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Kimura

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Kimura versuchte sich zu befreien, aber die Klettbandfesseln an seinen Händen und Füßen gaben keinen Millimeter nach.

›Man muss nur den Trick kennen, Yuichi‹, erinnerte er sich plötzlich an eine Szene aus seiner Kindheit. Der junge Mann hatte im Wohnzimmer seiner Eltern auf einem Stuhl gesessen, Hände und Füße gefesselt. Daran hatte er ewig nicht mehr gedacht. ›Dann zeig mal, was du kannst, Shigeru‹, hatte Kimura Senior gelacht. Kimura und seine Mutter hatten sich ebenfalls vor Lachen die Bäuche gehalten. Kimura war damals gerade eingeschult worden. Shigeru war ein ehemaliger Arbeitskollege seines Vaters gewesen, der sie hin und wieder besucht hatte. Der anständig aussehende, athletische junge Mann hatte seinen Vater wie einen Lehrer verehrt und war auch zu ihm, dem kleinen Kimura, immer nett gewesen.

›Auf der Arbeit hatte ich vor deinem Vater richtig Angst. Er wurde von allen nur ‚der Falke‘ genannt‹, sagte er. Weil auch Kimuras Vater Shigeru hieß, hatte sich eine Art Freundschaft zwischen den beiden Männern entwickelt. ›Die Arbeit macht mich fertig. Ich glaube, ich muss den Job wechseln‹, hatte der junge Shigeru immer gejammert, wenn er betrunken war. Daraus hatte Kimura geschlossen, dass man es im Leben in jedem Alter schwer hat. Wann der Kontakt zwischen den beiden Shigerus wohl eingeschlafen war?

Im Fernsehen war eine Entfesselungsshow gelaufen, erinnerte er sich. ›Das kann ich auch‹, hatte Shigeru behauptet. Als Kimura das nächste Mal den Blick vom Bildschirm nahm, hatte er ihm den Trick gezeigt.

Wenn ich mich bloß erinnern könnte, wie er das gemacht hat. Kimura stocherte verzweifelt in seinem Gedächtnis, aber es nützte nichts.

»Ich geh aufs Klo. Du wartest hier«, sagte Oji und stand auf. Warum muss ich mir das gefallen lassen? »Soll ich dir vielleicht etwas zu trinken mitbringen? Einen Schnaps vielleicht?«, fragte Oji boshaft und verschwand nach hinten. Nach vorne wäre es kürzer, aber das hatte Kimura ihm nicht sagen wollen.

Daran, dass Oji aus gutem Hause stammte, bestand kein Zweifel. Ein böser Junge aus gutem Hause. Kimura dachte an ihre erste Begegnung vor ein paar Monaten zurück.

Es war kurz vor Mittag, am Himmel ballten sich Gewitterwolken. Kimura war auf dem Heimweg vom Arzt in Kuraicho. Als er morgens von der Arbeit gekommen war, hatte Wataru über Bauchschmerzen geklagt. Deshalb war er mit ihm sofort zum nächstbesten Kinderarzt gegangen. Normalerweise hätte er den Jungen in den Kindergarten gebracht und sich anschließend hingelegt. Weil das an diesem Tag nicht möglich gewesen war, war er hundemüde. Außerdem war es beim Arzt voller als gedacht. Im Wartezimmer konnte er schlecht was trinken. Seine Hände hatten angefangen zu zittern.

Alle Kinder, die im Wartezimmer saßen, schienen ihm gesünder als Wataru. ›Der simuliert doch bloß‹, murrte er angesichts eines Kindes, das unter seiner Maske kaum Luft bekam, ›erst sollte man die behandeln, denen es wirklich schlecht geht‹, und schielte die anderen Eltern an. Dann heftete er den Blick auf den Hintern der hin und her eilenden Schwester. Letztendlich hatte Wataru nichts. Kurz bevor er ins Sprechzimmer gerufen wurde, hatte er sich übergeben müssen. ›Jetzt geht’s mir wieder gut, Papa‹, hatte er geflüstert. Damit der Aufwand nicht umsonst war, ließen sie sich ein Medikament geben und gingen wieder.

»Hast du getrunken, Papa?«, fragte sein Sohn betrübt, als sie wieder draußen waren.

