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Liebe der dritten Art

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»Oh Gott …«, stöhnte Suji laut auf und gab anschließend noch ein paar lustvoll gestöhnte Laute von sich. »Das fühlt sich so geil an, Hermes!«

»Ist das die richtige Stelle?«, fragte er.

»Ja! Ja!«, hauchte sie, biss sich auf die Unterlippe und legte mit geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken. Suji bekam fast Tränen in den Augen. »Du glaubst nicht, wie unfassbar geil sich das anfühlt. Ich bin dir so unendlich dankbar!!«

Niemals hätte sie gedacht, dass eine einfache Fußmassage, so angenehm sein konnte. Aber nachdem sie eine ganze Woche lang Barfuß durch die Wildnis gewandert waren, war das wohl zu erwarten gewesen.

»Vielen vielen vielen Dank!«, sagte sie mit warmer Stimme. »Wie kann ich das wieder gutmachen?«

Der schweigsame Alien-Junge antwortete nicht. Aber sie kannte ihn inzwischen und wusste – oder bildete sich ein, zu wissen – was er besonders mochte. Beim Sex. Und Sex hatten sie auf diese Reise andauernd. Ansonsten gab es ja auch keine Zerstreuung. Hermes Schüchternheit war süß, aber so musste es immer von Suji ausgehen. Sie wusste inzwischen jedoch genau, wie sie bekam, was sie wollte. Eigentlich musste sie nur ihre Möpse auspacken und er bekam eine Latte.

Die letzten Tage waren die Merkwürdigsten gewesen, die sich die Studentin jemals hätte vorstellen können. Sie war quasi auf der Flucht, mit dem Ziel, auf eine andere Welt zu reisen. Sie hatte einen neuen Freund, mit dem sie so viel Liebe machte, wie noch nie zuvor in ihrem Leben und sie hatte eine Menge über dieses Volk gelernt. Nur über manche Sachen schwieg er noch und sie verstand nicht so ganz, warum.

Heute waren sie noch weiter gewandert als die letzten Tage. Der Muskelkater war nicht mehr so schlimm und Suji merkte, dass sich ihre Ausdauer langsam verbessert hatte. Als sie an diesem Abend im Fluss nackt badeten, war die Massage jedoch verlockender als der Sex gewesen.

»Hermes, bin ich eigentlich deine Freundin?« Wieder schwieg er. »A-also … für mich ist das schon wichtig. Gibt es in deiner Kultur Monogamie?«

Der Alien-Junge schien wieder nachzudenken und nach den richtigen Wörtern zu suchen. »Zwei Geschwister, die miteinander verbunden sind, suchen sich zwei andere, die ebenfalls miteinander verbunden sind. Sie bilden zu viert eine …«

»Eine Familie?«

»Ja.«

»Also ihr sucht euch nur einen Partner, wenn der Bruder oder die Schwester, mit dem derjenige verbunden ist, auch dann mit dem Bruder oder der Schwester des potentiellen Partners dann zusammenkommt und dann lebt ihr zu viert?«

»Ja.«

Suji kratzte sich am Kopf. »Ja, das ist jetzt doof … Können wir da nicht eine Ausnahme machen?« Eine Zeit lang antwortete er nicht. Man. Das klang ja echt kompliziert. Die Partnersuche bei diesen Aliens musste ja ewig dauern, wenn man immer nur Doppeldates hatte. Wenn dieses Volk so etwas wie Datingshows hatten, waren die sicher viel spannender als die auf der Erde.

»Es spricht nichts gegen eine Ausnahme«, sagte er schließlich und Suji atmete erleichtert aus. Sie beugte sich vor, bot ihm dadurch einen großzügigen Blick auf ihre Brüste, und lächelte ihn mit großen Augen an. Sie war wirklich verliebt in ihn. Wie sollte sie es ihm nur sagen? Funktionierte das Konzept der Liebe für diese Spezies eigentlich so, wie für die Menschen? Sie waren sich so ähnlich und doch so verschieden. Ihr Blut war orange. Der ganze Fluss füllte sich damit, als der Schuss aus dem Nichts seine Schulter durchbohrte. Ob Hermes auch einen Bruder oder eine Schwester hatte, mit dem er dann wieder verbunden war, wenn sie zurück waren? Suji war ein Einzelkind und hatte leider niemanden für ein Doppeldate im Angebot.

