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Kreise vor Kap Hoorn
ОглавлениеZunächst aber steht der raue Ritt gen Süden an, entlang der argentinischen Küste, wo Stürme und rasante Wetterumschwünge zum Alltag gehören. BREAKPOINT bewegt sich in einem losen Konvoi aus Segelyachten, die alle dasselbe unwirtliche Ziel haben. Außerdem kommt mit Walter, Rentner und Stegnachbar von der Trave, ein echter »Salzbuckel« an Bord. Zwei Hände mehr geben ein gutes Gefühl und für Walter geht ein Lebenstraum in Erfüllung.
Dorthin, wo es keine Marinas mehr gibt und keinen Mobilfunkempfang. Wo Retter weit weg sind und Ruhe den Weitgereisten belohnt.
Schon in Hamburg hat Tatjana die Navigation bis hierher geplant, nach Feierabend in der Bibliothek des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie gestöbert und Seite um Seite aus Fachbüchern studiert. Nun bekommen die Namen von einsamen Orten und abgelegenen Buchten endlich scharfe Konturen vor dem tiefblauen Südhimmel, nun ist Ushuaia endlich mehr als nur ein Sehnsuchtsziel. In Puerto Williams, auf der chilenischen Seite des Beagle-Kanals, beantragen sie die Weiterfahrt nach Süden. Dorthin, wo es keine Marinas mehr gibt und keinen Mobilfunkempfang. Wo Retter weit weg sind und Ruhe den Weitgereisten belohnt.
Für Teilnehmer einer Nonstop-Hochseeregatta markiert die Passage des zornigen Zipfels Südamerikas den Weg vom Pazifik in den Atlantik quasi im Vorbeifahren. Die Kap-Hoorn-Rundung eines Fahrtenseglers kommt dagegen meist einer gezielten Expedition gleich. So auch für Tatjana und Tom, die mit Walter und zwei dänischen Seglern an Bord in fünf Tagen von Puerto Williams zur Isla Hornos und zurück segeln. Während Walter mit BREAKPOINT Kreise vor dem legendären Felsen zieht, fährt der Rest der Crew abwechselnd mit dem Beiboot an Land. Ankern ist auf dem zerklüfteten Grund zu gefährlich, die See zu rau. Einen Besuchssteg gibt es am Ende der Welt noch nicht.
Die folgenden Monate zeigen, dass BREAKPOINT nicht ohne Grund eine autarke Aluminiumyacht mit einer sechs Zentimeter dicken Isolierung ist, einen Dieseltank für 1000 Liter und ein ausgeklügeltes Heizsystem hat: Ihren Eignern gefällt die südchilenische Einsamkeit so gut, dass aus den geplanten drei Monaten vor Ort fast ein ganzes Jahr wird. Durchatmen, Ski laufen, einsam ankern, Spanisch lernen. Nur gelegentlich steuern sie Ushuaia an, um die Vorräte aufzufüllen. Erst am Ende des südlichen Winters, im Oktober 2006, brechen sie nach Norden auf und genießen drei Monate lang die eisige Schönheit Patagoniens. Nicht ohne den Risiken des Reviers zu begegnen: Ein unberücksichtigter Winddreher treibt eines Nachts Eisschollen in die Bucht, in der die Reinke ankert. Nur mit der vollen Kraft der Maschine arbeiten sich die Hamburger Meter um Meter aus der Falle heraus.