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Selbstmitgefühl, Körperbild und Essstörungen

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Eine systematische Auswertung der Literatur belegte, dass Selbstmitgefühl mit einem positiveren Körperbild und weniger Essstörungen assoziiert ist (Braun et al., 2016). Diverse Studien zeigten, dass höhere ­Selbstmitgefühls-Levels mit geringerer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, weniger Körperscham und weniger Befürchtungen in Bezug auf die eigene körperliche Erscheinung einhergehen (Daye, Webb und Jafari, 2014; Ferreira, Pinto-Gouveia und Duarte, 2013; Mosewich et al., 2011; Przezdziecki et al., 2013; Wasylkiw, MacKinnon und MacLellan, 2012; Webb Fiery und Jafari, 2016). Selbstmitgefühl scheint auch in negativer Relation zu Vergleichen des äußeren Erscheinungsbildes zu stehen, das heißt zur Tendenz, die soziale Attraktivität zu bewerten, indem man die eigene physische Erscheinung mit der anderer vergleicht (Duarte, ­Ferreira, Trindade und Pinto-Gouveia, 2015; Homan und Tylka, 2015). Darüber hinaus scheint Selbstmitgefühl eine entspanntere Reaktion auf Befürchtungen bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes zu sein als Selbstwertgefühl. Moffitt, Neumann und Williamson (2018) fanden heraus, dass eine Zunahme des Selbstmitgefühls nach einer Bedrohung des Körperbildes die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper verringerte und die Motivation, sich zu verbessern, steigerte – im Vergleich mit einer Zunahme des Selbstwertgefühls. Neben der Verringerung der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper scheint Selbstmitgefühl Frauen zu helfen, ihren Körper zu mögen und zu würdigen (Homan und Tylka, 2015; Marta-Simões, Ferreira und Mendes, 2016; Pisitsungkagarn, Taephant und Attasaranya, 2013; Wasylkiw et al., 2012). Die Wertschätzung des Körpers drückt aus, in welchem Maße Frauen ihren Körper unabhängig von Gewicht, Form und Unvollkommenheit mögen, akzeptieren und respektieren, und ist eine psychische Stärke, die mit Optimismus und Lebenszufriedenheit assoziiert wird (Avalos, Tylka und Wood-Barcalow, 2005). Indem ein Mensch seinen »unvollkommenen« Körper mitfühlend annimmt, kann er dankbarer für dessen Gaben sein.

Es scheint, dass man Menschen beibringen kann, mitfühlender gegenüber ihrem Körper zu sein. Man stellte beispielsweise fest, dass eine kurze Selbstmitgefühls-Schreibintervention Brustkrebsüberlebenden half, eine selbstmitfühlendere Haltung einzunehmen, wenn sie sich an ein als peinlich empfundenes Ereignis in Zusammenhang mit ihrem Körper ­erinnerten, und so weniger negative Auswirkungen zu erfahren (Przezdziecki und Sherman, 2016). Ein dreiwöchiges Training in ­Selbstgefühlsmeditation führte bei einer generationsübergreifenden Gruppe von Frauen zu einer Steigerung der Körperzufriedenheit (Albertson et al., 2015). Die Ergebnisse legten nahe, dass sich bei den Interventionsteilnehmerinnen im Vergleich zu einer Wartelisten-Kontrollgruppe die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper sowie Körperscham und Abhängigkeit vom äußeren Erscheinungsbild deutlich stärker verringerten und dass die Wertschätzung des eigenen Körpers signifikant mehr zunahm als in der Kontrollgruppe. Bei einer Überprüfung nach drei Monaten waren diese Verbesserungen unverändert. Eine Studie, die die Auswirkungen der Selbstmitgefühlsmeditation auf das Körperbild untersuchte (mit den gleichen Methoden wie Albertson et al., 2015), ergab, dass bereits nach einer Trainingswoche die Wertschätzung des Körpers zunahm und körperbezogene Minderwertigkeitsgefühle sowie ständige Überwachung und Kontrolle des körperlichen Erscheinungsbildes im Vergleich mit einer Wartelisten-Kontrollgruppe abnahmen (Toole und Craighead, 2016). Die Verwendung einer Smartphone-App namens BodiMojo, die Jugendlichen helfen soll, selbstmitfühlend mit ihrem Körper umzugehen, steigerte das auf die äußere Erscheinung bezogene Selbstwertgefühl (Rodgers et al., 2018).

