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Einheit der frühen Wittenberger Reformation
ОглавлениеDie frühe reformatorische Bewegung war vor allem durch Wittenberg geprägt, wo zunächst vor allem Karlstadt und Philipp Melanchthon sich eindeutig zu Luthers Theologie bekannten. Ohne die Gerechtmachung des Menschen durch das Gnadenwort des Evangeliums könnte der Mensch niemals vor dem Gesetz, dem Gebot der unbedingten Gottes- und Nächstenliebe, bestehen. Diese Einsicht wirkte als Einheitspunkt in den Predigten und Flugschriften der frühen Reformation. Da an diesem Kriterium gemessen ein Teil der kirchlichen Praxis nicht bestehen konnte, war eine Kirchenreform somit sekundär und abgeleitet ebenfalls das Ziel dieser von Luther angestoßenen Bewegung. Luther selbst hat die Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium auch in späterer Zeit als Kritierium gesehen, das einen guten Theologen ausmache (WA 39/1, 552).
Gott begegnet uns auf zweifache Weise: Er verpflichtet und richtet uns im Gesetz. Dieses hat eine doppelte Funktion. Auch wenn es nie ganz und von innen heraus erfüllt werden kann, so sorgt doch mit seiner Hilfe die Obrigkeit für eine gewisse rechtliche Ordnung (usus civilis). Da Gott aber die Liebe zu sich und die Liebe zum Nächsten unbedingt und um ihrer selbst willen fordert, überführt das Gesetz alle Menschen, dass sie nicht gerecht, also Sünder sind (usus elenchthicus). Dies muss zur verzweifelten Suche nach einer Rettung führen und treibt so zum Evangelium hin. Denn in der Botschaft von Tod und Auferstehung Jesu Christi für die Sünder ergeht das unverdiente Gnadenwort Gottes an uns, in dem Gott uns freispricht, obwohl wir vor ihm als dem Gesetzgeber nicht bestehen können. Das Vertrauen in dieses Wort der Verheißung bedeutet Heilsgewissheit; zwar sollen wir als Erlöste Christus nachfolgen und so ihm auch in seiner Liebe als Erfüllung des Gesetzes ähnlich werden, doch ist dies Folge und nicht Bedingung des Heils (kein tertius usus legis).
Gegenmächte
Nach dem ersten Johannesbrief treten gegen diesen frohmachenden Christusglauben am Ende der Zeiten antichristliche Mächte auf, die die Menschen dazu bewegen wollen, nicht auf das Evangelium, sondern – so Luther – auf die eigenen Werke zu vertrauen. Gegen sie polemisiert er energisch. Da ist zum einen das Papsttum seit dem Mittelalter, das die guten Werke und die Heilsangst der Gläubigen brauche, um sich selbst und die eigene Machtstellung zu finanzieren. Da ist der Islam als antichristliche Macht, den er in der Rezeption der christlichen antiislamischen Literatur als Gesetzesreligion versteht, die den Glauben wieder gegen Werkgerechtigkeit eingetauscht habe. Immerhin komme nach Luther den Türken die heilsgeschichtliche Funktion zu, die Christen aufzuschrecken und zu strafen.
Zu den antichristlichen Gegenmächten rechnet Luther auch die Juden, die sich weigern, den Christusglauben anzunehmen. Er steht dabei in einem breiten Strom einer Substitutionstheologie im Christentum seit der Antike, die aufgrund des angeblichen Bundesbruches Israels den Alten Bund für erloschen und durch den Neuen Bund (Testament) ersetzt erklärte. Dabei hoffte Luther zunächst, dass durch sein reineres Verstehen des Evangeliums sich viele Juden bekehren würden, so dass er dazu riet, sie gut zu behandeln. Bald schwand aber diese Hoffnung und Luther war von deren unbekehrbarer Verstocktheit so überzeugt, dass er die Fürsten aufrief, die Judengemeinden, die nach den spätmittelalterlichen Vertreibungswellen noch bestanden, nicht mehr zu dulden und ihre Synagogen niederzubrennen. Die Juden, die Christus ablehnten, setzten seiner Überzeugung nach ihren selbstgerechten Gesetzesgehorsam gegen das Evangelium, waren also eine antichristliche Macht, die ein christlicher Fürst nicht schützen solle.