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Teil 1 - Der Tag X
ОглавлениеDa die 22-jährige Suji Kim sowieso nicht schlafen konnte, joggte sie mitten in der Nacht durch die Münchner Innenstadt. An einer großen Kreuzung hielt sie an, beugte sich vor und atmete tief durch. Sehr fit war sie leider nicht. Die junge Frau brauchte eine kurze Pause und warf einen Blick auf ihr Handy. Ihre Mutter hatte ihr geschrieben und gefragt, wo sie war. Ungewöhnlich, dass sie bei ihrem Alkoholismus ihr Verschwinden überhaupt bemerkt hatte. Suji wollte antworten, aber ihre Messenger-App schien keine Verbindung zum Server zu haben. Nicht nur das. Scheinbar war das ganze Netz weg.
Verwirrt runzelte sie die Stirn und sah sich um. Suji war nur 1.60m groß. Ihre langen schwarzen Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Der dicke Pullover schaffte es auch nicht, Sujis recht großen Busen zu verstecken. Ihre Mutter war unheimlich prüde und bestand auf »unauffällige« Kleidung, die ihre weibliche Figur verdeckte. War bei ihr aber echt nicht einfach …
Dann fielen plötzlich die Straßenlaternen aus. Mit einem Mal war es stockdunkel und nur noch Lichtreflexionen der Scheinwerfer in der Nähe befindlicher Autos spendeten etwas Licht.
»Was ist denn hier los?«, murmelte sie vor sich hin und bekam ein ungutes Gefühl. Um sie herum, aus den teilweise offenen Fenstern der hohen Mietshäuser, hörte sie Menschen, die überraschte Laute von sich gaben oder nach jemanden riefen.
Suji nahm eine Sprachnachricht auf. »Mama, falls du das noch hören kannst …«, sagte sie in ihr Handy, als sie von einem lauten Rumpeln unterbrochen wurde. Ein Erdbeben? Hier?
Laut donnerte der Boden unter ihr und alles begann zu wackeln. Die junge Asiatin ließ ihr Handy fallen, wodurch es auf dem Bürgersteig hart aufschlug. Die Abdeckung auf der Rückseite ging auf und der Akku fiel heraus.
Jetzt begannen die Menschen, zu schreien. Das Beben wurde stärker. Bei vielen Autos schalteten sich die Alarmanlagen an und dazu hörte Suji in der Ferne Sirenen von der Polizei oder der Feuerwehr. Wie war denn das möglich? München war doch absolut kein Erdbebengebiet!
Suji fiel auf die Knie und stützte sich mit den Händen auf den Steinplatten unter ihr ab. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Straße, dessen Asphalt sich wellenartig hoch und runter beugte wie eine Hängebrücke während eines Sturms. Hinter sich hörte sie ein Auto das, mit quietschenden Reifen, bremste. Die Studentin drehte sich panisch um und sah einen SUV, der von einer der Wellen meterhoch nach oben geschleudert wurde, sich überschlug und gegen das erste Stockwerk eines Wohnhauses krachte. Staub wurde aufgewirbelt und Trümmerteile fielen von dem Gebäude nach unten auf die Straße. Während des Erdbebens begannen nun auch, die um Suji herumstehenden Wohnhäuser bedrohlich zu baumeln, wie Bäume im Wind. Man hörte Fensterscheiben zersplittern. Mit Todesangst in der Brust sah sie nach oben und blickte auf unzähligen Dachpfannen, Scherben und Trümmerteile, die wie ballistische Geschosse auf die junge Frau hinunter regneten. Die Studentin schrie laut auf vor Schreck, legte sich flach auf den Boden und rollte sich zur Seite. Unter ein Auto.
Hoffentlich ging es ihrer Mutter gut! Sie waren doch nur höchstens einen oder zwei Kilometer voneinander entfernt! Verdammt …
Laut krachten die Trümmerteile auf die Straße. Es wurde immer schlimmer. Suji verdeckte ihr Gesicht mit den Händen und konnte anhand der Geräuschkulisse einigermaßen ausmachen, was um sie herum passierte. Sie hörte Explosionen, Autos, Zerstörung, Sirenen, Schreie und das ständige Brummen aus der Erde. Es wurde so viel Staub aufgewirbelt, dass sie die Augen, selbst wenn sie wollte, nicht mehr öffnen konnte. Verzweifelt rang sie nach Luft und musste husten. Bei dem Rauch und dem Staub gab es kaum noch Sauerstoff zum Atmen. Mit zugekniffenen Augen tastete sie blind nach der FFP2-Maske in ihrer Hosentasche und zog sich diese schnell über. Damit bekam sie etwas besser Luft.
