Читать книгу Kirchengeschichte der frühen Neuzeit - Klaus Unterburger - Страница 19
Römisches Ketzerverfahren
ОглавлениеAlbrecht von Brandenburg sandte Luthers Thesen nicht nur zur Begutachtung an die Universität in Mainz. Sie gingen auch nach Rom, wo sie auf Häresie geprüft wurden. Schon bald wurde der Ketzerprozess gegen Luther eröffnet. Ihm wurde vor allem zum Verhängnis, dass er eine jahrhundertealte päpstliche Praxis in Frage stellte und damit indirekt die Autorität des Papstes. Dies kann man jedenfalls einem parallel erschienenen Traktat des päpstlichen Haustheologen aus dem Dominikanerorden, Silvestro Mazzolini, gen. Prierias (1456–1523), entnehmen. Dennoch musste man in Rom auch auf Luthers Landesherrn, Kurfürst Friedrich den Weisen (1463–1525), Rücksicht nehmen, da man dessen Stimme brauchte, um bei der anstehenden Kaiserwahl die Wahl des spanischen Habsburgers Karl zu verhindern. Ansonsten befürchtete man eine spanische Vorherrschaft in Italien und Europa.
Verhör in Augsburg
So konnte der Kurfürst erreichen, dass Luther auf deutschem Boden durch einen Gesandten des Papstes verhört wurde, was weniger gefährlich für ihn war. Dieses Verhör sollte der Dominikanerkardinal Tommaso de Vio Cajetan (1469–1534) durchführen. Dieser, ein hoch geachteter Theologe, bereitete sich sorgfältig auf das Verhör vor, zu dem er Luther vom 12. bis zum 14. Oktober 1518 empfing und ihn zum Widerruf bewegen wollte. Im Disput mit Luther waren zwei Dinge kontrovers: 1. Luthers Glaubensbegriff, nach dem nicht das Sakrament an sich, sondern der Glauben an das Sakrament (als dem sinnlichen Symbol für das Evangelium) gerecht machte und 2. das Problem, ob die Bestreitung einer Praxis der Päpste (Ablässe zu verkünden) deren Entscheidungsgewalt verachte. Da weder Einigung noch Widerruf möglich waren, entzog sich Luther durch Flucht. Er appellierte gegen die zu erwartende Verurteilung zunächst an den „besser zu informierenden“ Papst, dann an ein allgemeines Konzil.
Leipziger Disputation
Da inzwischen die Kaiserwahl anstand, blieb das Verfahren vorerst in der Schwebe. Luthers Thesen kamen über Umwege in die Hände des Ingolstädter Theologieprofessors Johannes Eck (1486–1543), der diese kritisch kommentierte. Luther versah diese ihm zugeleiteten Kommentare wiederum mit Gegenkommentaren. Nun wurde Eck von Karlstadt, Luthers Fakultätskollegen, zu einer öffentlichen Disputation herausgefordert. Dem konnte und wollte Eck sich nicht entziehen. Nachdem beide Seiten Thesen aufgestellt hatten, disputierte er mit Luther und Karlstadt in der Leipziger Pleißenburg vor Herzog Georg von Sachsen (1471–1539) und einem großen Publikum. Eck wollte dabei den Akzent auf Papstamt und Kirche legen und Luther zum Geständnis bringen, dass er sich ähnlich wie rund 100 Jahre vor ihm Jan Hus (ca. 1370–1415) gegen Papst und Konzil auflehne. Luther hingegen hatte das Ziel, dass Eck zugestehen sollte, dass man sehr wohl Christ sein konnte, ohne an die Papstmonarchie zu glauben. Beweis war ihm die Kirche des Ostens in der Antike mit ihren auch im Westen anerkannten Heiligen. Einen eindeutigen Sieger gab es nicht, aber die Leipziger Disputation forcierte die Frontbildung. Eck fuhr daraufhin nach Rom, um Luthers Verurteilung zu beschleunigen. Da Karl V. inzwischen zum Kaiser gewählt worden war, entfielen die bisherigen Rücksichten.
Exkommunikation und Reichsacht
Am 15. Juni 1520 verurteilte der Papst in der Bulle Exsurge Domine 41 Sätze Luthers und drohte den Ausschluss aus der Kirchengemeinschaft an, wenn Luther nicht widerrufe. Dieser war jedoch überzeugt, dass die Bulle gegen das Evangelium gerichtet sei und ihn deshalb auch nicht von der Kirche als Gnadengemeinschaft mit Christus trennen könne. Am 3. Januar 1521 wurde daraufhin der Bann über Luther verhängt. Freilich hatte sich der junge Kaiser bei seiner Wahl verpflichtet, keinen Exkommunizierten zu ächten, also seinerseits niemand aus der Rechtsgemeinschaft auszuschließen, der nicht vorher Gehör erhalten hatte. Dieses erhielt Luther im April auf dem ersten Reichstag des Kaisers in Worms, wo er am 17. und 18. April 1521 erneut den Widerruf verweigerte, solange er nicht gestützt auf die Hl. Schrift oder durch Vernunftgründe widerlegt werde. Wenig später wurde im Wormser Edikt die Reichsacht verhängt. Doch Friedrich der Weise entzog Luther dem Zugriff seiner Gegner, da er ihn zum Schein überfallen und auf der Wartburg verstecken ließ. Dort übersetzte Luther das Neue Testament.