Langsam realisierte sie, was in der letzten Sekunde passiert war. Ein Schuss aus einer Waffe hatte Hermes getroffen. Das Lächeln auf Sujis Gesicht wich blankem Entsetzen. Die junge Koreanerin schrie auf und sah sich um. In der Ferne erblickte sie in der Dunkelheit des abendlichen Waldes ein etwa drei Meter großes, schwarzes Objekt. Wie Blitze gingen von diesem, noch weitere Schüsse aus. Die junge Frau packte ihren Freund und riss ihn mit sich unter Wasser. Sofort wurden alle Geräusche dumpfer. Die Schüsse über ihnen hörten sich an, wie aus einem Maschinengewehr. Dutzende Projektile flogen über ihnen hinweg, während Suji im Wasser orangene Schwaden von Hermes Blut sehen konnte.

Der Beschuss endete wenige Sekunden später und die Koreanerin tauchte wieder auf. Dabei zog sie auch ihren verletzten Freund nach oben. »Schnell!«, rief sie. »Weg hier!!«

Der Alien-Junge stand aus eigener Kraft auf und folge Suji aus dem Wasser. Schnell packte sie ihre Klamotten, als kurz darauf eine neue Salve begann. Die Koreanerin zog den Kopf ein, als Kugeln über ihr hinweg surrten. Das Herz der jungen Frau pochte wie wild und Panik breitete sich aus. In Todesangst rannte sie zum nächst-dicksten Baumstamm und sprang in Deckung.

Ratatatatat.

Überall wurde Dreck und Erde aufgewirbelt. Die zahllosen Geschosse bohrten sich tief in die Baumstämme, zersplitterten das Alien-Holz und durchlöcherten die großen Blätter. Am Boden hinterließen sie große Einschusslöcher der Zerstörung, von denen die Grashalme sich abwendeten.

»Was ist das??«, rief Suji entsetzt, als sie beide hinter einem etwa einen Meter dicken Baum Schutz gesucht hatten. Hermes antwortete nicht. Er war zu Boden gesunken und ließ den Kopf hängen. Seine Augenlider waren geschlossen. Die Koreanerin bekam Tränen in den Augen und fasste seine Wangen an. »Oh nein! Nein!!«

Die nächste Salve begann. Scheinbar musste, was auch immer da auf sie feuerte, regelmäßig nachladen. Der Beschuss ging direkt in den dicken, weißen Baumstamm, hinter dem sie standen. Beunruhigt und mit vor Panik weit aufgerissenen Augen starrte Suji nach oben. Einzelne Projektile flogen dicht am Stamm vorbei. Der Baumstamm selbst schien dem Beschuss nicht mehr standzuhalten und neigte sich bedrohlich nach vorne.

»Steh auf, Hermes!«, befahl sie verzweifelt. »Wir müssen hier weg!!«

Ratatatatat.

Suji zog sich schnell ihr Top und die Jeans an und packte ihren Freund unter den Armen. Kurz bevor der Baum stürzte, zog sie Hermes in Sicherheit. Verdammt! Sie konnte ihn nicht tragen, wollte ihn aber auch auf keinen Fall zurücklassen. Die Wunde an seiner Schulter war riesig und er verlor so viel Blut, dass sie eine Blutspur hinter sich herzog. Suji hörte ein hydraulisches Geräusch. Das Objekt, das auf sie schoss, setzte sich in Bewegung. Scheinbar verfolgte es sie. Als die Koreanerin kurz aufsah, konnte sie durch das Dickicht einen Blick erhaschen. Es sah aus, wie eine große, auf zwei Beinen laufende, Maschine. Das Metall war so schwarz, dass es von der Umgebung nur schwer zu unterscheiden war. Noch bevor sie das Bild dieses Objektes in ihrem Kopf verarbeiten konnte, startete der nächste Angriff. Anstelle einer neuen Salve mit hunderten von Projektilen aus dem Maschinengewehr, hörte Suji nun ein lauter werdendes, pfeifendes Geräusch. Kurz darauf folgte eine Druckwelle, die sie und Hermes zu Boden stieß. Eine unfassbar heiße Feuersäule breitete sich direkt über ihr aus. Die junge Frau schrie laut um Hilfe. Suji musste die Augen zusammenkneifen, um bei dem hellen Licht des Feuers nicht blind zu werden.

