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Mindfulness-Based Compassionate Living (MBCL)
ОглавлениеMBCL wurde von zwei wegweisenden Achtsamkeitslehrern – dem Psychiater und Psychotherapeuten Erik van den Brink und dem Meditationslehrer Frits Koster – in einem Zentrum für psychische Gesundheit in den Niederlanden entwickelt, um Klienten zu unterstützen, die von der Achtsamkeitspraxis profitierten, aber auch die Notwendigkeit verspürten, eine freundlichere und mitfühlendere Haltung gegenüber sich selbst zu entwickeln. Das Programm wird zunehmend einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und ist als Vertiefungskurs für Teilnehmende gedacht, die bereits mit der Achtsamkeitspraxis vertraut sind – vorzugsweise durch die Teilnahme an einem Kurs in MBSR, MBCT oder dergleichen.
MBCL ist eine einzigartige Mischung aus westlicher und buddhistischer Psychologie, die die Arbeit von Paul Gilbert (2009), Tara Brach (2003) und uns (Germer, 2009; Neff, 2011a) integriert. MBCL kombiniert die Evolutionspsychologie der CFT (Compassion Focused Therapy), insbesondere das CFT-Modell der Emotionsregulation und mitfühlenden Imagination, mit der Positiven Psychologie und säkularen Adaptionen traditioneller buddhistischer kontemplativer Praktiken wie der Metta- und Tonglen-Meditation. Wichtige informelle Praktiken sind bei MBCL die Atemräume der Freundlichkeit und des Mitgefühls, die vom Drei-Minuten-Atemraum der MBCT adaptiert wurden. Ähnlich wie bei MSC geht es bei MBCL explizit um die Kultivierung von Qualitäten wie Güte, Mitgefühl, dankbarer Freude und Gleichmut/Gelassenheit. Einige Elemente von MSC, die man auch bei MBCL findet, sind »Die Selbstmitgefühlspause«, »Der Sinnesgenuss-Spaziergang«, der »Bodyscan mit Mitgefühl«, das »Selbstmitgefühl im Alltag« und das Konzept des Backdrafts. Vielleicht ist der besondere Fokus auf die Kultivierung von Selbstmitgefühl bei MSC das Merkmal, das die beiden Methoden am deutlichsten unterscheidet. Erwähnenswert ist, dass sowohl MBCL als auch MSC überwiegend von der Achtsamkeitstradition beeinflusst wurden, während die anderen Mitgefühlstrainingsprogramme einen stärkeren tibetischen »Touch« haben. Früher galt, dass man zuerst einen MBSR- oder MBCT-Kurs absolvieren musste, bevor man an MBCL teilnehmen konnte, aber inzwischen wurde diese Regel gelockert.
Bei einer Pilotstudie mit ambulanten Psychiatriepatienten, die nach Absolvierung eines MBCT-Kurses in einem örtlichen Achtsamkeitszentrum an dem neun Sitzungen umfassenden MBCL-Programm teilnahmen, berichteten die Teilnehmenden von einer Zunahme an Selbstmitgefühl (13 Prozent) und Achtsamkeit sowie einem Rückgang von Depressionen (Bartels-Velthuis et al., 2016). Eine zweite Pilotstudie (Schuling et al., 2018) mit Teilnehmern mit rezidivierenden Depressionen ergab ebenfalls, dass MBCL das Selbstmitgefühl steigerte (14 Prozent). Frühe Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie (Schuling, 2018; Schuling et al., 2016) zeigen zudem, dass Personen mit rezidivierenden Depressionen, die nach einem MBCT-Kurs am MBCL-Programm teilnahmen, im Vergleich mit einer Gruppe, die die übliche Behandlung erhielt, von einer signifikanten Steigerung des Selbstmitgefühls (15 Prozent), der Achtsamkeit und der Lebensqualität sowie einem Rückgang depressiver Symptome und Grübelei berichteten.