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Die Zitrusfrüchte

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»Was macht die Verletzung?«, fragte Tangerine. Er saß mit Lemon in Wagen 3, Reihe 10, er am Gang, Lemon am Fenster.

»Warum die 500er wohl nicht mehr fahren. Die blauen Wagen waren so schön«, murmelte Lemon, den Blick nach draußen gerichtet. »Welche Verletzung?«, meinte er dann, als hätte ihn die Frage erst jetzt erreicht, und runzelte die Stirn. Seine Haare standen in alle Richtungen ab. Entweder hatte er komisch gelegen oder sie extra so frisiert. Dem springt mit seinem Schlafzimmerblick und dem missmutig verzogenen Gesicht sein Mir-ist-alles-zu-viel förmlich aus dem Gesicht, dachte Tangerine. Prägt der Charakter das Aussehen?, fragte er sich. Oder das Aussehen den Charakter?

»Die Verletzung in deinem Gesicht natürlich, welche sonst? Die Schnittwunde, die du gestern kassiert hast«, sagte Tangerine.

»Ich? Wobei?«

»Bei der Befreiung von Papas Liebling hier.«

Tangerine wies auf den fünfundzwanzigjährigen, langhaarigen Mann, der zusammengesunken zwischen ihnen saß. Der junge Mann sah von ihm zu Lemon. Dafür, dass er gestern gefesselt und gefoltert vor Angst mit den Zähnen geklappert hat, hat er sich erstaunlich schnell erholt. Innen hohl, dachte Tangerine. Nicht selten bei Leuten, die nie in ihrem Leben ein Buch in der Hand gehabt haben. Die schalten sofort um. Vergessen alles. Empathie kennen sie nicht. Gerade die müssten eigentlich viel mehr lesen, aber wer in dem Alter noch nicht damit angefangen hat, fängt wahrscheinlich nie an. Er sah auf die Uhr. Neun Uhr. Die Befreiung dieses Muttersöhnchens, des einzigen Sohnes von Yoshio Minegishi, war schon neun Stunden her. Minegishi Junior war in einem Keller in Fujisawa-kongocho festgehalten worden. Dort hatten Lemon und er ihn herausgeholt.

»Glaubst du, ich bin so blöd, mir eine Stichwunde verpassen zu lassen?«, sagte Lemon. Mit knapp eins achtzig war er genau so groß wie Tangerine und ebenso schlank, sodass man sie fälschlicherweise oft für Brüder hielt, manchmal sogar für Zwillinge. Bisweilen war von den ›Killerzwillingen‹ die Rede oder den ›Brüdern Tod‹, was Tangerine jedes Mal auf die Palme brachte. Wie konnte man ihn mit so einem impulsiven und leichtsinnigen Typen in einen Topf werfen! Lemon störte das natürlich nicht. Der nahm es mit nichts genau. Tangerine hasste das. ›Mit Tangerine kommt man klar‹, hatte ein Kontaktmann mal gesagt, ›aber Lemon ist eine Zumutung. Ist wie mit dem Obst. Zitronen kann man auch nicht essen, die sind einfach zu sauer.‹ Genau so war es.

»Gut. Und woher kommt dann der rote Strich in deinem Gesicht? Alter! Als der mit dem Messer auf dich losging, hast du geschrien.«

»Ich? Wegen so was? Wenn ich geschrien habe, dann höchstens vor Überraschung. Dass so ein Würstchen es wagt, ein Messer zu zücken. Außerdem stammt der Kratzer nicht von einem Messer. Das ist Ausschlag. Ich bin allergisch.«

»Seit wann sieht Ausschlag wie ’ne Stichwunde aus?«

»Bist du der Schöpfer der Allergien?«

»Häh?«

»Hast du die Allergien in die Welt gebracht? Nein. Bist du Gesundheitsexperte? Willst du mir achtundzwanzig Jahre Allergieerfahrung absprechen? Seit wann kennst du dich mit Allergien aus?«

»Ich will dir gar nichts absprechen. Ich habe die Allergien auch nicht in die Welt gebracht. Nur: Das ist kein Ausschlag.«

Es war immer dasselbe. Lemon wies alles von sich und redete weiter, ob man darauf einging oder nicht.

