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Die Gesellschaft könnte mich brauchen

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Obwohl ich keinerlei Ehrgeiz habe, als „Österreichkritiker“ apostrophiert zu werden (wenn schon, dann „Weltkritiker“, eigentlich aber lieber „Vizekonsul des Lichts“), bin ich keineswegs mit allem einverstanden. Ich finde es zum Beispiel – nimm das, Austropurist! – echt ätzend, dass es hierzulande umöglich ist, früh aufzustehen. Unlängst verließ ich um halb sechs das Bett, was doch ziemlich früh ist, auch wenn die selbstgefälligen Gesinnungsproletarier mich jetzt wieder an die alleinerziehenden Mütter erinnern werden, die in den Filialen der Brotbackketten malochen müssen. Hätten sie halt was Gscheites gelernt und den Kindsvater etwas sorgfältiger ausgewählt! Außerdem muss wegen mir niemand in aller Herrgottsfrüh Aufbacksemmeln in den Ofen schieben, ich esse Toast und Schwarzbrot. Was ich eigentlich sagen wollte: Nicht genug, dass das Frühaufstehen aufgrund der neoliberalen Sommerzeit luxmäßig eh keinen Unterschied mehr macht, tun das bis auf ein paar lichtscheue Tunichtgute mittlerweile auch alle. Die Straßen, Straßenbahnen und Airport-Shuttles sind voll von Frühaufstehern, die im Dienste des internationalen Kapitals an der Entregelung der Tageszeiten und Lebensrhythmen arbeiten. Überall Businessdarsteller, die mit schwappschutzdeckelbewehrten Pappbechern oder Edelstahlthermotassen unschön vom Erdenrund abstehen: „Hallöchen im All, wir auf Terra haben keine Zeit, uns daheim ein Käffchen zu brühen. Wir haben Termine, Dates und Ausbildung, damit wir unsere Jobs behalten oder noch geilere kriegen können.“

Die selbstgefälligen Gesinnungsproletarier sollen jetzt aber mal selber was hackeln und mich mit Belehrungen verschonen. Ich weiß das alles schon! Und ich weiß, dass die Gesellschaft nicht bloß schlechtrasierte Telekom-CEOs braucht, die den Terror ständiger Erreich- und Verfügbarkeit vorantreiben, sondern auch solche, die Alternativen dazu verkörpern – Typen wie mich. Zugegeben, in Wirklichkeit bin ich einer von denen, die Wein predigen und Wasser trinken, aber das müsste nicht so sein. Ich kann auch gerne täglich bis um elf, na, sagen wir: bis halb neun ratzen und hernach mit einem Baguette unterm Arm durch halb Wien flanieren. „Seht“, würden die Leute ausrufen, „so geht’s also auch!“ Eine Gesellschaft müsste sich so einen doch leisten können! Man gebe mir also Geld dafür, und ich mache das.

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