Kimura hatte im Wartezimmer vor Erleichterung, dass es seinem Sohn wieder gut ging, an seinem Flachmann genippt. Das hatte Wataru gesehen. Ein Schluck macht nichts, hatte er sich gesagt, wenn Wataru weiter Bauchschmerzen hätte, würde ich vor Sorge noch mehr trinken, den Flachmann aus der Tasche gezogen, den Deckel abgeschraubt, sich zur Wand gedreht und getrunken. Der Flachmann, den er immer dabeihatte, damit er auch auf der Arbeit zwischendurch einen Schluck trinken konnte, enthielt billigen Branntwein. Leute mit Heuschnupfen benutzen Nasenspray, damit sie in Ruhe arbeiten können. Ich trinke, damit ich in Ruhe arbeiten kann. Schließlich kann ich nicht riskieren, dass mir auf einem meiner Kontrollgänge die Taschenlampe aus der Hand fällt. Ich muss mich konzentrieren können. Deshalb trinke ich. Prophylaktisch sozusagen, rechtfertigte er sich.

»Hör mal, Brandy ist eine Spirituose. Die hat man schon in Mesopotamien gebraut.«

Das konnte Wataru natürlich nicht verstehen. Schon wieder eine von Papas Ausreden, dachte er wahrscheinlich, aber das Wort Mesopotamien schien ihm zu gefallen.

»Auf Französisch sagt man Eau de vie. Weißt du, was das heißt? Lebenswasser. Wasser des Lebens«, sagte er zu Wataru und sich selbst. Genau. Der Brandy aus seinem Flachmann hielt ihn am Leben.

»Der Doktor hat sich aber gewundert, dass du eine Fahne hast.«

»Der hatte doch eine Maske auf.«

»Man riecht es durch die Maske.«

»Das macht nichts, wenn man’s riecht. Ist doch Lebenswasser. Der Onkel Doktor versteht das schon«, sagte Kimura.

In der Einkaufsstraße sagte Wataru, dass er mal müsse. Sie hasteten in ein Kaufhaus, in dem es vor jungen Leuten nur so wimmelte, und suchten eine Toilette. Fluchend, dass es im Erdgeschoss keine gab, fuhren sie mit der Rolltreppe in den ersten Stock, wo sie ganz am Ende der Abteilung endlich fündig wurden.

»Das schaffst du alleine, oder? Ich warte hier«, sagte Kimura, gab seinem Sohn einen Klaps auf den Hintern und setzte sich auf eine Bank im Gang. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf das freizügige Dekolleté der vollbusigen Verkäuferin in der Boutique gegenüber.

»Ja, das schaffe ich allein«, sagte Wataru stolz und verschwand.

Einen Moment später war er wieder da. Erst jetzt bemerkte Kimura, dass er den Flachmann umklammerte. Wann hast du den rausgeholt, fragte er sich. Immerhin, stellte er fest, getrunken hast du noch nicht. Der Flachmann ist noch zu.

»Das ging aber schnell. Konntest du nicht?«

»Doch. Aber es war voll.«

»Was war voll?«

»Das Klo. Da waren lauter Jungs.«

»Wo?« Kimura stand auf und ging zur Toilette. »Ich hab Angst, lass uns gehen.« Wataru griff nach seiner Hand. Kimura schüttelte ihn ab. Denen jage ich einen kleinen Schreck ein, dachte er, das können doch bloß ein paar Jungs sein, die da rauchen, quatschen oder irgendwelchen Unsinn machen. Er war so übermüdet und gereizt, dass er dringend ein bisschen Dampf ablassen musste. »Du wartest hier«, sagte er zu Wataru und ging in die Herrentoilette. An zwei Wänden des großen Raums reihten sich Pissoirs, an der dritten vier Toilettenkabinen. Neben den Kabinen standen fünf milchbärtige Jungs in Schuluniform. Argwöhnisch sahen sie bei seinem Eintreten auf, wandten sich aber gleich wieder ab und setzten ihr Gespräch fort. Kimura ging an ihnen vorbei, stellte sich an eins der Pissoirs und urinierte. Er spitzte die Ohren. Vielleicht sollte ich die ein bisschen aufmischen, dachte er. Von ihm aus durfte es gerne mal ein bisschen rauer werden, auch wenn er schon lange aus dem Geschäft war.