»Ähm, Entschuldigung«, meldete sich Papas Liebling furchtsam zu Wort. »Ich … äh …«

»Was?«, fragte Tangerine.

»Was?«, fragte Lemon.

»Ähm, wie … wie hießen Sie noch mal?«

Als Tangerine und Lemon gestern den Keller gestürmt hatten, hatte Minegishi Junior gefesselt auf einem Stuhl gesessen. Bewusstlos. Da er auch später, nachdem sie ihn zu sich gebracht und befreit hatten, nicht mehr als ›Ich bitte um Verzeihung. Ich bitte um Verzeihung‹ gestammelt hatte, war eine vernünftige Unterhaltung nicht möglich gewesen.

»Ich bin Dolce, das ist Gabbana«, sagte Tangerine.

»Nein. Ich bin Donald, und das ist Douglas«, schüttelte Lemon den Kopf.

»Donald und Douglas?«, fragte Tangerine, obwohl er ahnte, dass es sich dabei um Freunde von Thomas, der kleinen Lokomotive, handeln musste. Lemon liebte diese alte Serie aus dem Kinderfernsehen. Fast alle seine Vergleiche stammten aus den Abenteuern von Thomas und seinen Freunden. Lemon hing an den Figuren, als hätte er alles von ihnen gelernt.

»Ich hab sie dir doch gezeigt. Donald und Douglas sind die schwarzen Zwillingslokomotiven. Sie drücken sich immer vornehm aus. ›Hoppla, ist das nicht unser guter alter Freund Henry?‹, sagen sie zum Beispiel. Das macht sie so sympathisch. Geht einem da nicht das Herz auf?«

»Nein.«

Lemon fuhrwerkte in seiner Jacketttasche herum und förderte eine notizblockgroße Glanzkarte zutage. »Guck, das ist Donald«, sagte er. Auf der Karte klebten Bilder von Lokomotiven. Eine schwarze war auch dabei.

»Ich hab dir die Namen schon so oft gesagt, und du hast sie dir immer noch nicht gemerkt. Du willst sie dir wohl nicht merken?«

»Was du nicht sagst.«

»Mann! Also, noch mal. Hier, das sind sie, von Thomas bis Oliver. Diesel ist auch dabei. Siehst du? Jetzt merk sie dir!«, sagte Lemon und fing an, die Loks aufzuzählen.

»Schon gut, schon gut«, sagte Tangerine und schob die Karte zurück.

»Äh, wie heißen Sie denn nun?«, fragte Papas Liebling.

»Hemingway and Faulkner«, sagte Tangerine.

»Bill und Ben sind auch Zwillinge. Harry und Bert auch.«

»Wir aber nicht!«

»Hat mein Vater Sie und, ähm, Mister Donald gebeten, mich zu retten?«, fragte Minegishi Junior ernst.

»Gebeten ist gut«, erwiderte Lemon und bohrte gelangweilt in seinem Ohr. »Dein Vater kann sehr bestimmend sein. Und einem Angst machen.«

»Richtig Angst«, pflichtete Tangerine ihm bei.

»Wie ist er denn zu dir? Verwöhnt er dich oder hast du auch Angst vor ihm?«

Minegishi Junior zuckte zusammen, obwohl Lemon ihn nur angetippt hatte.

»Ich … Nein, ich habe keine Angst vor meinem Vater.«

Tangerine lächelte säuerlich. An den eigentümlichen Geruch der Sitze hatte er sich allmählich gewöhnt.

»Kennst du die Geschichten deines Vaters aus seiner Zeit in Tokio? Da gibt’s ’ne ganze Menge. Schöne und weniger schöne. Zum Beispiel die von der Frau, der er den Arm abgehackt hat, weil sie fünf Minuten zu spät kam, um ihre Schulden zu bezahlen. Er hat ihr nicht einen Finger abgeschnitten, nein, er hat ihr gleich den Arm abgehackt. Wegen fünf Minuten, nicht fünf Stunden. Und diesen Arm …« Er hielt inne. Das war vielleicht doch nicht die Art von Geschichte, die man im Zug zum Besten gab.

