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11. Kapitel

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Friedrichshagen, Frühjahr 1917

Der Anfang war für Ludwig von Wernher sehr beschwerlich. Das Anwesen, das er bezog, war zwar nicht gerade heruntergekommen, aber es entsprach in keiner Weise dem Standard, den er vom Gut seines Großvaters gewohnt war.

Es war ein Arrangement von drei Gebäuden, die im Gefiert einen gepflasterten Hof umstanden.

Am nächsten zur Straße stand das Wohnhaus. Hätte man sagen wollen, es hätte einladend ausgesehen, dann hätte man lügen müssen. Es war düster und abweisend.

Man betrat das Haus durch eine massive, aus einfachen grün gestrichenen Brettern zusammengesetzte Haustür und gelangte in einen dunklen Flur, der nur durch ein schmales Fenster mit blinden Scheiben notdürftig beleuchtet wurde. Die Wände waren bis etwa in Brusthöhe mit grauer Ölfarbe gestrichen. Oberhalb dieses Sockels waren sie weiß gekalkt.

Von hier führten vier Türen in die angrenzenden Räume. Wie kleine dunkle Verschläge kamen sie Ludwig vor.

Am größten war noch das Wohnzimmer. Es hatte sogar vier Fenster, drei, die nach vorne gingen, und eins zur Seite.

An das Wohnzimmer grenzten zwei Schlafräume, von denen man den zweiten nur durch den ersten erreichen konnte. Sie waren nach Osten ausgerichtet und versprachen wenigstens am Morgen einigermaßen Licht.

Auf der anderen Seite des Flures lagen ein weiteres Schlafzimmer und die Küche.

Die Küche war ein quadratischer Raum mit einem direkten Ausgang auf den Hof, einer kleinen Speisekammer, einem gemauerten Herd und einem Spülstein mit Pumpe. Das Mobiliar war alt und zeigte tüchtige Gebrauchsspuren.

Am liebsten hätte Ludwig das Anwesen fluchtartig verlassen, aber das ließ sein Stolz nicht zu. Nie hätte er zugegeben, dieser Herausforderung nicht gewachsen zu sein.

Entschlossen ging er in das Nachbargebäude, das den Stall und die Scheune beherbergte. Groß war es nicht, aber es reichte, jedenfalls für den Anfang. Alle Ackergeräte würde er in der Tenne unterbringen können, der Boden bot Platz für Heu und Stroh, und der angrenzende Stall war ausreichend für eine Hand voll Schweine, mindestens zwei, vielleicht sogar drei Kühe und einige Hühner.

Den Abschluss bildete der Vorratsschuppen. Er war in besserem Zustand als die beiden anderen Gebäude. Das Dach schien erst vor kurzer Zeit ausgebessert worden zu sein.

Auch wenn vieles darauf hindeutete, dass die Vorrechte des Adels nicht mehr lange gelten würden, genoss Ludwig von Wernher in Friedrichshagen sofort hohes Ansehen. Er war der Nachkomme des unglücklichen Barons, der sich erschießen musste, weil seine Gläubiger ihn ruiniert hatten.

Kein Wort wurde mehr darüber verloren, dass Achim von Wernher sein Vermögen verspielt hatte, dass er sein Geld mit Frauen und in den Casinos durchgebracht hatte.

Kein Wort auch darüber, dass er durch seinen Selbstmord Frau und drei kleine Kinder einem ungewissen Schicksal überliefert hatte.

Dass das einzige, das die Familie retten konnte, dieses Anwesen war, armselig und heruntergekommen.

Charmant wäre der Baron gewesen, immer freundlich, immer hilfsbereit.

Man konnte sich zwar an kein Beispiel für seine Hilfsbereitschaft erinnern, aber gerne hätte er den Bauern eine Runde spendiert, wenn er mal in die Dorfschänke gekommen wäre.

Und jetzt hatte der Sohn vom großen und so verehrten Achim von Wernher das Erbe angetreten, das ihm die Geier gelassen hatten, besser, das sein tüchtiger Anwalt hatte retten können.

Ohne dass er auch nur das Geringste dazu tun musste, wurde Ludwig fast über Nacht zu dem bedeutendsten Bürger von Friedrichshagen.

Man grüßte ihn, zog den Hut und verneigte sich tief, die Frauen neigten den Kopf, die Jungfrauen machten einen artigen Knicks, während eine leichte Röte ihr Gesicht überflog.

Man bot ihm Hilfe an. Er sollte nur ganz offen sagen, wenn er Hilfe brauchte.

Obgleich Ludwig die beiden Knechte, die sein Großvater ihm mitgegeben hatte, noch mindestens eine Woche länger hätte behalten können, schickte er sie nach zehn Tagen zurück.

„Ich brauche sie nicht mehr. Und auch nicht Deine Almosen. Meine Leute hier lieben mich“, schrieb er auf einen Zettel an seinen Großvater, den er den Knechten mitgab.

Natürlich machte man sich nicht nur in Friedrichshagen, sondern auch in den anderen umliegenden Dörfern, ja selbst in Oranienburg Gedanken über das weitere, persönliche Schicksal des jungen – immer noch – Barons.

Der Krieg hatte den Vorrat heiratsfähiger Männer erheblich ausgedünnt.

Viele junge Frauen, die sich aus Sentimentalität oder anderen nicht nachvollziehbaren Gründen versprochen hatten und ihrem Angebeteten bis zu dessen Tod treu geblieben waren, hielten die Trauerzeit inzwischen für beendet und warteten auf einen würdigen Nachfolger.

Die Frauen, die kurzsichtig genug gewesen waren, unter den wenig kalkulierbaren Umständen des Krieges eine Ehe einzugehen und deren Männer nicht zurückgekommen waren, reihten sich ebenfalls ein in das Heer Männer suchender

Frauen.

Natürlich waren da auch die Hässlichen, die, die keiner haben wollte, auch zu Friedenszeiten nicht. Die, bei denen selbst die Mitgift nicht den Makel der Hässlichkeit tilgen konnte.

Kurz, das Angebot war riesig. Und Ludwig brauchte sich nicht einmal auf die Bauerntöchter zu beschränken.

Ludwig hatte entdeckt, dass er einen ungeheuren Eindruck auf die Heiratsfähigen, wie er sie jetzt nannte, und deren Mütter machte, wenn er am Sonntag erst seine Felder inspizierte und dann in den Ort geritten kam.

Regelmäßig kehrte er im „Krug“ ein, setzte sich an seinen Fensterplatz, den ihm niemand streitig zu machen wagte, und bestellte ein Bier und ein Essen.

Auch regelmäßig rissen sich die Väter lediger Töchter darum, seine Zeche zu bezahlen. Und er musste als Schlichter auftreten, musste den bestimmen, der heute für ihn bezahlen durfte.

Das war sehr komfortabel. Und er hätte es gern bei diesem paradiesischen Zustand belassen, wenn nicht etwas gefehlt hätte.

Er war nun mal ein Mann!

Und als Mann hatte er bestimmte Bedürfnisse!

Und er wusste, die Privilegien des Adels würden abgeschafft werden, auch wenn man es hier noch nicht so sah.

Einfach so durch die verschiedenen Betten zu hüpfen, das hätte man ihm nicht verziehen.

Er musste eine Entscheidung treffen.

Und das musste schnell geschehen.

Seine Hormone verlangten es von ihm.

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