»Und was solln wir jetzt machen?«, fragte einer der Jungen hinter ihm wütend.

»Einer muss es dem Prinzen erklären.«

»Einer ist gut. Du bist doch mittendrin abgehauen.«

»Ich nicht. Ich wollte, Takuya hat Schiss gekriegt. Hat behauptet, er habe Bauchschmerzen.«

»Ich hatte Bauchschmerzen, Mann.«

»Dann sag das doch. Tut mir leid, Prinz, ich konnte den Auftrag nicht erledigen, ich hatte Bauchschmerzen.«

»Spinnst du? Die Ladung neulich hat mir gereicht. Ein bisschen stärker und du nippelst ab, Mann.«

Das Schweigen, das daraufhin eintrat, verblüffte Kimura.

Er wusste zwar nicht, worum es ging, konnte sich einiges zusammenreimen.

Diese Bande von Schülern hatte einen Anführer. Ob das ein Mitschüler war, ein Schüler aus einer höheren Klasse oder ein Erwachsener, war nicht klar; es gab jedenfalls jemanden, der ihnen Befehle erteilen konnte. Der »Prinz«. Interessanter Spitzname. Diesen Prinzen hatten sie enttäuscht. Hatten seinen Befehl nicht ausgeführt. Nun fürchteten sie seinen Zorn. Irgendeiner musste die Verantwortung übernehmen, die Sache erklären, aber wer? Darüber zerbrachen sie sich hier auf der Toilette den Kopf. Freunde, dachte Kimura entnervt, während er darauf wartete, dass der Urinfluss endlich nachließ, gegen Seine Majestät hat das gemeine Volk keine Chance. Was sie mit »Ladung« meinten, wusste er allerdings nicht. Eine Art Elektroschock? Vor seinem inneren Auge erschien das Bild eines elektrischen Stuhls. Um Gottes willen, die arbeiten doch wohl nicht mit Strom, wenn sie jemanden bestrafen? Das »ein bisschen stärker und du nippelst ab, Mann« gab ihm zu denken. Unter den Teenies von heute waren Wörter wie »abnippeln«, »killen« oder »kaltmachen« gang und gäbe, sie benutzten sie, ohne weiter darüber nachzudenken. Aber in dem »ein bisschen stärker und du nippelst ab« hatte ein Ernst gelegen, als bestünde tatsächlich Lebensgefahr.

Kimura pinkelte zu Ende, zog den Reißverschluss seiner Hose wieder hoch und trat auf die Schüler zu.

»Hey. Habt ihr nichts Besseres zu tun, als hier dumm rumzustehen? Und? Wer geht jetzt zu Seiner Majestät und entschuldigt sich?«, fragte er und machte Anstalten, sich die ungewaschenen Hände an der Uniform des kleinwüchsigen Schülers vor ihm abzuwischen.

Die Jungs veränderten sofort die Formation. Der Kreis öffnete sich zu einer Reihe. Alle trugen die gleiche Uniform, waren deshalb aber nicht ununterscheidbar. Kimura registrierte einen großen Pickeligen und einen kleinen Dicken mit Bürstenschnitt, der nicht besonders clever aussah. Sie versuchten, ihn zu beeindrucken, aber für ihn waren sie nicht mehr als Kinder.

»Das Hin und Her könnt ihr euch sparen, das bringt nichts. Hopp hopp, zum Prinzen, und entschuldigen.« Kimura klatschte in die Hände, die Jungs zuckten zusammen.

»Was geht dich das an, Alter?«

»Hau ab, Opa, aber pronto.«

Kleine Jungs, die große Töne spucken. Kimura hätte fast gelacht. »Ich wette, ihr übt das. So böse zu gucken. Stimmt’s? Hab ich früher auch gemacht. Als ich so alt war wie ihr. Mich vor den Spiegel gestellt, die Stirn gefurcht und geprobt. ›Mach mich nicht an, Alter!‹ Aber soll ich euch was verraten? Bringt gar nichts. Sobald ihr aus der Pubertät seid, lacht ihr darüber. Geht lieber ins Netz und guckt euch ein paar hübsche Mädels an, davon habt ihr mehr.«

»Boah, hat der ’ne Fahne«, sagte Bürste und wedelte mit der Hand. Körperlich ein Mann, von der albernen Gestik her ein Grundschüler.

