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3.Die frühe reformatorische Bewegung: Dynamik, Medien und Ziele Reformatorische Üffentlichkeit
ОглавлениеDass die Ketzerei eines einzelnen Theologen nicht einfach wieder aus der Welt geschafft werden konnte, lag nicht nur am Interessengegensatz zwischen Kaiser und Fürsten. Luthers Schriften fanden durch den Buchdruck reißenden Absatz und wurden zu regelrechten Bestsellern. Bereits im Januar klagte der päpstliche Nuntius Girolamo Aleander (1480–1542), Deutschland sei in Aufruhr, 90% der Menschen riefen „Luther“ und der Rest „Tod dem Papst“. Dies und der Verkaufserfolg bezeugen, dass die Sorge um das Heil die Menschen bewegte. Hinzu kam die Kritik am Klerus, der den inzwischen gewachsenen Ansprüchen, was Bildung und vorbildliche Lebensführung anging, nicht zu genügen schien. In gewisser Weise hat der Buchdruck Luther nicht nur Popularität verliehen, sondern ihm auch das Leben gerettet.
Reformatorische Hauptschriften
Wichtige Bereiche seiner Theologie hatte Luther in drei programmatischen Flugschriften des Jahres 1520 öffentlichkeitswirksam entfaltet. Ins Zentrum seines Verständnisses von Evangelium führt die Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen. Dieser wird von ihm gesehen als „ein freier Herr“, da er sein Vertrauen auf das Gnadenwort des Evangeliums setzt. Im vertrauenden Glauben geschieht ein wunderbarer, „fröhlicher“ Tausch der Eigenschaften, bei dem der Christ die Gerechtigkeit und Christus seine Sünden erhält. So befreit will der freie Christ gern seinem Herrn Tag für Tag nachfolgen und wie er aller Menschen Knecht werden. Diese zweite, nicht mehr heilsentscheidende Gerechtigkeit soll Tag für Tag wachsen, wird in diesem Leben aber niemals vollkommen sein. Das Evangeliumswort als Sündenvergebung und Heilsverheißung ist auch das Zentrum von Luthers Sakramentsverständnis, das er in der Schrift Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche entfaltet. Sakramente stellen diese Heilszusage sinnlich wahrnehmbar dar, so die Taufe und das Abendmahl. Letzteres wird von den Testamentsworten, in der die sündentilgende Lebenshingabe Jesu zum Ausdruck kommt, gedeutet. Christus ist real präsent, auch wenn Brot und Wein nicht gewandelt werden. Es ist kein Opfer, das wir Gott darbringen und gemäß der Stiftung Christi sind allen Brot und Kelch zu reichen. Luther reduziert die so verstandenen Sakramente auf zwei bzw. drei, wenn man das Bußsakrament mit dazu rechnet, da im Luthertum die Einzelbeichte zunächst fortbestand. Schließlich appellierte Luther 1520 auch an die Fürsten mit der Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation, indem er diesen das Recht, aber auch die Pflicht zu einer Reform der Kirche zusprach. Das päpstliche Kirchenrecht habe versucht, den Papst sakrosankt zu machen, da er nach diesem allein die Schrift auslegen, ein Reformkonzil einberufen oder die Laien dirigieren dürfe. Doch mit der Taufe haben alle eine priesterliche Würde, da sie teilhaben am Priestertum Christi. So haben alle das Recht und die Pflicht, ihm auch in ihrem Lebensbereich nachzufolgen. Gegen die päpstlichen Widerstände haben deshalb die weltlichen Herrscher nunmehr für eine Abkehr von den kirchlichen Missständen zu sorgen.