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1.Zwischen Habsburger Universalmonarchie und deutschen Libertäten: Die Religionspolitik auf den Reichstagen bis 1530 Der Antagonismus zwischen Kaiser und Fürsten

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Die Ausbreitung der Reformation im Heiligen Römischen Reich wurde begünstigt durch den Antagonismus zwischen dem Kaiser und den Ständen des Reichs, vor allem den Kurfürsten und Fürsten, die eine Verschiebung des Gleichgewichts zugunsten der Habsburger fürchteten. Die Reichsstände besaßen auf den Reichstagen umfassende Rechte der Mitbestimmung und der Steuerbewilligung. Das Reich zu regieren hieß für den König bzw. den „erwählten Kaiser“ ein kompliziertes System von Rechten und Freiheiten (Libertäten) der Reichsstände zu respektieren und zu bestätigen, um so loyale Interessensallianzen zu schaffen. Durch seinen spanischen Besitz, seine neu entdeckten Kolonien und seine spanische Prägung wurde Karl V. von Beginn an verdächtigt, mit den Freiheiten der deutschen Fürsten nicht vertraut zu sein und ein „spanisches Servitut“, also eine straff regierende Königsgewalt wie in Spanien errichten zu wollen. Tatsächlich kursierten am Kaiserhof Pläne, eine „Universalmonarchie“ zu errichten. Aus diesem Grund zeigten viele Fürsten wenig Interesse, die kaiserliche Stellung im Reich zu stärken. Der Kaiser war zudem durch Kriege gegen Frankreich und die Osmanen gebunden und hielt sich für lange Zeit außerhalb des Reiches auf. Dies führte dazu, dass die Fürsten auf das Wormser Edikt, das die Anhänger Luthers für rechtlos erklärte, wenig Rücksicht nahmen. Vielmehr war man entschlossen, auf den Reichstagen Steuern für den Kampf gegen die Türken nur zu bewilligen, wenn der Kaiser dafür Freiheiten, auch in Sachen des Glaubens, einräumte.

Stichwort

Heiliges Römisches Reich

In Mitteleuropa bildete sich im 10. Jahrhundert unter den sächsischen Ottonen ein neues Herrschaftsgefüge, das mit der Krönung der Könige zu Kaisern (durch den Papst) an die Antike und an Karl den Großen anknüpfte. Ab dem 12. Jahrhundert wurde es als Sacrum Romanum Imperium bezeichnet. In einem ausbalancierten System hatte der König, dessen Wähler seit 1356 auf die sieben Kurfürsten (drei geistliche: Mainz, Köln und Trier; vier weltliche: Sachsen, Böhmen, Brandenburg und die Pfalz) eingegrenzt waren, auf die Fürsten und Großen des Reichs Rücksicht zu nehmen und sich am Herkommen und den überkommenen Privilegien der Mitbestimmung der Reichsstände zu orientieren. Dem Reich kam so eher der Charakter einer Klammer zu. Neben den Kurfürsten und Fürsten hatten auch die meisten Bischöfe sowie einige Klöster und Stifte ein eigenes reichsunmittelbares Territorium (Reichskirche), ebenso die Reichsstädte und einige Ritter (kleine Adelsherrschaften). Sie hatten Sitz und Stimme auf dem Reichstag, der mit dem Kaiser die Herrschaft ausübte und Steuern bewilligte. Bemühungen um eine Reichsreform, die den Zusammenhang im Reich vor 1500 stärken wollten, scheiterten größtenteils, da die Fürsten darauf achteten, dass die Habsburger Kaiser ihre ererbten Rechte (Libertäten) nicht beschnitten.

Die Reichstage ab 1523

Dies war die Situation auf den Reichstagen in Nürnberg 1523 bis 1524. Von den kaiserlichen Vertretern forderte man ein freies Konzil in deutschen Landen, das die vielen Missbräuche, die in kirchlichen Dingen herrschten, durch Reformen abstellen und die Luthersache ebenfalls behandeln sollte. Nachdem der Kaiser ein solches Nationalkonzil blockierte, eröffnete die akute Türkengefahr auf dem Reichstag von Speyer 1526 den lutherischen Reichsständen die Möglichkeit, für die militärische Unterstützung ein Abweichen vom Wormser Edikt durchsetzen: In Fragen der Religion soll jeder Reichsstand so verfahren, wie er es vor Gott und dem Kaiser glaubt verantworten zu können. Wenig später erlitt der ungarische König Ludwig II. gegen die Osmanen eine vernichtende Niederlage und starb. Durch geschickte Heiratspolitik fielen nun Böhmen und Ungarn an den kaiserlichen Bruder Ferdinand (1503–1564) aus dem Haus Habsburg. Zugleich wurden große Teile Ungarns osmanisch oder zumindest von Vasallen der Osmanen beherrscht. Im Herbst 1529 belagerte Sultan Süleyman I. (ca. 1495–1566) sogar Wien, eine Einnahme gelang ihm freilich nicht.

Die protestatio von 1529

Im Reich konnte Ferdinand mit den katholischen Fürsten auf dem Reichstag 1529 in Speyer jedoch die Durchsetzung des Wormser Edikts erwirken. Das reformatorische Bekenntnis war damit reichsrechtlich illegitim. Hiergegen legten sechs Fürsten und 14 Reichsstädte eine protestatio ein und sie verweigerten Ferdinand, der Karl V. vertrat, die Unterstützung gegen die Osmanen. Sie entzogen sich so der Reichstagsmehrheit; ein Konsens konnte nicht mehr gefunden werden. An diese (damals auf Reichstagen vielfach geübte Praxis) der protestatio knüpfte seit dem 17. Jahrhundert eine Bewegung innerhalb der reformatorischen Territorien an, die mit dem „Protestantismus“-Begriff eine gemeinsame Identität von „Lutheranern“ und „Calvinisten“ in Abgrenzung zur römisch-katholischen Kirche etablieren wollte. Von diesen Unionsbestrebungen getragen bürgerten sich die Begriff „Protestant“ und „Protestantismus“ allmählich ein.

Kirchengeschichte der frühen Neuzeit

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