»Was hattet ihr denn Schönes vor heute? Hm? Vielleicht kann euch der Opa ja behilflich sein. Spuckt’s schon aus. Was solltet ihr tun?«

Die Schüler schwiegen einen Moment.

»Woher weiß der das?«, fragte der, der ganz außen stand, schließlich.

»Woher? Darüber habt ihr euch doch eben unterhalten. Während ich gepinkelt habe. Ich hab jedes Wort gehört«, sagte er und ließ seinen Blick über die fünf Gesichter vor ihm schweifen. »Na los. Schüttet dem guten alten Opa das Herz aus. Ich kann euch vielleicht helfen.«

Die Jungs warfen sich Blicke zu. Sie schienen ernsthaft zu überlegen.

»Vergesst es«, prustete Kimura. »Oder glaubt ihr im Ernst, ich würde einer Bande wie euch helfen? Ihr solltet doch bestenfalls Sexspielzeug klauen oder jemanden aufmischen.«

Das Mienenspiel der Schüler ließ nicht nach, ihre stumme Unterhaltung wurde im Gegenteil noch intensiver. Die hatten wohl tatsächlich ein Problem. Kimura verzog das Gesicht. Er ging zum Waschbecken und wusch sich die Hände. Im Spiegel war zu sehen, wie die Schüler wieder einen Kreis bildeten und missmutig tuschelten.

»Nichts für ungut, Jungs«, sagte Kimura und wischte sich die Hände trocken, diesmal an der Uniform eines anderen Jungen. Niemand beschwerte sich.

»So, Wataru, da bin ich wieder. Hat einen Moment länger gedauert, entschuldige«, sagte Kimura, als er aus der Toilette trat, aber sein Sohn war weg. Kimura sah sich um. Im Gang war Wataru nicht.

Mit großen Schritten ging Kimura zu der vollbusigen Verkäuferin hinüber. »Hey«, rief er. Die Frau mit dem hochgesteckten bräunlichen Haar und den großen Augen sah ihn missbilligend an. Ob das an seiner Fahne lag oder an der unhöflichen Art und Weise, wie er sie angesprochen hatte, war nicht zu sagen.

»Hast du einen Jungen ungefähr dieser Größe gesehen?«, fragte er und hielt die Hand hüfthoch.

Die Frau sah ihn misstrauisch an, gab aber Auskunft. »Der ist da hinten raus«, sagte sie und zeigte zum Hinterausgang des Geschäfts.

»Dahinten? Wieso?«

»Das weiß ich nicht. Aber er war nicht allein. Ein anderer Junge war bei ihm.«

»Was soll das heißen? Ein anderer Junge?«, fragte Kimura rau. »Ein Kumpel oder was?«

»Sein großer Bruder, glaube ich. So ein fescher, junger Kerl. Vierzehn, fünfzehn Jahre alt vielleicht.«

»Wer soll das sein?«

»Woher soll ich das wissen?«

Ohne sich zu bedanken, stürmte Kimura davon. Wo steckst du, Wataru? Wo zum Teufel steckst du? ›Und du willst mir erzählen, dass du auf ein Kind aufpassen kannst? Dass ich nicht lache!‹, tauchte seine Ex-Frau vor ihm auf, das Gesicht voller Verachtung. Ihm brach der kalte Schweiß aus. Sein Herz raste.

Als er seinen Sohn endlich entdeckte, wurden ihm vor Erleichterung fast die Knie weich. Er stand an der Rolltreppe nach unten an der Hand eines Jungen in Schuluniform.

»Wataru«, brüllte er, rannte hin und riss Wataru los.

»Sind Sie der Vater?«, fragte der Schüler, ohne auch nur eine Miene zu verziehen.

Er war etwa eins fünfundsechzig groß, dünn und hatte längeres, feines schwarzes Haar. Seine großen, mandelförmigen Augen waren so auffällig wie im Dunkeln leuchtende Katzenaugen. Wie eine Frau, dachte Kimura. Seit wann lässt du dich von einer Frau ins Bockshorn jagen, grinste er bitter.