Ein lautes metallisches Knirschen ließ jedoch nichts Gutes erhoffen. Irgendwo musste ganz nah bei ihr eines der Gebäude gerade einstürzen. Suji bekam Tränen in den Augen und dachte darüber nach, ob das jetzt ihr Tod war. War es das nun? Zerquetscht unter einem Auto während eines apokalyptischen Erdbebens?
Doch es war noch nicht das Ende. Das Erdbeben hörte auf. Dafür setzte ein unheimlich lauter Sturm ein. Die junge Frau wartete ein paar Minuten unter dem Auto und kroch dann langsam hervor. Der Wind war so stark, dass sie die Augen nur einen Spalt weit öffnen konnte. Überall um sie herum lagen Trümmer. Die großen, vierstöckigen Reihenhäuser sahen aus, wie nach einem Bombenangriff. Jedes Dritte war völlig eingestürzt. Panisch liefen die Menschen auf die Straße und riefen nach Hilfe oder suchten in den Trümmern nach Angehörigen. Fast jeder hatte eine Handytaschenlampe in der Hand, dessen Lichter in dieser Erdbebennacht oft das Einzige waren, das man von den Flüchtenden sehen konnte.
Aber der Sturm, der nun das Beben als große Gefahr ablöste, war so stark, dass er viele der Trümmer in die Lüfte erhob und als gefährliche Projektile durch die Luft fliegen ließ. Suji hielt sich die Arme schützend vor das Gesicht und blickte nur durch einen kleinen Spalt hindurch. Ihr kaputtes Handy konnte sie sowieso nicht mehr finden.
Mama, war das Einzige, was sie dachte. Sie wollte zu ihr, sehen, ob es ihr gut ging. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen den Wind an und ging ein paar Schritte die Straße hinunter. Asche flog um die 22-Jährige herum. Das große Wohnhaus links von ihr hatte Feuer gefangen. Der Studentin wurde langsam bewusst, dass das hier ein Ereignis war, das alles veränderte. Das hier war schlimmer als der Klimawandel und die Pandemie. Was war nur passiert? War das eine Naturkatastrophe oder eine neue, noch unbekannte Massenvernichtungswaffe? War das nur in München passiert oder auch woanders?
Suji kam zum Stehen, als sie vor sich einen Abgrund sah, an dem es nicht weiterging. Langsam wurde der Wind etwas schwächer, so dass sie die Augen wieder ganz öffnen konnte. Links und rechts von ihr versammelten sich noch weitere Menschen. Dutzende. Sie alle leuchteten mit ihren Taschenlampen in den Abgrund, der die Straße an dieser Stelle nun trennte. Die Augen der jungen Frau konnten nicht erfassen, was sie dort sah. Sie stand direkt vor einem Krater, der so tief war, dass man den Boden nicht sehen konnte. Er zog sich von links nach rechts, soweit das Auge reichte, als würde er die gesamte Stadt in zwei Hälften trennen. Auch die andere Seite war nicht zu sehen. Es war einfach nur alles pechschwarz und Suji wurde klar, dass ihre Zukunftsängste nun eine völlig neue Dimension erreicht hatten.
»Hallo«, hörte sie eine Stimme flüstern. Wie konnte sie bei dem lauten Sturm, den einstürzenden Gebäuden und den lauten Sirenen eine flüsternde Stimme wahrnehmen? Verwundert sah sie sich um. Suji hatte irgendwie das Gefühl, als würde dieses Flüstern aus dem Abgrund kommen. Die junge Studentin atmete tief durch und schüttelte dann den Kopf. Dafür hatte sie jetzt keine Zeit. Schnell bahnte sie sich einen Weg durch die Menschenmassen, die sich vor dem Krater versammelten, und lief zurück. Ein Streifenwagen hielt direkt vor ihr. Das Blaulicht erhellte die Straße. Die Autotür öffnete sich und eine Polizistin mit einem Megafon in der Hand stieg aus.