»Ich weiß«, sagte Minegishi Junior entschuldigend. »Der ist in der Mikrowelle gelandet«, fuhr er fort, als ginge es um ein Kochexperiment seines Vaters.

»Und was ist mit der?« Lemon beugte sich vor und ließ seinen Zeigefinger vorschnellen. »Die Geschichte von dem Mann, dessen Sohn entführt wird, weil er seine Schulden nicht bezahlt, und der sich mit seiner Frau eine Messerstecherei liefern muss?«

»Die kenne ich auch.«

»Die kennst du auch?«, fragte Tangerine entgeistert.

»Dein Vater ist schlau. Macht’s sich einfach. Wenn ihn einer stört, sagt er: ›Umbringen.‹ Wenn ihm was zu viel ist, sagt er: ›Aufhören.‹ Basta«, sagte Lemon. Sein Blick folgte dem Shinkansen auf dem Nebengleis, der sich gerade in Bewegung setzte. »Vor zehn Jahren gab’s in Tokio einen Mann namens Terahara. Der war gut im Geschäft.«

»Ich weiß. Seine Firma hieß ›Frollein‹, stimmt’s?«, sagte Minegishi Junior zusehends lebhafter, was Tangerine überhaupt nicht gefiel. In einem Roman war Übermut ganz unterhaltsam, sonst nicht.

»Vor sechs, sieben Jahren ging ›Frollein‹ bankrott. Terahara und sein Sohn kamen um, die Firma löste sich auf. Dein Vater hat sich vorsichtshalber direkt nach Morioka abgesetzt. Sehr clever«, sagte Lemon.

»Vielen Dank!«

»Wofür? Das war kein Kompliment«, sagte Lemon. Wehmütig blickte er dem weißen Shinkansen nach.

»Ich meine, danke, dass Sie mich gerettet haben. Ich hatte schon gedacht, das war’s. So, wie die mich verschnürt hatten. Das waren doch bestimmt dreißig Leute, oder? Noch dazu in einem Keller. Ich dachte, selbst wenn mein Vater das Lösegeld zahlt, bringen die mich um. Sie schienen ziemliche Wut auf ihn zu haben. Ich dachte wirklich, das war’s jetzt, die machen mich platt«, plapperte Minegishi Junior weiter.

Ich hab’s ja gewusst, verzog Tangerine das Gesicht. »Sehr scharfsinnig«, sagte er. »Erstens: Dein Vater ist ziemlich unbeliebt. Es gibt wahrscheinlich mehr Unsterbliche als Leute, die deinen Vater mögen. Zweitens: Du hast recht. Sobald die Typen das Lösegeld gehabt hätten, hätten sie dich plattgemacht. Du warst tatsächlich kurz davor, das Zeitliche zu segnen.«

Tangerine und Lemon waren von Minegishi Senior beauftragt worden, das Lösegeld zu übergeben und seinen Sohn zu befreien, was sich einfacher anhörte, als es war.

»Dein Vater ist penibel«, seufzte Lemon. »Sohn retten. Lösegeld wieder mitnehmen. Täter umlegen«, zählte er an den Fingern auf. »Als wäre das ein Kinderspiel.«

Die Reihenfolge hatte Minegishi bestimmt. Erst den Sohn. Dann das Lösegeld. Dann die Täter.

»Aber Sie haben es geschafft, Mister Donald. Krass!«, sagte Minegishi Junior. Seine Augen leuchteten.

»Wo ist der Koffer eigentlich?«, fragte Tangerine plötzlich. Der Koffer, ein stabiles Exemplar mit Rollen, für eine Auslandsreise vielleicht zu klein, aber keinesfalls klein, sollte bei Lemon sein. Auf der Gepäckablage oder neben dem Sitz stand er nicht.

»Auf die Frage habe ich gewartet!« Lemon stellte die Füße auf die Fußstütze und machte es sich bequem. »Den habe ich hier«, sagte er fröhlich und klopfte auf seine Jacketttasche.

»Da? Da passt kein Koffer rein.«

Lemon lachte. »Reingefallen. Hier ist nur ein Zettel«, sagte er, zog ein visitenkartenkleines Stück Papier hervor und wedelte damit herum.

