Читать книгу Seefahrt in den 1960-70er Jahren auf Bananenjägern und anderen Schiffen - Klaus Perschke - Страница 17
Durch den Panamakanal nach Guayaquil
ОглавлениеAm 28./29. März sollten wir laut Fahrplan den Panamakanal erreichen und vielleicht sofort passieren. Jedenfalls kalkulierten in diesem Sinne die Bruns-Strategen in Hamburg am grünen Tisch den Fortgang der Reise. Leider machte der Löschbetrieb in San Juan ihnen einen Strich durch die Rechnung. Die Ankunft auf der Reede von Cristobal verzögerte sich bis zum 31. März. Unser Shipping Agent war:
Messrs. Boyd Brothers Steamship Agencies Ltd., P. O. Box 5077, Cristobal – Canalzone.
Wie erwartet, Ankunft Cristobal Anchorage am 31. März, ein fantastisch schöner Tag. Die Sonne schien, es war warm, eine herrliche Luft. Am grünen Ufer Palmen, Palmen, Palmen. Hier und da sah man weiße Villen, irgendwo am Ufer die Pilot Station. Der Pilot kam im Speedboat angerauscht, erklomm fluchend die „Pilot ladder“, oben an Deck kontrollierte er die Befestigung der Lotsenleiter, ob alles in Ordnung war. Es war aber „Gott sei Dank“ alles in Ordnung an der Befestigung. Sonst hätte es für uns einen dicken Claim gegeben. Damit waren die amerikanischen Lotsen immer schnell zur Hand! Natürlich war damals 1964 die Canal Zone noch in US-amerikanischer Hand, ebenso war die Canal Zone „militärisches Sperrgebiet“. Dann bewegte er sich nach oben, begrüßte Kapitän Melzer und steuerte mit „Dead Slow Ahead“ bis zum Ankerplatz. „Ready for Port Anchor!“, wir vorn auf der Back wiederholten den Befehl. „Half Astern“ (halbe zurück) war sein nächstes Kommando, und als die „BRUNSKOOG“ zum Stehen gekommen und sich ganz langsam wieder rückwärts bewegte, kam der Befehl: „Let go Port Anchor, six shakles to water!“ (Ein „Schäkel Kettenlänge“ entspricht 15 Meter) Und dann ließ der Zimmermann den Anker ausrauschen, bis 6 Schäkel Kette zu Wasser waren und setzte die Bremse fest. Das langsam rückwärts driftende Schiff holte die Kette steif und hielt. Anschließend war „Ende der Reise“. Wir, der Zimmermann und ich, verließen die Back, Kapitän und Pilot die Brücke. Natürlich bekam der Pilot statt des obligatorischen „Kännchen Kaffee“ heute ein wohltemperiertes Glas „Becks-Bier“. Ich wage zu behaupten: fast alle Pilots des Panama-Kanals sind überwiegend Gewohnheits-Schluckspechte! Auf jeden Fall wurde unser Pilot sofort drei Oktaven „deutsch-freundlicher“ als vorher, als er an Bord gekommen war. Nach Unterzeichnung der Lotsenpapiere und nachdem das Agencyboat längsseits gekommen und der Agent die erwartete Schiffspost dem Kapitän ausgehändigt hatte, gab es zum Abschied noch eine kühle Flasche Becks-Bier für den Heimweg, damit der Pilot auf dem Wege nach Hause nicht vom Kurs abkommen würde.
Ja, Becks-Bier und auch Holsten-Bier sind begehrte Biermarken, sowohl bei den deutschen Seeleuten als auch bei allen amerikanischen Lotsen und Hafenarbeitern. Und ein gutes „Schmiermittel“, wenn unser Bootsmann während der Hafenliegezeit in einem amerikanischen Hafen etwas vom amerikanischen Schiffsvormann erledigt haben wollte. Diese Erfahrungen hatte ich schon auf den Schiffen der Hanseatischen Reederei gemacht. (Band 58) Da wird sogar der härteste amerikanische Deutschenhasser und Hafengewerkschaftsfunktionär kooperativ wie ein guter Kollege. Ein gut gekühltes Becks-Bier wirkte Wunder in den amerikanischen Häfen der Ostküste und im Panamakanal!