»Bitte halten Sie sich zu ihrer eigenen Sicherheit von dem Krater fern!«, sagte sie. Widerwillig löste sich die Menschenmenge auf. In letzter Minute wurden noch hunderte Fotos und Videos gemacht. Fuck. Wie sollte Suji sich jemals ein neues Smartphone leisten können?
Die junge Asiatin musste mehrere Umwege zurück zu ihrem Zuhause laufen. Der Krater trennte die Stadt tatsächlich in zwei Teile. Die Zerstörung, die das Erdbeben angerichtet hatte, sah aus, wie in den Dokumentationen über den Zweiten Weltkrieg. Es war das reinste Chaos. Suji rannte an einem Krankenwagen vorbei, wo gerade ein blutüberströmter, vor Schmerzen schreiender Mann auf einer Liege hineingetragen wurde. Nur wenige Meter weiter versuchten einige Feuerwehrmänner einen Brand in einem großen Wohnhaus zu löschen. Ihr Löschwagen hatte einige Autos, die im Halteverbot standen, einfach zur Seite geschoben. Oben auf einer ausgefahrenen Plattform stand ein Feuerwehrmann mit einem Schlauch, der die Flammen mit einem Wasserstrahl bekämpfte.
»Wie heißt du?«, hörte Suji schon wieder die flüsternde Stimme. Wurde sie jetzt verrückt? Hatte sie zu viel Rauch eingeatmet? Die Studentin ignorierte das und lief weiter, bis sie endlich Zuhause ankam.
Als sie in dem sozialen Wohnungsbau die Treppe zu ihrer Wohnung hoch rannte, war es endlich etwas stiller. Durch die Fenster des dunklen Treppenhauses leuchtete immer wieder Blaulicht. Der Lärm von dem Chaos draußen war kaum noch zu ertragen. Schnell holte sie ihren Schlüssel aus der Hosentasche und wollte damit die Wohnungstür öffnen, da machte ihre Mutter bereits auf und fiel ihr in die Arme. In der Hand hielt sie eine Taschenlampe. Sie roch immer noch nach dem billigen Wein aus dem Tetrapack.
»Suji …«
»Mama!!«, weinte sie und drückte ihre Mutter, die genau so klein war wie sie, an sich.
»Wo warst du denn?«
»Ich konnte nicht schlafen und wollte nur etwas an die frische Luft …« Da holte ihre Mama bereits aus und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Suji drehte den Kopf zur Seite und atmete tief durch. Atmen, sagte sie zu sich selbst. Atmen und dann geht der Schmerz vorbei. Verdammt sie war 22!
»Komm schnell rein!«, befahl ihre Mama und Suji folgte. Kaum hatten sie die Wohnungstür hinter sich geschlossen, ging der Strom wieder an. Die Lampen im Flur und in Mamas Schlafzimmer, das für sie gleichzeitig das Wohnzimmer war, erhellten die Wohnung.
»Mach schnell den Fernseher an!«, sagte ihre Mutter und lief in die Küche vor. Suji nahm die Fernbedienung vom Küchentisch und schaltete die Nachrichten ein. Die meisten Sender zeigten nur ein weißes Rauschen – nicht einmal ein Testbild. Es dauerte einige Zeit, bis sie ein Bild eines Fernsehsenders aus Österreich sehen konnten.
»… kam es vor wenigen Minuten in Deutschland zu einem schrecklichen Erdbeben«, sagte eine Nachrichtensprecherin mit starkem Dialekt. Die Frau in dem unheimlich schicken Hosenanzug und den langen blonden Haaren saß in einem Nachrichtenstudio vor einem Panorama-Bild, das wohl ihre Stadt, München, zeigte. Oder das, was davon übrig war. Viele Gebäude standen in Flammen und man konnte deutlich den schwarzen Krater erkennen, der Straßen und ganze Wohnblocks zerteilte.