Die Explosion war so laut, dass ihr Gehör aussetzte und sie nichts mehr, außer einem piepsenden Tinnitus wahrnehmen konnte. Die ganze Situation kam ihr surreal vor, als sie sich nach der Detonation aufrichtete und erkannte, dass sich die Umgebung um sie herum schlagartig verändert hatte. In einem Umkreis von fünf Metern war jede Pflanze und jeder Baumstamm verschwunden. Es war nur noch rauchende, stinkende Asche übrig. Kurz blickte Suji auf ihre vom Ruß pechschwarz gewordenen Hände und dann auf die nicht weniger geschwärzte Haut ihres Alien-Freundes. Dann erblickte sie den schwarzen Roboter, wie er auf sie zumarschierte. Anstelle von Armen hatte er zwei lange, dicke Rohre, die wie Waffensysteme aussahen. Die Maschine sah aus, als hätte sie jemand nur zu einem einzigen Zweck konstruiert: als Massenvernichtungswaffe! Der Kampfroboter richtete seine beiden Geschütze auf Suji und Hermes aus und ein lauter werdendes hydraulisches Geräusch ließ vermuten, dass es jeden Moment schießen würde.

»A-aufhören!!«, stotterte sie unbeholfen und sah sich hilfesuchend um. Hermes lag bewusstlos am Boden. Eine Blutlache breitete sich unter ihm aus. Es gab nirgendwo Deckung. Verzweifelt stand Suji auf und nahm einen rauchenden Stein vom Boden. Sie sah, wie die Waffensysteme, die auf sie zielten, der Bewegung ihres rechten Arms folgten, als sie ausholte, um den Stein zu werfen. Kurz bevor die nächste Salve des Kampfroboters begann, warf sie den Stein im hohen Bogen. Die Kampfmaschine ballerte auf das sich nähernde Projektil, anstatt auf sie. Blitzschnell packte Suji ihren Freund an den Händen und zog ihn hinter sich her durch die Asche aus verbrannten Grashalmen. Der Stein wurde von so brutalem Waffenfeuer in der Luft zerfetzt, dass er nicht einmal in die Nähe der wahrscheinlich unzerstörbaren Panzerung der Maschine kommen konnte.

Nachdem es diese vermeintliche Bedrohung ausgeschaltet hatte, richtete es die Waffensysteme wieder auf die Studentin. In der letzten Millisekunde zog sie den Alien-Jungen hinter einen weiteren Baum in Deckung.

Suji machte sich so klein, wie sie konnte. Nur wenige Zentimeter links und rechts von ihr schlugen die tödlichen Geschosse ein und wirbelten Dreck auf. Panisch schrie sie auf und versuchte, Hermes wachzurütteln.

»Komm schon!!«, brüllte sie verzweifelt. »Ich kann dich nicht tragen!«

Aber ihr Freund bewegte sich nicht. Verdammte Scheiße!! Suji sah zum Fluss, an dessen Ufer noch sein Rucksack lag. Vielleicht hatte er ja irgendetwas dabei, was ihr jetzt half? Irgendeine Medizin, um ihn aufzuwecken? Aber schaffte sie es dorthin und wieder zurück in Deckung? Es waren mindestens zehn Meter!

Eins! Zwei! Drei! Suji rannte los, so schnell sie konnte. Überall um sie herum flogen die Kugeln.

Ratatatatat.

Die Geschosse hinterließen eine Schneise der Zerstörung in dem idyllischem Wald. So tief, wie sich die Projektile in die Erde hineinbohrten, würden sie mehr als nur eine kleine Schusswunde zurücklassen.

Die Koreanerin lief im Zickzack und tat ihr Bestes, um den Geschossen auszuweichen. Auf dem letzten Meter warf sie sich auf den Boden und streckte die Hand aus, um an die Tasche zu kommen. Fuck! Es fehlten nur wenige Zentimeter. Da wurde die Tasche nur knapp von einem Schuss verfehlt. Suji rollte sich zur Seite. Wenn sie sich nur eine Millisekunde an derselben Position aufhielt, würde der Roboter sie treffen. Auch wenn sie ständig in Bewegung blieb, hatte sie das Gefühl, dass die Schüsse immer präziser und damit gefährlicher wurden. Als würde diese Kriegsmaschine dazulernen!