Doch zurück nach Cristobal-Anchorage. Endlich kam der Canal-Pilot, auch „Bush-Pilot“ genannt, an Bord. Ein gemütlicher, freundlicher, zigarrenrauchender Pilot. „We get to move into the next lock, they are ready to take us in. Let´s heave the anchor now!” Das war das Signal, sowohl für die Maschine als auch für uns. Der Zimmermann und ich spurteten wieder nach vorn auf die Back, die Ankerkettennuss wurde eingekuppelt, und dann „hiev up“ mit „full power!“ Die Kette kam tight, die E-Winde jaulte, langsam bewegte sich das Schiff voraus, sodass das Hieven wieder leichter wurde. Kurze Zeit später kam der Anker erst aus dem Grund und tauchte kurz darauf über der Wasseroberfläche auf. Oben auf der Brücke wurde der Hebel auf „Maschine voraus langsam“ gelegt. Kaum war der Anker in der Klüse, wurden die Bremsbacken fest angezogen und die Nuss wieder ausgekuppelt. Irrtümlicher Weise wurde „Klar vorn achtern“ befohlen, die Jan Maaten erschienen auf der Back und achtern an Deck. Wir staunten aber nicht schlecht, als ein weiteres Speedboat uns mit einer „Festmachercrew“ entgegen kam. Kaum neben der Bordwand, kletterte die Gang an Bord. Alles Schwarze. Unsere Leute konnten wieder von der Back und vom Achterdeck verschwinden. Die Panamakanalbehörde unterteilten ihre im Kanal tätigen Angestellten immer noch nach rassistischen Vorurteilen.
Zum Beispiel mussten die bei der Panamakanal-Behörde angestellten Afroamerikaner die am schlechtesten bezahlten Jobs verrichten, die weißen US-Amerikaner dagegen erledigten die am höchst besoldeten Tätigkeiten. Wie zum Beispiel: die Panamakanal-Pilots, die sich im amerikanisch verwalteten Panamakanal vor Ort wie Gott in Frankreich aufführten. Von denen glaubte jeder, dass die amerikanische Herrschaft über diesen weltweit bedeutendsten Schifffahrtskanal nie aufhören würde. Leider war das ein großer Irrtum: Bereits wenige Jahre später befreite sich das panamesische Volk von den Unterdrückern und jagten sie aus ihren Land. Das hatten ihnen die Amerikaner nie vergessen.
Alte Ansichtskarten von der Kanalzone
aus Band 17 – Schiffskoch Ernst Richter
Alte Ansichtskarten von der Kanalzone
Die Schwerstarbeiter auf allen Schleusen, die E-Lokomotiven mit ihren zwei Festmacherdrähten, mit denen sie zusammen mit fünf weiteren E-Loks je ein Schiff durch alle drei Schleusenkammern ziehen.
Foto: Klaus Perschke
Sechs E-Lokomotiven, also drei an Backbord- und drei an Steuerbordseite, gaben nacheinander ihre Stahltrossen vorn und achtern an Bord, wo sie befestigt und anschließend seitens der E-Loks-driver „tight-gehievt“ wurden. Langsam zogen uns die E-Loks in die Vorschleusenkammer hinein und in Position. Sobald wir drinnen lagen, wurde das „seeseitige Schleusentor“ geschlossen und der Wasseraustausch wurde vom Kanal her eingeleitet. Die Gatun-Locks-Anlage hatte drei Schleusenkammern, die hintereinander in Stufen angeordnet waren. Durch diese Stufenkammern wurden wir, von der Karibik kommend, pro Kammer 10 Meter rasant hochgepumpt, bis wir das Wasserstandsniveau des Panamakanals erreicht hatten. Die sechs E-Loks zogen uns durch alle bis in die oberste Kammer mit dem Kanalniveau, wo sie sich anschließend ausklinkten und wir in den Kanal entlassen wurden.
Die Ausfahrt in den Kanal hinein bildete zunächst eine ziemlich große Bucht, der Gatun Lake, der als Ankereede für alle in Richtung Atlantik bestimmten Schiffe diente. Der Canal-Pilot wurde über UKW von einer Canal-Zentrale beraten. Er lotste uns durch den Ankerliegerpulk (Ansammlung von Ankerliegern) hinein in die mit Leuchttonnen markierte Fahrrinne durch den Gatun Lake in Richtung Canal zur Pacific-Seite, also Richtung Balboa. Übrigens, im Gegensatz zu den deutschen Elb-, Nordostseekanal-, Weser- und Emslotsen, die nur beratende Funktionen ausüben, übernimmt der Canal-Pilot die volle Verantwortung über das Schiff und die Navigation im P-Canal. Die Fahrt durch den Kanal ist außer-gewöhnlich beeindruckend, wenn man das erste Mal durch den Panamakanal fährt. Allein das Passieren zweier aufeinander zulaufende Schiffe erzeugt jedes Mal ein prickelndes Gefühl, bei dem man sich in die Hose pinkeln könnte. Jeder Kapitän wächst in solch einem Moment am Maschinentelegraph fest. Nützt aber alles nichts, der Canal-Pilot erteilt die Steuer- und Fahrtgeschwindigkeitskommandos. Und dadurch läuft alles auch ohne „German Master“ wie geschmiert.