Dann wurde das Bild geändert und eine Karte von Zentral-Europa war nun zu sehen. Mehrere ineinander verschachtelte Kreise zeigten wohl das Ausmaß des Erdbebens an. »Oh mein Gott …«, flüsterte Suji entsetzt, als sie sah, dass der äußerste Kreis genau durch München ging und oben kurz vor Hamburg endete.
»Zu großen Teilen der Bundesrepublik Deutschland ist jeglicher Kontakt abgebrochen. Der schwere Sturm, der dem Erdbeben folgte, macht eine Luftaufklärung sehr schwierig. Der Bundeskanzler von Österreich hat bereits großangelegte Hilfsoperationen veranlasst und auch Rettungskräfte anderer Nachbarländer, wie Polen, Frankreich, Dänemark und Tschechien, machen sich bereit, in die von Zerstörung betroffenen Außenbezirke des Erdbebens zu fahren und den Menschen zu helfen.«
»Verstehe ich das richtig, Annette?«, fragte eine männliche Stimme aus dem Off. Wahrscheinlich ein anderer Nachrichtensprecher, irgendwo, der die Moderatorin beim Namen kannte. »Wir haben keinen Kontakt zu Berlin? Was ist mit unseren Außenkorrespondenten dort?«
Das Bild zeigte wieder die Moderatorin im Nachrichtenstudio, die sich die Hand an ihr Ohr hielt. Dort bekam sie über einen kleinen Hörer wohl gerade neue Informationen. »Nein. Es besteht überhaupt kein Kontakt«, erklärte sie. »Wir haben es auf allen Kanälen versucht. Selbst über Funk oder Satellitentelefon haben wir keinen Kontakt zu Berlin herstellen können. Es besteht aktuell nur Kontakt zu Hamburg, Saarbrücken und einem kleinen Teil von München. Augenzeugen berichten von einem riesigen Krater, der ganze Landstriche durchtrennt.«
»Nein!!«, rief Suji energisch und nahm ihrer Mutter das Weinglas aus der Hand, während die Moderatoren weiterredeten. Mama wollte sich wehren, verlor dabei aber das Gleichgewicht und fiel vom Küchenstuhl. »Damit ist jetzt Schluss!«
»Hörst du wohl auf …«, wollte Sujis Mutter sagen, da holte die 22-Jährige selbst mit der Hand aus und verpasste ihr eine Ohrfeige. Verdutzt blieb die alte Frau mit den kurzen schwarzen Haaren auf den Knien und sah zur Seite. Ihre Miene versteinerte sich.
»Soll das so weitergehen?«, fragte die junge Asiatin mit Tränen in den Augen. Ihre Mutter reagierte nicht und starrte nur auf die Wand. Suji zog sich unterdessen den viel zu warmen Pullover aus und hing ihn über einen Küchenstuhl. Das Girlie-Shirt, das sie darunter trug, betonte ihre Brüste zwar, war bei dem vielen Schweiß aber viel angenehmer. »Ich mach dir jetzt einen Kaffee!«, stellte Suji klar und half ihrer Mama, sich wieder richtig hinzusetzen.
Müde und mit zitternden Händen trank die alte Frau den schwarzen Instant-Kaffee aus dem Discounter und sah weiter die Nachrichten. Inzwischen hatte sich der Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Er war in Hamburg, die einzige deutsche Großstadt, die einigermaßen unversehrt geblieben war. Von München lagen fast dreiviertel hinter dem riesigen Krater und waren damit unerreichbar. Suji versuchte vom Handy ihrer Mama aus, Kontakt mit ihren Freunden aus der Uni aufzunehmen. Vor allem um ihren besten Freund Antonio machte sie sich Sorgen. Doch sie erreichte niemanden. Dazu brach das Handynetz immer wieder zusammen.
»Sie sind alle weg …«, murmelte Suji vor sich hin. »Wie groß ist dieser Krater?« Ihre Mutter reagierte gar nicht mehr auf das, was sie sagte. Ihr Blick wirkte leer und tot. Sie hatte bereits all ihre Lebenskraft verloren. Wie sollte sie da so eine Krise überstehen? Sie gab vor, Suji immer noch zu einer anständigen Frau zu erziehen, dabei war sie längst völlig abhängig von ihrer Tochter, die inzwischen wirklich alles für sie regelte.