Dann hatte sie Glück. Der nächste Schuss traf den Boden unter der Tasche und schleuderte den Rucksack damit einige Zentimeter in ihre Richtung. Genug, dass sie hineingreifen und den erstbesten Gegenstand herausholen konnte.

Es war eine Waffe! Zumindest interpretierte sie das Bananenförmige, metallische Objekt mit dem Auslöser an der Unterseite so. Sofort richtete Suji das, was sie für den Lauf der Waffe hielt auf den Roboter und hoffte inständig, dass es nicht nur ein Bananenvibrator war.

Bevor der Kampfroboter seinen nächsten Angriff begann, drückte Suji den Abzug und ein Strahl aus purem Feuer löste sich aus dem Gegenstand in ihrer Hand. Der Feuerstrahl schoss in die Richtung, in die sie gezielt hatte: auf den Gegner. Fuck! Es war tatsächlich eine futuristische Alien-Waffe! Am Metall angelangt breiteten sich die Flammen aus und vernebelten die Sicht. Wasserdampf entstand und stieg auf. Schnell nutzte Suji die Chance, packte den Rucksack und stand wieder auf.

Einen kurzen Moment zögerte sie und sah auf die etwa zwanzig Meter entfernte Wolke. Sie musste den merkwürdigen Roboter eindeutig getroffen haben. War er kaputt?

Sujis Knie wurden weich und begannen, zu zittern, als sie wieder das hydraulische Geräusch hörte und einen schwarzen platten Fuß aus dem Nebel steigen sah. Zwei Kanonenrohre folgten diesen in einer Höhe von etwa eineinhalb Metern. Der Roboter war nicht zerstört. Er hatte nicht einmal einen Kratzer!

Das Entsetzen und die Todesangst brannten sich in ihre Augen. Sie hatte das Gefühl, den personifizierten Teufel vor sich zu haben. Sofort zielte sie erneut auf die Maschine und feuerte einen weiteren Flammenstrahl ab. Dann rannte sie los. Zurück zu Hermes.

Ihre Waffe erzeugte eine Menge Dampf, sonst nichts. Dafür vernebelte er die Sicht. Als der Roboter sein Sperrfeuer wieder eröffnete, flogen die Projektile breit gestreut in ihre Richtung. Suji ließ sich auf den Boden fallen und rollte sich zur Seite, um in der letzten Sekunde diesen auszuweichen. Dann stand sie auf und feuerte erneut.

Ratatatatat.

Dieser Massenvernichtungswaffe ging einfach niemals die Munition aus! Zusätzlich hörte sie – ihre Ohren funktionierten inzwischen wieder – auch wieder das pfeifende Geräusch … Das metallische Monster lud seine große Primärwaffe wieder auf!

»Hermes!!«, bettelte sie mit Tränen in den Augen, als sie ihn fast erreicht hatte.

»Suji«, hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf, obwohl er immer noch die Augen geschlossen hatte. »Es bewacht die Maschine, die uns auf die andere Welt bringt.«

Endlich hatte die Koreanerin ihn erreicht. In der Deckung hinter dem Baumstamm, der in wenigen Sekunden pulverisiert werden sollte, packte sie, die merkwürdige Waffen mit den Zähnen festhaltend, ihren Freund unter den Armen und zog ihn tiefer in den Wald hinein. Als könnte sie diesem Monster so entkommen …

»Was soll ich tun, Hermes??«, sendete sie in Gedanken an ihn, da sie mit dem feuerspeienden Bananenvibrator im Mund nicht sprechen konnte.

Kurz bevor der Roboter mit dem Nachladen scheinbar fertig war, hörte Suji das Geräusch eines Helikopters über ihr. Während sie Hermes weiter hinter sich herzog, warf sie einen Blick in den Himmel und sah den Kampfhubschrauber, den sie auch vor einer Woche erblickt hatte. Er war in Richtung der fremden Kriegsmaschine ausgerichtet. »D-das …«, murmelte die junge Frau. »Das ist …«

Der Kampfhubschrauber feuerte hell leuchtende Raketen von zwei Seiten gleichzeitig ab. Wieder warf sich Suji auf den Boden und legte sich schützend auf den Alien-Jungen. Ohrenbetäubende Detonationen folgten und ließen die Erde beben. Weinend und verzweifelt verkrampfte die Studentin ihren Körper und kniff die Augen zusammen. Wann hörte das endlich auf??

