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Soziale Rahmenbedingungen und Ausprägungen

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Stadtreformation

Die frühe Reformation differenzierte sich jedoch nicht nur wegen interner theologischer Differenzen aus. Je nach Träger bzw. Rezipienten entwickelten sich unterschiedliche Dynamiken. Von Beginn an war dabei vor allem das städtische Milieu ein wichtiger Katalysator. Dort gab es ein lesekundiges Publikum und eine gebildete Schicht, die sich vielfach um das eigene Heil und die christliche Lebensführung sorgte. Sie hatte an Predigten sowie Gestaltungen des Kirchenwesens Interesse, die dem Evangelium entsprachen. Für das Kirchenwesen in der eigenen Stadt fühlte sich eine städtische Elite ohnehin selbst verantwortlich, die deshalb externe störende Einflüsse minimieren wollte, auch denjenigen der Bischöfe. Diesen Bestrebungen kam die Reformation entgegen. So gingen bereits früh viele Reichsstädte, etwa Straßburg und Nürnberg (schon 1524 bzw. 1525), zu ihr über. Oft waren es Mitglieder der Bettelorden, die mit Luthers Gedanken bekannt machten oder mobile Schichten wie Lehrer, Studenten, Kaufleute oder Handwerker. Hinzu kam der Einfluss gedruckter Schriften. Auf Auseinandersetzung und Gruppenbildung folgte oft eine klärende Disputation unter Aufsicht des Stadtrats, der sich auf diese gestützt dann durchrang, die Reformation einzuführen und die alte, bisherige Form des Kultes abzuschaffen.

Ländliche Reformation und Bauernkrieg

Die Reformation war aber nicht nur ein „urban event“ (Arthur G. Dickens), sondern fand auch auf den Dörfern Anhänger: Heilssorge und evangeliumsgemäße Gestalt des Kirchenwesens motivierte vielfach auch dort und verband sich oft mit der Forderung nach der Wiederherstellung traditioneller Mitbestimmungsrechte im Kirchenwesen und gegenüber dem Landesherrn. Ausgehend von Südwestdeutschland schlossen sich Bauern auch in den Alpenländern und Mitteldeutschland zusammen, um ihre religiösen, politischen und wirtschaftlichen Forderungen ab 1524 durchzusetzen, notfalls auch gewaltsam. Sie wurden von den in Landfriedensbünden geeinten Fürsten freilich energisch niedergeschlagen, auch gerechtfertigt von Luther, für den der Aufstand gegen die Obrigkeit nicht Konsequenz des Evangeliums sein konnte. Luther entwickelte hiergegen seine Lehre von den zwei Regimentern, denen der Christ angehöre. Für sich selbst soll der Christ nach dem Evangelium, der Bergpredigt leben. Da aber niemals alle Menschen gut und christlich sein werden, ist die weltliche Obrigkeit nötig, die mit dem Schwert straft, um in Gottes Auftrag dem Bösen zu wehren. Ihr bleibt auch der Christ untergeordnet und an der Ausübung dieses Regiments kann er durchaus teilhaben. Auch wenn der Bauernaufstand niedergeschlagen wurde, verband sich auch auf dem Land weiterhin vielfach die reformatorische Lehre zumindest ansatzweise mit einem kommunalen Gemeinbewusstsein (Gemeindereformation).

Fürstenreformation

Der stärkste Faktor in der Ausbreitung der Reformation wurde aber immer mehr der fürstliche Territorialstaat. Frühzeitig gingen neben Kursachsen auch die Landgrafschaften Hessen, Preußen und die Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth zur Reformation über. Andere Fürsten zögerten und schlugen einen abwartenden Weg ein. Einige wenige wie Georg von Sachsen, die bayerischen Herzöge, Joachim I. von Brandenburg (1484–1535) und Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel (1489–1568) agierten bald entschieden antireformatorisch, da sie in der Reformation Aufruhr sahen. Entscheidend für die fürstliche Politik waren die persönlichen Überzeugungen und diejenige gelehrter Berater, aber auch außenpolitische Erwägungen und Bündnissysteme. Die obrigkeitliche Fürstenreformation erfasste vor allem nach 1530 immer weitere Teile besonders Nord- und Ostdeutschlands. Verbunden damit war meist die Aufhebung der Klöster und die Umwandlung kirchlicher Stiftungen. Hatten diese bislang meist dem Totengedenken gedient, wurden sie nun zum Zweck der Predigt, Schulbildung und Armenfürsorge verwendet. Doch suchten auch katholisch gebliebene Herrscher den Zugriff auf den kirchlichen Besitz zu intensivieren. Kleinere Adelsherrscher wurden dabei oft integriert und in den Fürstendienst gezwungen. Der frühe Aufstand des Franz von Sickingen (1481–1523), der das Erzstift Trier überfiel und säkularisieren wollte und dabei auch eine Kirchenreformation erstrebte, wurde von den im Schwäbischen Bund vereinten Fürsten 1523 niedergeschlagen.


Auf einen Blick

Martin Luther betonte an der jungen Wittenberger Universität an Paulus und Augustinus angelehnt, dass niemand durch die angebliche Gutheit seiner Taten vor Gott gerecht ist, sondern aus Gnade und im Glauben an die Frohbotschaft von Christus dessen Gerechtigkeit vor Gott angerechnet bekommt. Seine theologischen Gegner führten gegen diese Lehren und Luthers Ablasskritik die Autorität des Papstes und der Kirche ins Feld, sodass aus einer theologischen Debatte ein Ketzerprozess wurde, an dessen Ende die Verurteilung Luthers stand. Unter dem Schutz des sächsischen Kurfürsten und begünstigt durch den Buchdruck ließ sich seine Lehre nicht mehr eliminieren, sondern bildete den Einheitspunkt der frühen reformatorischen Predigt. Früh fand diese in vielen Reichsstädten Widerhall, nach und nach auch in den Fürstenstaaten, während im ländlichen Bereich die wirtschaftliche und politische Unzufriedenheit vieler Bauern sich mit kirchenreformatorischen Forderungen verband. Die Aufstände Mitte der 1520er Jahre wurden von den Fürsten jedoch mit Billigung Luthers niedergeschlagen.

Literaturhinweis

Volker Leppin, Martin Luther, Darmstadt 2006. Neuere Gesamtdarstellung, die Luthers mittelalterliche Verwurzelung betont.

Berndt Hamm/Bernd Möller/Dorothea Wendebourg, Reformationstheorien. Ein kirchenhistorischerr Disput über Einheit und Vielfalt der Reformation, Göttingen 1995. Debatte, ob es eine innere, inhaltliche Einheit der frühen Reformation gibt.

Olaf Mörke, Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung (= EdG 74), München 2005. Einführung auch in wichtige Forschungsdebatten.

Reinhard Schwarz, Luther, Göttingen 32004. Quellennahes Standardwerk zu Biographie und Theologie Luthers.

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