»Verehrte Zuschauer«, unterbrach die Nachrichtensprecherin ihre Gedanken. »Da der Sturm langsam nachlässt, versucht jetzt ein Fernseh-Hubschrauber vom ORF den Krater zu überqueren. Wir stehen in Kontakt mit mehreren Rettungshubschraubern vom Deutschen Roten Kreuz, die uns folgen werden. Die Bilder senden wir Ihnen live.«
Jetzt sah auch endlich Sujis Mutter auf. Der Fernseher zeigte ihre Stadt München aus der Vogelperspektive. Die Propellergeräusche des Hubschraubers waren nur leise zu hören, dafür sah man die Fahrwerke am unteren Rand des Bildschirms. Immer noch war es finstere Nacht. Nur wenige Straßenlaternen funktionierten noch und erhellten die Stadt zusammen mit unzähligen Blaulichtern und einigen Bränden, die immer noch nicht gelöscht werden konnten. Das Lichtermeer wurde dann abrupt von einem Band aus unsäglicher Schwärze durchbrochen. Der Krater. Obwohl der Hubschrauber einen hellen Scheinwerfer hatte, um das Gebiet unter ihm zu erleuchten, sah man den Boden nicht. So tief war er. An den Straßen, die in den Krater hineinführten, waren bereits Straßensperren der Polizei aufgestellt worden.
Dann sah man eine Zeit lang gar nichts. Der Hubschrauber flog über den nicht enden wollenden Abgrund. Suji stand auf und stellte sich direkt vor den kleinen Fernseher, der auf dem Tischchen neben der Mikrowelle stand. Die Studentin verengte die Augen und versuchte, auf dem Bild irgendetwas zu erkennen. Schließlich sahen sie die andere Seite.
»Ist das die andere Seite?«, fragte die Nachrichtensprecherin aus dem Off und beantwortete die Frage dann gleich selbst. »Wir schalten unseren Außenkorrespondenten in dem Hubschrauber nun live.«
»Hallo? Annette?«, hörten sie eine verzerrte männliche Stimme. »Wir haben leichte Verbindungsprobleme. Kann man uns hören?«
»Wir hören dich!«, antwortete die Moderatorin.
»Okay. Wir haben den Krater gerade überquert und unsere Position noch einmal per GPS bestätigt. Wir befinden uns über der Innenstadt von München. Aber von der Stadt ist absolut nichts mehr zu sehen. Wir fliegen jetzt etwas tiefer, um uns das anzuschauen.«
Die Scheinwerfer beleuchteten den Untergrund. Er war grün. Es sah fast aus, als würden sie über einen Wald fliegen, über unberührte Natur. Die Bäume selbst sahen jedoch merkwürdig aus. Die Blätter waren – soweit man es in der Dunkelheit und aus der Höhe erkennen konnte – viel zu groß. Die Baumstämme waren nur schwer zu erkennen. An mehreren Orten sahen sie kleine Lichtpunkte, die über den Pflanzen hin und her tanzten, wie große Glühwürmchen.
»Annette, wir haben soeben einen Funkspruch vom Militär erhalten und wurden angewiesen, das Gebiet wieder zu verlassen.«
»Kannst du uns beschreiben, was du siehst?«, fragte die Nachrichtensprecherin, während der Hubschrauber wendete und wieder zurückflog.
»Es sieht etwas aus wie ein Wald. Die Baumart kann ich aber gar nicht erkennen. Jedenfalls ist das nicht die Münchner Innenstadt. Soweit man schauen kann, sieht man weder Gebäude, noch Trümmer, noch irgendwelche Anzeichen jeglicher Zivilisation.«
Suji ging zum Küchenfenster und starrte auf die Straße. Ihr wurde ganz schwindelig. Was ging hier nur vor sich? Mit zitternden Händen hielt sie sich am Fensterbrett fest.
»Wie heißt du?«, hörte sie wieder dieses Flüstern. Verdammt! Lass mich in Ruhe, dachte sie. Dann hörte sie ein Schnarchen. Ihre Mutter war vor Erschöpfung am Küchentisch eingeschlafen.