»Was ist das?« Minegishi Junior beugte sich vor.

»Ein Los aus dem Supermarkt, in dem wir eben waren. Einmal im Monat gibt’s da ’ne Tombola. Guck, was man gewinnen kann. Erster Preis: ein Reisegutschein. Den kann man einlösen, wann man will. Die waren zu blöd, ein Ablaufdatum anzugeben.«

»Ist der für mich?«

»Nee. Du brauchst keinen Gutschein. Du hast Papa. Der kann dir ’ne Reise spendieren.«

»Vergiss das Los, Lemon. Wo ist der Koffer?«, fragte Tangerine spitz. Ihm schwante Böses.

Lemon reckte stolz das Kinn. »Du kennst dich mit Eisenbahnen ja nicht so aus. Ich erklär’s dir, pass auf. In allen Schnellzügen gibt es am Ende jedes Wagens inzwischen eine sogenannte Großgepäckablage. Für Reisekoffer, Skier und anderes Gepäck.«

Tangerine blieb die Spucke weg. Um nicht die Beherrschung zu verlieren, rammte er Minegishi Junior den Ellbogen in den Arm. Minegishi Junior stöhnte auf. »Was soll das?«, keuchte er. Tangerine ignorierte den Protest. »Lemon«, sagte er mit unterdrückter Stimme. »Haben Mama und Papa dir nicht beigebracht, dass man wichtiges Gepäck immer im Auge behält?«

»Wie redest du mit mir?«, brauste Lemon auf. »Siehst du hier Platz für’n Koffer? Hier sitzen drei Männer. Wo soll da der Koffer hin?«, zeterte er. Auf Minegishi Junior regnete es Speichel. »Hier ist kein Platz für einen Koffer!«

»Du hättest ihn da oben auf die Gepäckablage legen können.«

»Hätte ich nicht. Er war viel zu schwer. Was du natürlich nicht weißt, du hast ihn ja nicht getragen.«

»Ich habe ihn sehr wohl getragen. Er war nicht so schwer.«

»Wenn zwei dubiose Typen wie wir einen Koffer dabeihätten, würde jeder denken, dass da was Wertvolles drin ist. Wir würden sofort auffliegen. Viel zu gefährlich.«

»Wir würden nicht auffliegen.«

»Würden wir doch! Außerdem weißt du ganz genau, dass meine Eltern bei einem Unfall gestorben sind, als ich noch klein war. Die haben mir gar nichts beigebracht. Außer, dass man seinen Koffer nicht direkt neben seinen Platz stellt.«

»Red keinen Quatsch.«

Tangerines Handy vibrierte. Er zog es aus der Hosentasche, warf einen Blick aufs Display und schnitt eine Grimasse. »Dein Papa«, sagte er zu Minegishi Junior, und stand auf, um in den Vorraum zu gehen. Kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, fuhr der Zug los.

Die Abteiltür öffnete automatisch. Im Vorraum drückte Tangerine ›Annehmen‹ und hielt sich das Handy ans Ohr. »Und?«, fragte Yoshio Minegishi ruhig, aber bestimmt. Tangerine stellte sich ans Fenster, betrachtete die vorbeiziehende Landschaft und erwiderte: »Der Zug ist gerade abgefahren.«

»Meinem Sohn geht es gut?«

»Säßen wir sonst im Zug?«

Minegishi fragte, ob sie das Lösegeld wieder mitgenommen hätten und was mit den Entführern passiert sei. Wegen des lauter werdenden Ratterns des Zuges war nur die Hälfte zu verstehen. Tangerine erstattete Bericht.

»Wenn ihr meinen Sohn unversehrt abgeliefert habt, ist euer Job erledigt.«

Du sitzt in deinem Ferienhaus und lässt es dir gutgehen. Machst du dir wirklich Sorgen um deinen Sohn?, hätte Tangerine am liebsten gesagt.

Das Gespräch brach ab. Kaum hatte Tangerine einen Fuß zurück ins Abteil gesetzt, tauchte Lemon vor ihm auf. Tangerine zuckte zusammen. Es war, als hätte er in den Spiegel geschaut. Als stünde er einer schlechten Kopie seiner selbst gegenüber. Einem Mann, der alles nur halb so genau nahm und nur halb so gute Manieren hatte.

