiger, zwischen ihrem ursprünglichen, theologischen und dem neuen, religionswissenschaftlichen Verwendungszusammenhang zu unterscheiden. Ziel ist es ja, eine religionswissenschaftliche Begrifflichkeit – eine „Metasprache“ – zu entwickeln, die nicht mehr an spezifische religiöse Traditionen rückgebunden ist und in deren Sinne Wertungen vornimmt.

Teilgebiet der Religionswissenschaft

Ähnlich wie der Begriff „Religion“ gehört auch der Terminus „Religionsgeschichte“ in den Horizont der europäischen Geistesgeschichte: Bis ins 17.Jh. hinein bezog er sich alleine auf die jüdisch-christliche Religionsgeschichte; für die Beschreibung von Religionen außerhalb dieser Tradition dienten geographische, kulturgeschichtliche oder andere Kategorien. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde der Begriff dann auch auf außerchristliche Religionen angewandt. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch entwickelte er sich zum Terminus technicus, der eine wissenschaftliche Disziplin bezeichnete. Er konkurrierte dabei mit anderen Begriffen wie „Religionswissenschaft“ oder „Vergleichende Religionsforschung“, mit denen er bis in die Gegenwart synonym gebraucht wird. Die Bezeichnung „Religions-Geschichte“ suggeriert dabei, dass es um die Beschreibung von Religionen in der Vergangenheit gehe. Tatsächlich wurde und wird Religionsgeschichte an vielen Universitäten häufig auch in diesem Sinne betrieben – so etwa an Forschungseinrichtungen, die sich mit altorientalischer Religionsgeschichte beschäftigen. Doch „Geschichte“ ist kein abgekapselter Zeitraum, sondern reicht weit über Vergangenes hinaus, und in entsprechender Weise ist die Gegenwart – selbst dann, wenn sie religionslos erscheinen sollte – durch die Religionsgeschichte mitgeprägt. Historische Religionswissenschaft kann sich also nicht auf die Vergangenheit beschränken, sondern findet zunehmend auch und gerade in der gegenwartsbezogenen Religionsforschung ihr Aufgabengebiet.

Grundsätzlich lässt sich sagen: Wo heute akademische Institutionen die Bezeichnung „Religionsgeschichte“ in ihrem Namen führen, steht der Begriff in den meisten Fällen nur noch als pars pro toto für die religionswissenschaftliche Beschäftigung mit Religionen insgesamt. Im Weiterleben des Namens spiegelt sich die Tatsache, dass der historischen Forschung in der Religionswissenschaft nach wie vor zentrale Bedeutung zukommt. Allerdings hat sich weithin das Verständnis durchgesetzt, dass der Begriff „Religionsgeschichte“ nicht die Religionsforschung insgesamt umgreift, sondern nur eine – wenn auch gewichtige – Teildisziplin der Religionswissenschaft bezeichnet.

Einführung in die Religionswissenschaft

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