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Ein letztes großes Abenteuer

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Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Sie erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume. Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen, bis hin zu dem drängenden Verlangen, jetzt gleich und hier alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davonzusegeln. Als Gegenmittel helfen vorübergehend nur das Stöbern in Gebrauchtbootanzeigen und das Verteilen von Kreuzchen auf dem Globus.

Zwölf Reisen deutscher Weltumsegler zeichnet dieses Buch nach, basierend auf zwölf Interviews mit Paaren, Soloseglern und einer Familie. Zwölf Träume, zwölf Entscheidungen des Loslassens, zwölfmal vollkommene Freiheit. Aber auch: Stürme, Kenterungen, Schlafmangel, leere Kassen und Bürokratie.

All diese Weltumsegelungen haben Menschen wie Sie und ich unternommen: keine Profisegler, keine Rekordjäger, keine Superreichen. Keine bärtigen »Salzbuckel«, keine Adrenalinjunkies. Sie alle teilen die Leidenschaft des Langfahrtsegelns, ohne dass sie zwangsläufig am Meer aufgewachsen, geschweige denn von klein auf Segler sind. Und sie alle haben vorgemacht, dass verdammt viel möglich ist, wenn man nur will.

Ähnlich, oft gar identisch, waren ihre Gründe, loszusegeln. Eines der »letzten großen Abenteuer« wollte Lars Winkelmann erleben. Die Welt zu sehen oder einfach mal weg zu sein sind weitere Motive, die regelmäßig auftauchen. Und dennoch hätten die folgenden Reisen und die Voraussetzungen dafür verschiedener kaum sein können. Genau das war der Grund, warum ich sie auswählte.

Von A bis Z durchgeplant und schnell wieder vorbei (zumindest aus Weltumsegler-Perspektive) war die Tour von Birgit und Uwe Strüwing. Sie schlossen sich einer Rallye um den Globus an. Gefühlt endlos ließen sich dagegen Ingrid und Jürgen Mohns über die Weltmeere treiben. An ihre große Runde hängten sie gleich eine zweite dran. Erst nach über zwei Jahrzehnten liefen sie wieder im Heimathafen ein.

Martin Finkbeiner zog als Mittzwanziger los, hungrig nach Abenteuern. Auf die Rente warten? Nein, danke. Auch andere wollten das nicht: Familie Winkelmann zum Beispiel, die sich von der Schulpflicht in Deutschland nicht abschrecken ließ und mit kleinen Kindern aufbrach. Oder Tatjana Hartmann und Thomas Witt: Sie kündigte, sein Chef genehmigte Urlaub, und sie waren fortan nicht mehr gesehen … So hätte die Geschichte zumindest weitergehen können, wäre es nach den beiden Seglern gegangen. Glücklicherweise wurden sie wiedergesehen. Doch die Abgeschiedenheit mancher Ankerplätze, das Fehlen von Zwängen und das langsame Leben an Bord hinterließen den nachhaltigen Gedanken an den ganz großen Ausstieg.

Dr. Michael Leppert ist diesen Schritt längst gegangen. Seine Weltumsegelung mit ärztlicher Mission ist (noch) nicht vollendet, sie wird es vielleicht niemals sein. Der Pazifik hält ihn fest, seit bald einem Jahrzehnt. Zum Geschäftsmodell hingegen hat Wolfgang Weber das Weltumsegeln ausgebaut: Als Gastgeber reiste er auf seiner Yacht um den Globus. Nicht einmal, gleich zweimal. Mit großem Erfolg.

Nicht allen Reisenden war Fortuna so wohlgesonnen. Eine der Weltumsegelungen endete dramatisch, eine andere löste Zweifel aus. Dies sind jedoch die Ausnahmen, der Großteil der Rückkehrer wäre am liebsten gleich wieder losgesegelt. Oder gar nicht erst zurückgekehrt. Gerade die jüngeren Crews wären wohl heute noch unterwegs, hätten leere Bordkassen sie nicht irgendwann in die Heimat geschickt.

Heimliche Hauptdarsteller der Geschichten sind die Segelyachten. Sie wurden zum Zuhause und zu Reisegefährten der Segler. Manche sind klein, alt und aus rostendem Stahl. Andere, wie die SCHÜSSEL von Christine und Herbert Graßhoff, brandneu und nach den Wünschen der Eigner in modernster Machart gebaut. Heinz Solka schweißte die Platten seines ersten Schiffes eigenhändig zusammen, das zweite konstruierte er selbst und spendierte ihm sogar eine Fahrt auf dem Frachtschiff. Renate und Dieter Heller brachen mit einem schmucken Klassiker zur Weltreise auf, einem Schiff mit hohem, pflegeintensivem Holzanteil.

Schließlich unterscheiden sich die Weltumsegelungen dieses Buches durch die gesegelten Routen, den »Fahrplan«. Viele führen entlang der Barfußroute, geschoben vom Passatwind. Doch nicht wenige Segler entfernten sich vom Strom, reisten abseits der Segelhighways: zu den abgelegenen Inseln des Nordpazifiks, auf Flüssen und Kanälen in Europa und Amerika, in den hohen Norden und tiefen Süden dieses Planeten. Zum Mythos Kap Hoorn und weiter.

Sie halten keinen Ratgeber für angehende Blauwassersegler in den Händen. Dennoch konnte ich es nicht lassen, die Weltumsegler um ihre besten Tipps, Tricks, Anekdoten und technischen Angaben zu ihrem Schiff zu bitten. Sie finden sich am Ende jedes Kapitels und vermitteln gemeinsam mit den Kurzporträts einen kompakten Eindruck davon, worauf es bei dem Unterfangen Weltumsegelung ankommt.

Was die Protagonisten der folgenden Seiten wohl erzählen würden, säßen sie alle in einer lockeren Runde versammelt? Vielleicht ginge es um die optimale Ausrüstung, die schönsten Ankerbuchten – oder um die Fragen, die ich ihnen gestellt habe: In welchem Moment war klar, dass ihr um die Welt segeln wollt? Was werdet ihr nie vergessen? Und wie war es, wieder zurückzukehren?

Für einige Stunden laden sie uns zu sich an Bord ein, um noch einmal, zwischen Seekarten und Konservendosen sitzend, zu planen und zu träumen, die Welt achteraus zu lassen und irgendwann wieder anzukommen.

Vielen Dank euch Weltumseglern. Für die Offenheit, mit der ihr über den Törn eures Lebens und den Weg dorthin berichtet habt – in Kajüten, Kaminzimmern, Kneipen oder über eine brüchige Skype-Verbindung. Ein Hoch auf eure Abenteuerlust, dank der zwischen den folgenden Zeilen die Erfahrung aus einer halben Million Meilen und rund 100 Jahren auf See fließt.

Kristina Müller, Hamburg 2017


Freiheit auf Zeit

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