»Es gibt ein Problem«, sagte Lemon mit dem ihm eigenen Mangel an Gelassenheit.

»Ein Problem? Was für ein Problem? Ich will mit deinen Problemen nichts zu tun haben. Die gehen mich nichts an.«

»Dieses schon.«

»Wieso? Was ist los?«

»Du hast doch gesagt, dass ich den Koffer in die Ablage über unserem Sitz legen soll.«

»Ja und?«

»Deswegen bin ich zur Gepäckablage. Der am Ende des Wagens.«

»Gut gemacht. Und?«

»Der Koffer ist weg.«

Tangerine folgte Lemon durchs Abteil. Die Ablage befand sich neben den Toiletten und der Waschnische. Im oberen der beiden Fächer stand ein großer Koffer. Allerdings nicht der mit Minegishis Lösegeld. Neben den Gepäckfächern gab es eine Nische; die Wagen hatten dort früher einen öffentlichen Fernsprecher installiert.

»Wo hast du ihn hingestellt? Hier?«, fragte Tangerine und zeigte auf das leere Fach unter dem großen Koffer.

»Ja.«

»Wo ist er jetzt?«

»Aufm Klo?«

»Der Koffer?«

»Ja.«

Tangerine bezweifelte, dass Lemon das ernst gemeint hatte, ging aber trotzdem ins Pissoir, um nachzusehen. Dann stieß er die Tür der Toilettenkabine auf und brüllte: »Wo bist du, Koffer? Zeig dich!«

Dass jemand den Koffer versehentlich mitgenommen haben könnte, war unwahrscheinlich. Tangerines Herzschlag beschleunigte sich. Beunruhigt stellte er fest, dass er beunruhigt war.

»Welches Wort mit vier Buchstaben beschreibt unsere Lage am besten?«, fragte Lemon mit verkniffenem Gesicht.

Im selben Moment erschien die Frau mit dem Trolley. Lemon trat zur Seite, damit sie nicht etwa aus Rücksicht stehen blieb und etwas von ihrem Gespräch mitbekam. Als sie vorbei war, sagte Tangerine: »Vier Buchstaben? … Fuck.«

»Shit!«

Tangerine schlug vor, fürs Erste zurück zum Platz zu gehen, um in Ruhe nachzudenken. »Hey! Hörst du mir nicht zu? Was für Wörter mit vier Buchstaben gibt’s noch?«, hörte er Lemon hinter sich in einem Ton, als hätte er den Ernst der Lage noch immer nicht begriffen. Tangerine stellte sich taub. Das Abteil war ziemlich leer. Tangerine wusste nicht, wie die Züge sonst ausgelastet waren, aber vierzig Prozent kamen ihm, selbst für diese Zeit an einem Werktag, recht wenig vor.

Da die Sitze gegen die Fahrtrichtung standen, hatte er einen guten Blick auf die Fahrgäste. Leute mit verschränkten Armen, Leute mit geschlossenen Augen, Leute, die Zeitung lasen, und Büroangestellte. Um sicherzugehen, dass nicht irgendwo ein schwarzer Koffer stand, schaute er hinter jeden Sitz und auf jede Ablage.

Auf mittlerer Höhe des Wagens saß Papas Liebling. Den Mund geöffnet, die Augen zu, ans Fenster gelehnt. Kein Wunder! Der Arme hat seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen! Hätte man meinen können.

Tangerine meinte das nicht. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Das hat gerade noch gefehlt, dachte er, riss sich aber sofort wieder zusammen. Setzte sich auf seinen Platz und legte Minegishi Junior zwei Finger an den Hals.

»Der hat vielleicht Nerven! Hier brennt die Hütte, und der pennt«, sagte Lemon und blieb stehen.

»Hier brennt mehr als die Hütte, Lemon«, sagte Tangerine.

»Wieso?«

»Papas Liebling ist tot.«

»Nicht dein Ernst!«, sagte Lemon und, nach einer kurzen Pause: »Holy Shit.«

Er sah auf seine Finger. »Acht Buchstaben«, murmelte er.

Bullet Train

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