Selbstmitgefühl entfaltet auch eine Schutzwirkung gegen pathologisches Essverhalten. Es wurde mit einer Reduzierung von Binge-Eating (Esssucht) in Verbindung gebracht (Webb und Forman, 2013) sowie mit einem Rückgang von gestörtem Essverhalten bei Frauen mit klinischen Essstörungen (Ferreira et al., 2013). Eine Reihe von Längsschnittstudien (Kelly und Carter, 2014; Kelly, Carter und Borairi, 2014; Kelly, Carter, Zuroff und Borairi, 2013) belegte, dass eine Zunahme an Selbstmitgefühl im frühen Stadium der Behandlung von Essstörungen ein Prädiktor für die anschließende Verringerung gestörten Essverhaltens war. Eine Studie, die mithilfe des täglichen Führens eines Tagebuchs den Zusammenhang zwischen Selbstmitgefühl und gestörtem Essverhalten untersuchte, ergab, dass weniger gestörtes Essverhalten an den Tagen beobachtet wurde, an denen die Teilnehmenden von größerem Selbstmitgefühl in Bezug auf ihr Erscheinungsbild berichteten (Breines, Toole et al., 2014). So scheint Selbstmitgefühl Menschen zu helfen, ein gesünderes Essverhalten zu entwickeln. Und diese Fähigkeit kann gelehrt werden.

In einer Studie wurden Patienten mit einer Binge-Essstörung nach dem Zufallsprinzip einem von drei Settings zugeordnet: einem Selbstmitgefühls-Training oder kognitiver Verhaltenstherapie oder einer Warteliste-Kontrollgruppe (Kelly und Carter, 2015). Die Selbstmitgefühls-Intervention war am effektivsten im Hinblick auf die Verringerung des gestörten Essverhaltens, der pathologischen Beschäftigung mit dem Gewicht oder der Nahrungsaufnahme. Eine weitere Studie macht deutlich, wie Selbstmitgefühl ein gesünderes Essverhalten fördert. Menschen, die Diäten anwenden, zeigen oft eine widersprüchliche Tendenz: Wenn sie ihre Diätregeln brechen und kalorienreiche Nahrungsmittel essen, neigen sie dazu, danach noch mehr zu essen, um die schlechten Gefühle über ihren Fehltritt loszuwerden (Heatherton und Polivy, 1990). Adams und Leary (2007) führten eine Studie durch, bei der Studentinnen (unter dem Vorwand der Erforschung von Essgewohnheiten) einen Donut essen mussten. Nach dem Essen des Donuts bekam die Hälfte der Teilnehmerinnen zusätzlich folgenden Hinweis: »Einige von euch haben mir gesagt, dass sie sich schlecht dabei fühlen, während dieser Studie Donuts zu essen. Also hoffe ich, dass Sie nicht zu hart zu sich sein werden. Jeder von uns isst manchmal etwas Ungesundes, und alle essen hier bei dieser Studie dieses Zeug. Und deshalb gibt es meiner Meinung nach überhaupt keinen Grund, sich deswegen schlecht zu fühlen.« Den Teilnehmenden der Kontrollgruppe wurde nichts gesagt. Die Forscher stellten fest, dass diejenigen Frauen im Kontrollsetting, die normalerweise eine Diät einhielten, von Schuld- und Schamgefühlen berichteten. Darüber hinaus aßen diese Frauen, wenn sie später die Möglichkeit bekamen, als »Testesserinnen« so viele Süßigkeiten zu essen, wie sie wollten, mehr als die Teilnehmenden der anderen Gruppen (sogar mehr als diejenigen, die nicht auf Diät waren). ­Diätikerinnen, die ermutigt wurden, in Bezug auf den Verzehr des Donuts selbstmitfühlend zu sein, gingen andererseits freundlicher mit sich um und hatten weniger negative Gefühle, ­nachdem sie den Donut gegessen hatten. Sie aßen auch weniger Süßigkeiten während der »Verkostung« als andere. Selbstmitfühlend zu sein hilft Menschen anscheinend, am Ziel einer gesunden Ernährung festzuhalten.

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