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Selbstmitgefühl und Gesundheit
ОглавлениеDie allgemein verbreitete Befürchtung, Selbstmitgefühl könne zu Zügellosigkeit und dazu führen, sich gehen zu lassen, wird durch Forschungsergebnisse widerlegt, die zeigen, dass Selbstmitgefühl gesunde Verhaltensweisen fördert (Biber und Ellis, 2017; Homan und Sirois, 2017). So legt die Forschung beispielsweise nahe, dass Selbstmitgefühl ein wichtiger Aspekt des gesunden Alterns ist (Allen und Leary, 2014; Brown, Huffman und Byrant, 2018) und dass ältere Menschen, die selbstmitfühlend sind, sich, wenn nötig, eher medizinisch behandeln lassen (Terry und Leary, 2011) oder medizinische Hilfsmittel wie Rollatoren benutzen (Allen, Goldwasser und Leary, 2012). In einer drei Untersuchungen umfassenden Studienreihe fanden die Forscher heraus, dass selbstmitfühlende Menschen motivierter waren, gesund zu bleiben und bei Gesundheitsproblemen medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, als diejenigen, denen es an Selbstmitgefühl mangelte (Terry, Leary, Metha und Henderson, 2013). Außerdem stellten sie fest, dass bewusste Freundlichkeit gegenüber sich selbst und wohlwollende Selbstgespräche auf die Verbindung zwischen Selbstmitgefühl und proaktivem Gesundheitsverhalten hinwiesen. Selbstmitgefühl ist mit einem stärkeren Gefühl der Selbstwirksamkeit in Gesundheitsfragen verbunden (zum Beispiel der Zuversicht, Maßnahmen durchführen zu können, die für die Erhaltung der eigenen Gesundheit wichtig sind) sowie konkreten gesunden Verhaltensweisen wie dem Verzehr ausgewogener Mahlzeiten, regelmäßiger physischer Aktivität und ausreichendem Schlaf (Sirois und Hirsch, 2019; Sirois, Kitner und Hirsch, 2015). Selbstmitgefühl geht auch mit einer höheren Bereitschaft einher, sich bei Krankheiten wie Zöliakie an die notwendige Diät zu halten (Dowd und Jung, 2017), und einer größeren Selbstfürsorge bei Diabetespatienten (Ferrari, Dal Cin und Steele, 2017). In der Tat ergab eine große multinationale Studie an Patienten mit HIV/Aids, dass Menschen mit mehr Selbstmitgefühl seltener riskante Verhaltensweisen an den Tag legten (wie beispielsweise ungeschützten Sex praktizieren; Rose et al., 2014).
Selbstmitgefühl scheint Menschen auch zu helfen, das Rauchen aufzugeben oder zu reduzieren. Personen, die während einer dreiwöchigen Compassion-Focused-Therapie angeleitet wurden, mitfühlend mit den mit der Aufgabe des Rauchens verbundenen Schwierigkeiten umzugehen, reduzierten ihren Zigarettenkonsum deutlicher als diejenigen, die angeleitet wurden, sich Gedanken über ihren Konsum zu machen und ihn zu überwachen (Kelly, Zuroff, Foa und Gilbert, 2009). Die Selbstmitgefühls-Intervention war besonders wirksam bei denjenigen, die sehr selbstkritisch oder resistent gegen Veränderungen waren. Andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass selbstmitfühlende Menschen seltener süchtig nach Schokolade sind (Diac, Constantinescu, Sefter, Raşia und Târgoveçu, 2017) und dass zunehmendes Selbstmitgefühl alkoholabhängigen Menschen hilft, weniger zu trinken (Brooks, Kay-Lambkin, Bowman und Childs, 2012).