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Compassion Cultivation Training (CCT)
ОглавлениеDas CCT-Programm wurde gemeinsam von Thupten Jinpa, einem führenden tibetischen Gelehrten, und Kollegen an der Stanford University entwickelt. Der Schwerpunkt von CCT liegt auf der Kultivierung omnidirektionalen Mitgefühls. Eine Sitzung des achtwöchigen Programms ist speziell der Kultivierung von Selbstfreundlichkeit gewidmet, und eine weitere Sitzung konzentriert sich auf Selbstmitgefühl. Beim CCT ist die Trainingssequenz wie folgt: Achtsamkeit; liebevolle Güte und Mitgefühl für einen geliebten Menschen; liebevolle Güte und Mitgefühl für sich selbst; die Kultivierung eines Gefühls für die gemeinsame menschliche Daseinserfahrung; Freundlichkeit gegenüber herausfordernden und schwierigen Personen und schließlich aktives Mitgefühl. Mitgefühl für sich selbst ist bei CCT ein Thema, obgleich es hier nicht so im Vordergrund steht wie bei MSC. Umgekehrt ist Mitgefühl für andere ein Thema bei MSC (es gibt sieben Praktiken und Gruppenübungen, mit denen Mitgefühl für andere kultiviert wird), aber es steht weniger im Vordergrund als bei CCT. Das weist darauf hin, dass sich die Programme ergänzen und keines von beiden überflüssig ist.
Bei CCT baut eine Reihe von Meditationen aufeinander auf, was in »aktivem Mitgefühl« oder tibetischer Tonglen-Meditation gipfelt. In der traditionellen Tonglen-Praxis nehmen die Meditierenden das Leiden der anderen mit dem Atem in sich auf, stellen sich vor, wie es sich im eigenen strahlenden Herzen auflöst, und atmen dann Mitgefühl für die Leidenden aus. Tonglen wurde für MSC adaptiert als Meditation des Aussendens und Annehmens von Mitgefühl, bei der Mitgefühl sowohl eingeatmet als auch ausgeatmet wird – »einatmen für mich und ausatmen für dich«. Sowohl die Tonglen-Meditation als auch die Meditation »Aussenden und Annehmen von Mitgefühl« geben den Meditierenden das Gefühl, Leiden und Mitgefühl ein- und auszuatmen, auch wenn die Meditationen unterschiedliche Schwerpunkte haben. Beide Meditationen weichen auch die Vorstellung von einem getrennten Selbst auf und fördern die Erfahrung gemeinsamen Menschseins.
Die Forschung hat die positiven Auswirkungen von CCT belegt. Eine randomisierte kontrollierte Studie (Jazaieri et al., 2013) ergab, dass unter CCT bei den Teilnehmenden (im Vergleich mit einer Wartelistenkontrollgruppe) bestimmte Vorbehalte und Ängste, anderen Mitgefühl entgegenzubringen und von anderen Mitgefühl zu empfangen, abnahmen und auch die Angst vor Selbstmitgefühl zurückging. CCT steigerte auch das Selbstmitgefühl (15 Prozent). Bei der Untersuchung des gleichen Samples fanden Jazaieri und Kollegen (2014) heraus, dass die Teilnahme an CCT im Vergleich zur Kontrollgruppe Achtsamkeit und Glücksempfinden steigerte und Sorgen sowie das Unterdrücken von Gefühlen verringerte. In beiden Analysen stand der Umfang der formellen Meditationspraxis in direktem Bezug zu den Verbesserungen.
Zwei weitere Studien untersuchten dasselbe Sample von CCT-Teilnehmenden. Jazaieri und Kollegen (2016) kontaktierten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen im Laufe des neunwöchigen CCT-Programms zweimal täglich, um festzustellen, wie oft sie gedanklich zu angenehmen, neutralen oder unangenehmen Themen abschweiften, und um fürsorgliches Verhalten zu bewerten, das die Teilnehmenden sich selbst oder anderen entgegenbrachten. Die Ergebnisse zeigten, dass Mitgefühlsmeditation das gedankliche Abschweifen zu neutralen Themen reduzierte und fürsorgliches Verhalten gegenüber sich selbst förderte. Eine Pfadanalyse zeigte außerdem, dass häufigeres Praktizieren der Mitgefühlsmeditation in Relation zu abnehmender gedanklicher Beschäftigung mit unangenehmen Themen und zunehmender gedanklicher Beschäftigung mit angenehmen Themen stand, was beides zu einer Zunahme des fürsorglichen Verhaltens gegenüber sich selbst und anderen führte. Jazaieri und Kollegen (2018) fanden heraus, dass Menschen, die an CCT teilnahmen, auch negative psychische Zustände wie ängstliche Anspannung oder Stress besser akzeptieren konnten und sich im Laufe der Zeit innerlich ruhiger fühlten.
Eine zweite randomisierte kontrollierte CCT-Wartelistenstudie wurde in Chile durchgeführt (Brito-Pons, Campos und Cebolla, 2018). Im Vergleich mit der Wartelistenkontrollgruppe zeigten die CCT-Teilnehmer signifikant verbesserte Ergebnisse in Bezug auf Mitgefühl: Zunahme des Selbstmitgefühls (28 Prozent), der empathischen Fürsorglichkeit, des Mitgefühls für andere und der Identifikation mit der gesamten Menschheit sowie eine Zunahme der Lebenszufriedenheit, des Glücksempfindens, der Achtsamkeit und eine Verringerung von depressiven Symptomen, Stress und persönlichem Leiden. Und schließlich ergab eine CCT-Pilotstudie mit medizinischen Fachkräften (Scarlet, Altmeyer, Knier und Harpin, 2017) signifikante Verbesserungen im Hinblick auf das Selbstmitgefühl der Teilnehmenden (16 Prozent), die Angst vor Mitgefühl, Achtsamkeit und das Ausmaß zwischenmenschlicher Konflikte am Arbeitsplatz. Zusätzlich deuteten die Ergebnisse auf marginal signifikante Verbesserungen der selbst eingeschätzten Zufriedenheit im Job hin. Zusammenfassend legen diese Studien nahe, dass CCT, obwohl in erster Linie auf die Entwicklung von Mitgefühl für andere ausgerichtet, auch das Wohlbefinden der Person steigert, die Mitgefühl praktiziert.