Es folgte eine Explosion nach der nächsten und die Hitze wurde immer unerträglicher. Der halbe Wald musste in Flammen stehen. »Hermes«, dachte sie. »Ich liebe dich! Kein Plan, was das für dich bedeutet. Ich will nicht sterben. Ich will mit dir zusammenbleiben!« Während es immer noch donnerte und bebte, spürte sie, wie er eine Hand auf ihren Rücken legte und sie schwach an sich drückte. Er war noch am Leben!

Endlich endete es. Der Hubschrauber hatte scheinbar alle seine Raketen abgefeuert. Wieder waren Sujis Ohren halbtaub. Blinzelnd und mit Ruß im ganzen Gesicht blickte sie vorsichtig auf und warf einen Blick über die Schulter.

Von dem Roboter waren nur noch die rauchenden platten Füße aus diesem schwarzen Metall übrig geblieben. Um ihn herum war alles zerstört. Der wunderschöne, friedliche Wald hatte sich in einem Umkreis von fast einhundert Metern in eine verrauchte Landschaft aus Asche gewandelt, an dessen Rand sie und Hermes im hohen Gras lagen. Der Hubschrauber über ihnen drehte ab und entfernte sich von ihnen. Suji sah ihm lange nach. Die stickige Luft brannte in ihren Augen. Sie konnte diese kaum öffnen.

Dann hörte sie menschliche Stimmen und Schritte. Im Dickicht um sie herum raschelte es. Suji glaubte, englische Wörter gehört zu haben. Fuck. Das waren wahrscheinlich Soldaten!

»Hey! Hermes!«, flüsterte sie und schüttelte ihren Freund leicht. »Wir müssen jetzt verschwinden.«

Seine Arme wurden schlaff. Er hatte wohl das Bewusstsein verloren. Als Suji ihre Hand wieder von ihm hob, erkannte sie mit Entsetzen, dass ihre Handinnenflächen voller orangefarbenem Blut waren.

»Suji«, hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf. »Die Maschine ist hier.«

»Wo??«

Die Schritte kamen näher. Die junge Koreanerin erblickte bereits die Umrisse mehrerer Gestalten in der Ferne, die mit auf sie gerichteten Sturmgewehren bewaffnet auf sie zukamen. Fuck!

»Rucksack!«, hörte sie seine Stimme wieder. Schnell griff sie nach der Tasche und schüttete alle Gegenstände aus, die sich darin befanden. Da war der merkwürdige Zapfhahn, vier Getränkeflaschen und ein Gerät, das aussah, wie ein zu dickes Tablet. Suji nahm es in die Hand und sah auf ein Display, dass sich von selbst aktivierte. Es war eindeutig ein mobiler Computer. Warum hatte Hermes den nie verwendet? Die grafische Oberfläche war verwirrend. Suji sah auf merkwürdige Schriftzeichen, mit denen sie nichts anfangen konnte. Sie waren auch scheinbar nicht von links nach rechts oder von oben nach unten zu lesen. Stattdessen waren sie in mehreren Spiralen angeordnet. Einige der Schriftzeichen waren mit einem Sechseck umrandet.

»Don‘t move!!«, brüllte ein Mann, der ihr bis auf zehn Meter nahegekommen war. Suji sah auf und blickte auf einen Soldaten in grüner Uniform. Sein Gesicht war von einem Helm und einer Sturmmaske verdeckt. Er trug eine dicke Weste und einen großen Rucksack. Das Sturmgewehr war direkt auf ihren Kopf gerichtet. Aus einem Funkgerät hörte sie eine weitere Stimme.

»Report!«

»There is a girl! Unidentified!«, berichtete der Soldat. »What should I do?«

»Shoot her!«

»N-nicht!!«, schrie Suji verzweifelt. Glücklicherweise zögerte der Mann, den Schießbefehl auf das wehrlose 1.60m große Mädchen, das von oben bis unten voller Ruß war, auszuführen.

