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b) Schadensersatz wegen Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten

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Auf Erfüllung der von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten haftet der Insolvenzverwalter gemäß § 61 InsO ebenfalls mit seinem Privatvermögen, sofern die von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten nicht aus der Insolvenzmasse bedient werden können. Der Insolvenzverwalter kann sich jedoch nach Maßgabe des § 61 S. 2 InsO entlasten, was wiederum voraussetzt, dass er bei Verfahrenseröffnung umgehend einen plausiblen Liquiditätsstatus erstellt und diesen regelmäßig überprüft und aktualisiert[58]. Konkret muss er zum Zeitpunkt der Begründung der (nicht mehr erfüllbaren) Masseverbindlichkeit einen, aus seiner damaligen Sicht auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhenden und sorgfältig erwogenen, Liquiditätsplan erstellt haben, der eine Erfüllung der fälligen Masseverbindlichkeit erwarten lässt[59]. Der Verwalter muss sich dadurch ständig versichern, dass er die von ihm getätigten Neugeschäfte bezahlen kann, wodurch wiederum die Neugläubiger zu Geschäften mit der Masse angehalten werden, so dass der fortgeführte Betrieb am Leben bleiben kann[60]. Die Vergewisserungspflichten bezüglich der Liquidität beziehen sich jedoch nur auf die primären vertraglichen Erfüllungsansprüche, nicht auf etwaige sich aus der Geschäftstätigkeit ergebende Sekundäransprüche, beispielsweise wegen Veräußerung massefremder Gegenstände[61]. Die Darlegung und der Beweis für eine von seiner Liquiditätsplanung abweichende Entwicklung obliegt ihm jedenfalls nicht[62].

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Der Insolvenzverwalter ist persönlich jedoch lediglich für seine eigenen Rechtshandlungen verantwortlich, er haftet daher nicht persönlich für die ohne seine Beteiligung entstandenen sog. oktroyierten Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr 2 InsO, wie zum Beispiel die laufenden Lohnansprüche der bei Insolvenzeröffnung beschäftigten Arbeitnehmer (vgl Rn 560)[63]. Anders kann es sein, wenn er die Entstehung weiterer (oktroyierter) Masseverbindlichkeiten pflichtwidrig nicht verhindert, indem er die erste Gelegenheit zur Kündigung verstreichen lässt.[64] Der gesetzliche Haftungsgrund des § 61 InsO ist der pflichtwidrige Abschluss des Vertrags und nicht dessen Nichterfüllung; daher zielt auch der Schadensersatzanspruch aus § 61 InsO (wie der aus § 60 InsO) nur auf das negative Interesse[65]. Vorgeworfen wird ihm also der Abschluss des Vertrags trotz zu diesem Zeitpunkt erkennbarer Zweifel an seiner Erfüllbarkeit, nicht die Unfähigkeit zur Befriedigung des Vertragspartners, das ist ein typischer Fall der Vertrauenshaftung[66].

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Zu beachten ist, dass die Haftung wegen entgangener Vorteile voraussetzt, dass der Geschädigte die erlittenen Verluste konkret darlegen kann. So haftet der Insolvenzverwalter selbst bei pflichtwidriger Nichtkündigung eines Mietverhältnisses dem Vermieter nur dann in Höhe des Mietausfalls, wenn der Vermieter beweisen kann, dass er die Räume währenddessen anderweitig hätte vermieten können[67]. In einem anderen Fall wurde entschieden, dass die Haftung des Insolvenzverwalters wegen Untervermietung an einen unzuverlässigen Mieter gegenüber dem Vermieter voraussetzt, dass dieser darlegt, wann und zu welchem Mietzins das Objekt bei rechtzeitiger Übergabe anderweitig hätte vermietet werden können[68].

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Lösung Fall 12 (Rn 178):

In Betracht kommt eine Haftung des IV nach § 61 InsO, die jedoch auf das negative Interesse begrenzt ist. A kann demnach nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn die pflichtwidrige Handlung nicht begangen worden wäre, IV haftet dagegen nicht auf Erfüllung des Arbeitsvertrags. Die Haftung nach § 61 InsO greift zudem nur bei aktiven Handlungen des IV ein. Im Fall wurden die Lohnansprüche bis März der Masse aber oktroyiert im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr 2 InsO, da A bereits bei Verfahrenseröffnung bei S beschäftigt war.

Eine Haftung des IV kommt dennoch in Betracht, wenn bei Vornahme der pflichtwidrig unterlassenen Handlung die unbezahlte Masseverbindlichkeit nicht entstanden wäre. Für IV gab es jedoch keine rechtliche Möglichkeit, den A zu einem früheren Zeitpunkt als zum 31. März zu kündigen, weil die Höchstfristregelung des § 113 InsO an der Kündigungsfrist hier nichts ändert (vgl Rn 556). Zudem führte das Unterlassen der Kündigung nicht zu einer Haftung gegenüber A, sondern allenfalls gegenüber den Gläubigern, hier wegen Masseverkürzung gemäß § 60 InsO in Höhe der nach Ablauf des ersten Kündigungstermins ausbezahlten Lohns. IV haftet dem A demzufolge nicht auf Lohnzahlung.

Etwas anders könnte sich daraus ergeben, dass A einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht erst ab Kündigungsablauf, sondern bereits ab Freistellung hat (sog. „Gleichwohlgewährung“, § 157 Abs. 3 SGB III). Es stellt sich also die Frage, ob IV den A ab dem Zeitpunkt der Absehbarkeit der Nichterfüllbarkeit der Kündigungslöhne von der Arbeitsleistung hätte freistellen müssen, um ihm den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verschaffen, der in Höhe von 66% des Nettolohns besteht. Das ist zu verneinen, denn die Freistellung von der Arbeitspflicht ist keine insolvenzspezifische Pflicht und es gibt auch keinen Anspruch des Arbeitnehmers, von seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitspflicht freigestellt zu werden[69].

Eine Haftung gemäß § 61 S. 2 InsO wegen etwaig verspäteter Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist bereits deswegen ausgeschlossen, weil IV nicht erkennen konnte, dass die Masse voraussichtlich zur Erfüllung nicht ausreichen würde. IV hat hier eine fundierte Liquiditätsrechnung erstellt und konnte davon ausgehen, dass die Liquidität bis zum Auslaufen der Kündigungsfristen ausreichen werde; der unerwartete Ausfall von Zahlungen kann IV nicht angelastet werden[70].

Folglich muss IV im Fall 12 gem. § 61 InsO den Ausfall des Arbeitslosengeldes in Höhe von € 666 nicht an A bezahlen.

§ 5 Die Rechtswirkungen der Insolvenzeröffnung › II. Die Verfahrenseröffnung aus Sicht des Insolvenzverwalters › 4. Auswahl, Aufsicht, Rechenschaft und Vergütung

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