Читать книгу Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten - Kristin Neff, Christopher Germer - Страница 54
Selbstmitgefühl lehren
ОглавлениеDas Individuum ist sowohl zu großem Mitgefühl als auch zu großer Gleichgültigkeit fähig. Es liegt an uns, Ersteres zu nähren und Letzteres zu überwinden.
Norman Cousins (1991)
Da die positiven Auswirkungen des Selbstmitgefühls gut belegt sind, dreht sich eine entscheidende Frage darum, ob Menschen lernen können, selbstmitfühlender zu sein. Die Antwort lautet eindeutig: »Ja.« Forschungsergebnisse zeigen, dass eine Vielzahl von Methoden die Zunahme des Selbstmitgefühls fördern können. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Forschung hinsichtlich des Trainings, und wo immer möglich wird der prozentuale Zuwachs an Selbstmitgefühl angegeben (Gesamt-Scores auf der SCS).
Ein Weg zum Selbstmitgefühl schließt körperbasierte Ansätze wie Yoga ein. So nahm das Selbstmitgefühl bei jungen Erwachsenen, die an einem viermonatigen Yoga-Programm mit Unterbringung teilnahmen, im Vergleich zu demografisch abgestimmten Kontrollgruppen zu (um 11 Prozent), und diese Zunahme war wiederum mit einer Zunahme an Lebensqualität und einer Reduktion von Stress verbunden (Gard et al., 2012). Eine qualitative Studie über die Auswirkungen von Yoga auf den Selbstmitgefühls-Level bei Opfern sexuellen Missbrauchs (Crews, Stolz-Newton und Grant, 2016) identifizierte Aspekte, die darauf hindeuten, dass Yoga eine wichtige Form der Selbstfürsorge war. Eine Teilnehmerin erklärte das so:
»Früher habe ich nie etwas für mich selbst getan. Und das ist so etwas wie meine kleine Auszeit … Es ist meine ›Liebe-mich‹-Zeit. Es ist, als würde ich meinen Körper, meine Schultern und meinen Geist entspannen, und manchmal fühlt es sich an, als könnte ich einfach ein Nickerchen auf der Matte machen, weißt du? Es ist einfach so entspannend … Man spürt es in seinem Körper … Das zu tun und physisch zu spüren, dass ich etwas für meinen Körper tue, hilft mir also … so als würde ich mir ein Wundpflaster aufkleben. [Yoga] hilft mir, mir selbst zu sagen: ›Hey, du bist in Ordnung.‹«
Für diese Teilnehmenden waren das Akzeptieren ihres Körpers und der sanfte, freundliche Umgang mit ihm ein direkter Weg, insgesamt akzeptierend und liebevoll mit sich umzugehen.
Die Liebevolle-Güte- oder Metta-Meditation (LGM) scheint ebenfalls ein effektiver Weg zu sein, das Selbstmitgefühl zu erhöhen. Bei der Metta-Meditation geht es darum, eine wohlwollende Haltung zu entwickeln: normalerweise gegenüber sich selbst, einem Wohltäter, einer neutralen Person, einer herausfordernden Person und schließlich gegenüber allen Wesen. Sätze wie die folgenden werden gesprochen, um diese guten Absichten auszudrücken: »Mögest du sicher sein. Mögest du glücklich sein. Mögest du in Frieden leben. Mögest du mit Leichtigkeit leben.« Die LGM kann angewandt werden, um Selbstmitgefühl zu entwickeln, wenn man selbst das Ziel der guten Wünsche inmitten einer leidvollen Situation ist (siehe Kapitel 13). Bei der traditionellen LGM oder Metta-Meditation ist das »Selbst« nur eines von vielen »Zielobjekten«, aber die Zeit, die man darauf verwendet, sich selbst Gutes zu wünschen, scheint das Selbstmitgefühl zu erhöhen (siehe Boellinghaus, Jones und Hutton, 2014). In einer Pilotstudie wurden beispielsweise bei Veteranen, die an PTBS litten und einen zwölfwöchigen Metta-Meditationskurs belegten, signifikante Steigerungen des Selbstmitgefühls festgestellt (25 Prozent) und diese Zuwächse waren unter anderem eine Erklärung für eine Reduktion der PTBS-Symptome und der Depressionen, die die Teilnehmenden im Laufe des Trainings zeigten (Kearney et al., 2013). Ähnliche Ergebnisse erbrachte eine randomisierte kontrollierte Studie (Shahar et al., 2015): Höchst selbstkritische Personen, die ein siebenwöchiges Training in Metta-Meditation absolvierten, zeigten signifikante Zuwächse an Selbstmitgefühl (17 Prozent) im Vergleich mit einer Wartelistenkontrollgruppe.