»Was soll das?«, fragte er und riss an Watarus Hand. Die Frage hatte dem Schüler gegolten, aber offenbar fühlte sein Sohn sich angesprochen und erwiderte furchtsam: »Er hat gesagt, du wärst hier.«

»Wie oft habe ich dir gesagt, dass man nicht mit Fremden geht?«, sagte er barsch, wohl wissend, dass nicht er, sondern seine Eltern, also Oma und Opa das immer sagten. »Wer bist du?«, fragte er den Schüler mit den ebenmäßigen Gesichtszügen streng.

»Ich gehe in die Mittelstufe der Kanoyama-Schule«, antwortete der Junge so ungerührt, als wollte er sagen, er sei nur den Anweisungen des Lehrers gefolgt. »Meine Freunde sind in der Toilette da. Ich dachte, so ein kleines Kind fürchtet sich vielleicht. Deshalb habe ich ihn an die Hand genommen und weggeführt. Weil er nicht wusste, wo Sie sind, wollte ich mit ihm zur Information.«

»Erzähl keinen Mist. Wataru wusste genau, wo ich bin. Ich war auf der Toilette da.«

Wataru hatte den Kopf eingezogen und nickte. Er dachte offenbar, sein Vater schimpfte mit ihm.

»Komisch. Mir hat er das nicht gesagt«, sagte der Schüler. »Vielleicht hat er sich nicht getraut. Ich war womöglich ein bisschen streng.«

Der Junge missfiel Kimura. Am meisten wurmte ihn – mehr noch als die Tatsache, dass er Wataru mitgenommen hatte –, dass der Kerl nicht das kleinste bisschen zurückschreckte. Er war irgendwie unangenehm, nicht frech oder gemein, sondern auf merkwürdige Weise verschlagen.

»Die Jungs im Klo schienen auf jemanden zu warten«, sagte er, bevor er sich mit Wataru entfernte. »Einen gewissen Prinz.«

»Das bin ich«, erwiderte der Junge heiter. »Ich heiße Oji mit Nachnamen, Prinz. Satoshi Oji. Komischer Name, finden Sie nicht auch? Aber machen Sie sich keine Sorgen, wir rauchen nicht auf dem Klo. Wir treffen uns da nur«, verabschiedete er sich unbefangen und ging zu den Toiletten.

»Was hattest du damals im Kaufhaus eigentlich mit Wataru vor?«, fragte Kimura, als Oji zurückkam.

»Nichts«, erwiderte Oji leichthin. »Ich habe die anderen abgehört. Ich wollte wissen, was auf der Toilette über mich geredet wird.«

»Abgehört? Hattest du ’ne Wanze aufm Klo installiert, oder was?«

»Nein. Einem der anderen unauffällig in die Tasche gesteckt.«

»Du wolltest … spionieren?« Das Wort klang so albern, dass es ihm selbst peinlich war. »Hattest wohl Angst, dass die anderen über dich lästern.«

»Nein. Ob sie über mich lästern, ist mir egal. Aber es ist interessant zu sehen, wie Leute sich verhalten, wenn sie denken, dass sie ausspioniert werden. Das gegenseitige Vertrauen schwindet. Und das wiederum spielt mir in die Karten.«

»Und was hat das jetzt mit Wataru zu tun?«

»Nichts. Ich habe von draußen nur das Gespräch mitgehört. Anschließend wollte ich durchblicken lassen, dass ich weiß, über was sie gesprochen haben und Argwohn säen. Das habe ich ja letztendlich auch geschafft, aber wie dem auch sei, dein Sohn hat mich vor der Toilette gesehen, und weil er so geguckt hat, dachte ich, ich spiele ein bisschen mit ihm.«

»Der Junge ist sechs. Er hat nur geguckt, er hat sich nichts dabei gedacht.«

»Schon. Trotzdem. Ich wollte mal sehen, wie die Wirkung bei einem kleinen Kind ist.«

»Welche Wirkung?«

»Die von Strom. Ich wollte wissen, wie so ein kleiner Körper auf einen Stromstoß reagiert«, sagte Oji und deutete auf das Gerät in seinem Rucksack. »Aber daraus ist ja nichts geworden.«

Bullet Train

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