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1.Beginn der Neuzeit: Die Problematik von Abgrenzungen
ОглавлениеEpocheneinteilungen entfalten eine suggestive Kraft: Schlagartig scheint eine neue Zeit heraufgezogen zu sein. So sucht man nach Ereignissen, die diesen Umbruch verdichtet zum Ausdruck bringen. 1453 eroberten die Osmanen Konstantinopel und damit ging das christliche oströmische Reich endgültig zugrunde. 1492 entdeckte Christöforo Colombo (Christoph Kolumbus) (ca. 1451–1506) den amerikanischen Kontinent, 1517 trat Martin Luther (1483–1546) mit seinen Ablassthesen hervor, die bald zu einer konfessionellen Spaltung des westlichen Christentums führten. Zu dieser Zeit hatten die Humanisten, die die Antike neu entdeckten, die Zeit bereits dreigeteilt: das vorbildliche Altertum, das Mittelalter, dessen Sprache und Kultur eher barbarisch gewesen sei, dann die eigene neue Zeit, die die Antike wieder neu entdeckte und an diese anknüpfte. So hatten schon Jahrzehnte vor diesen Daten Gelehrte den Eindruck, in einer neuen Epoche zu leben.
Stichwort
Humanismus
Seit dem 19. Jahrhundert wird die gelehrte Bewegung des 14. bis 16. Jahrhunderts, die sich um die Erneuerung der antiken Sprachen und Wissenschaften bemühte, als Humanismus bezeichnet. Wichtige Gesamtdarstellungen stammten von Georg Voigt (1827–1891) und Jacob Burkhardt (1818–1897). Sie entwarfen das Bild vom Humanisten, der im Rückgang auf die Antike die dunklen Jahrhunderte des Mittelalters überwinden und das antike Menschenbild wiederherstellen wollte. Wie in der antiken Kunst der ideale Körper dargestellt worden sei, so habe der Humanismus insgesamt den Menschen in den Mittelpunkt gestellt (Anthropozentrik) und positiver bewertet. Damit wurde der Humanismus tendenziell als neuheidnische Bewegung gezeichnet, die den Menschen auf Kosten Gottes aufgewertet habe. Die neuere Forschung hat dies relativiert: Die meisten Humanisten verstanden sich als christlich und die Orientierung an den antiken Quellen schloss das Urchristentum und die Kirchenväter meist mit ein. Der Mensch wurde gerade als Ebenbild Gottes in den Mittelpunkt gestellt, wodurch er seine Würde habe. Viel diskutiert wurde, wer als Humanist gelten könne, da eigene humanistische Schriftstellerei ein zu enges, humanistischer Buchbesitz ein zu weites Kriterium ist. So ist man dazu übergegangen, den Humanismus als Netzwerk zu verstehen, vor allem verbunden über das Medium des Briefs. Wer von anderen Humanisten so als solcher anerkannt wurde, konnte nach zeitgenössischem Verständnis auch als ein solcher gelten.
In der universitären Geschichtsschreibung hat sich diese Dreiteilung der Zeit seit dem 18. Jahrhundert durchgesetzt. Die große Differenz zwischen Mittelalter und Neuzeit untermauerten lange Zeit sowohl Protestanten als auch Katholiken. Die ersteren, um zu betonen, dass Protestantismus und moderne Zeit zusammengehören und einen Fortschritt bedeuten, die Katholiken, um sich zum christlichen Mittelalter zu bekennen, von dem die Protestanten abgefallen seien.
Problematik der Epocheneinteilung
Nun hat die neuere Forschung die schroffen Gegensätze aber relativiert und gezeigt, wie viel Neues schon in den Jahrzehnten vorher gedacht und praktiziert wurde und wie viel Mittelalterliches etwa im Denken von Kolumbus oder Luther steckte. Veränderungen gehen eben in kleinen Schritten vor sich und Epocheneinteilungen sind vereinfachende Konstrukte von Historikern. Das gilt auch für eine spätere Zäsur, mit der man in der Regel die „Frühe Neuzeit“ enden und die Moderne beginnen lässt, nämlich die Französische Revolution und ihre Folgen. Nicht nur Frankreich wurde grundlegend umgestaltet, die Eroberungen und Kriege in deren Folge hatten Konsequenzen für die meisten Staaten Europas, aber auch etwa Lateinamerikas. Eine genaue Jahreszahl dieser Zäsur lässt sich auch da nicht einfach festlegen und andere Teile der Welt wurden durch die Revolution zunächst kaum tangiert.