»Umgedrehter Stuhl!«, hörte sie Hermes Stimme nun in ihrem Kopf. Fuck. Verlor er jetzt den Verstand?

»Sir! She is just a young girl!«, berichtete der Mann über Funk.

»Exclusion zone rules!«, tönte es entschieden aus seiner Zentrale. »Kill her! Now!« Jetzt entsicherte der Mann die Waffe. Hilfesuchend sah Suji zu ihrem Freund. In der Hand hielt sie immer noch den Tablet-Computer.

Da erkannte sie im Augenwinkel eines der Schriftzeichen, das mit einem Sechseck umrandet war. Stellten diese Sechsecke vielleicht anklickbare Buttons dar? Und dieses Symbol sah tatsächlich ein wenig so aus, wie ein auf dem Kopf stehender, Stuhl.

Der Soldat kam noch einen Schritt auf sie zu und zielte direkt auf ihre Stirn. Schnell berührte Suji den Button mit ihrem Daumen und spürte ein haptisches Feedback. Das Display schaltete sich ab. Oh nein! Jetzt war alles vorbei …

Suji konnte sehen, wie der Mann den Finger an den Abzug legte. Mit flehendem Blick sah sie ihm in die Augen und schüttelte den Kopf, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.

Ein Donnern unterbracht sie und die Erde begann zu beben. Wenige Meter entfernt von Suji, auf rauchenden Ascheboden, tat sich an einer Stelle die Erde auf. Ein metallverkleidetes Objekt mit einem Durchmesser von etwa einem Meter kam aus dem Boden nach oben geschossen. Es hatte die Form eines Zylinders und war fast vier Meter groß. Oben angekommen, blieb es dort stehen wie eine Litfaßsäule und gab ein pulsierendes Geräusch von sich ab. An den Außenseiten leuchteten rote und grüne Lichter auf, die heller und dunkler wurden, synchron mit dem Geräusch.

Der Soldat erschrak sofort, brüllte irgendetwas panisch in sein Funkgerät und ging ein paar Schritte zurück. Fuck. War das etwa ihr Taxi auf die andere Welt? Sollten sie da jetzt einsteigen? Suji sah keinen Eingang.

Hilflos blickte sie sich um. Als der Mann seine Waffe zumindest nicht mehr auf sie gerichtet hatte und stattdessen hektisch Funksprüche mit seinem Boss austauschte, wollte Suji die Chance nutzen und packte Hermes unter den Armen. Mit letzter Kraft und dem Tablet unter den Arm geklemmt zog sie den Alien-Jungen über den verbrannten Boden zu der außerirdischen Maschine. Ratlos lehnte sie seinen Körper gegen das kalte Metall und berührte die Oberfläche des Geräts. Die Lichter flackerten immer schneller und auch das merkwürdige Geräusch ertönte immer lauter.

»Don’t move!!«, hörte sie erneut und sah sich nun von fast einem Dutzend Soldaten umzingelt, die überall aus dem Wald aufgetaucht waren und ihre Gewehre auf sie richteten. Langsam und vorsichtig kamen sie immer näher. Es musste nur einer unter ihnen mit einem nervösen Zeigefinger sein und sie war tot! Verdammte Scheiße!

»Hilf mir, Hermes!«, murmelte sie. »Was soll ich machen?«

Da leuchtete das Display auf dem außerirdischen Tablet wieder auf. Der Button, den sie eben betätigt hatte, pulsierte in derselben Frequenz, wie auch die Lichter auf der Maschine flackerten. Sollte sie darauf drücken? Was würde dann passieren? Würden wirklich nur sie und Hermes auf die andere Seite transportiert werden? Diese Maschine hatte das Potential, eine Katastrophe biblischen Ausmaßes auszulösen und Tausende von Menschen ins Verderben zu stürzen. Und selbst wenn alles gut ging, hatte sie keine Ahnung, was sie auf der anderen Welt erwartete.

Aber was sollte sie noch hier? Jeden Moment würden diese Männer sie erschießen. Warum sollte sie sich noch um das Wohl dieser Welt kümmern? Diese Menschen hatten sie immer wie einen Fremdkörper behandelt, sie verstoßen und ihre Mutter ermordet.

Suji betätigte den Button.

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