Читать книгу Erwachen - Eine Reise in Corona-Zeiten - Kristine Weitzels - Страница 14

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Kapitel 9

Das Staunen ist der Anfang der Erkenntnis.

Platón


Wieder weiß ich nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Wahrscheinlich gar keine. Trotzdem habe ich ein Bild gemalt. Auch das ist paradox.

»Wenn ich für jedes Paradox hier oben, unten auf der Erde 1.000 qm Grund bekäme, gehört mir bald der ganze Planet!«

Ich schreie diesen Satz.

»Was sind die richtigen Fragen?«

Auch diesen Satz habe ich geschrien.

Hinter meiner Staffelei sehe ich das Meer, das irgendwo in der Ferne in einem milchigen Grau verschwindet.

Was da wohl sein mag, am Ende dieses imaginären Horizonts?

Ich fange an mich einmal um die eigene Achse zu drehen. Dabei mache ich zuerst exakt eine viertel Drehung nach rechts: Ich sehe den Strand, der ebenfalls irgendwo in der Ferne in einem milchigen Grau verschwindet. Ich mache wieder exakt eine viertel Drehung nach rechts: Ich sehe das Strandhaus mit dem Huhn davor und dem Regenwald dahinter, und ich sehe auch die Hängematte zwischen zwei Palmen und das Surfbrett. Ich drehe mich weiter, wieder exakt eine viertel Drehung: Ich sehe erneut den Strand, der in einem milchigen Grau verschwindet. Ich drehe mich noch weiter und sehe wieder das Meer und meine Staffelei. Nur meinen Verstand, den sehe ich nicht, und ich spüre ihn auch nicht.

Sei's drum, denke ich.


Ich lese noch ein Buch und male noch ein Bild, aber die Fragen in meinem Kopf aus Zuckerwatte geben keine Ruhe mehr: Ich bin ich und mein Verstand ist — was? Ist er ein Teil von mir oder ist er doch ein Individuum, so wie ich eins bin? Wenn er ein Individuum ist, warum kann ich ihn dann nicht sehen? Und was meint mein Verstand damit, wenn er von einem kreativen Geist redet?

Ich wünsche mir Antworten auf meine Fragen!

Stelle ich wieder die falschen Fragen?

Vielleicht täte mir ein Spaziergang jetzt ganz gut, und zwar alleine. Am Surfbrett vorbei wandere ich den Strand entlang. Ich gehe und gehe. Die Landschaft verändert sich und bleibt doch immer gleich: Links der Regenwald und die Palmen, rechts das Meer, dazwischen der Strand und ich.

Ob das eine Insel ist und ich irgendwann wieder am Strandhaus ankomme, wenn ich nur immer weiter gehe?

Wenn ich will, dass es eine Insel ist, dann ist es eine. Meine Insel. Aber obwohl ich spüre, dass es noch mehr zu entdecken gibt, will ich nicht gleich alles kennenlernen. Deshalb drehe ich um und gehe den Weg zurück, den ich gekommen bin. Morgen nehme ich den anderen Weg, auch wenn‘s hier oben kein morgen gibt.

Auf dem Rückweg denke ich wieder über meinen Verstand nach: Wenn ich hier oben diejenige bin, die bestimmt wie alles aussieht, ob es Tag oder Nacht, hell oder dunkel ist. Ja wenn ich selbst mein eigenes Aussehen bestimmen kann, dann werde ich wohl verdammt nochmal auch bestimmen können, dass sich mein Verstand materialisiert!

Wieder so ein Paradox.

Wie kann etwas Geistiges zu Materie werden, noch dazu in einer nicht-materiellen Welt?

Es kann, weil ich es will.

Und noch etwas dämmert mir: Wenn mein Verstand von einem kreativen Geist redet, dann redet er von sich selbst — jede Wette!


Es wundert mich nicht, dass jemand auf dem Rand meiner Sonnenliege sitzt, als ich zum Strandhaus zurückkomme. Trotzdem ist mir ein bisschen unwohl dabei. Dieser Jemand kommt mir so vertraut vor, obwohl ich sicher bin, ihn noch nie zuvor gesehen zu haben. Er ist männlich, keine Frage, denn er ist nackt!

Ist er nackt, weil ich vergessen habe, ihn anzuziehen? Was sollen die drei Äpfel in seiner Hand? Sieht er so aus, wie er aussieht, weil ich ihn mir so vorgestellt habe? Wenn ja, wieso erinnere ich mich nicht mehr daran? Und warum sehen seine Füße so normal aus?

Trotzdem weiß ich natürlich, wer er ist. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang. Oder sollte ich sagen, schon meine ganze Existenz lang? Dennoch bin ich mir so gut wie sicher, ihn noch nie gesehen zu haben. Dass man die Stimme von jemandem kennt, muss ja nicht zwingend bedeuten, dass man die dazugehörige Person, oder wie in diesem Fall, dass dazugehörige Wesen kennt. So wie beim deutschen Synchronsprecher von Keanu Reeves.

»Du bist also doch ein Individuum?«

Es ist mehr eine Frage als eine Feststellung. Mein Verstand nickt zustimmend. Trotzdem frage ich: »Bist du der, für den ich dich halte — mein Verstand?«

Wieder nur ein Nicken, wenn auch zögerlich und verhalten.

»Warum bist du nackt? Und warum siehst du so… so…«

Mir fällt das passende Wort nicht ein. Fast hätte ich so lächerlich gesagt, doch zum Glück antwortet mein Verstand, bevor ich es ausspreche.

»Ich sehe so aus, weil du mich irgendwann mal so erschaffen hast.«

Ich unterdrücke mein Lachen.

»Du meinst, ich habe dir das Aussehen einer griechischen Statue gegeben?«

»Genau genommen das einer Römischen, das von Heracles Farnese. Wobei Heracles selbst Grieche war.«

»Aha.«

Wenn mein Verstand jetzt spricht, bewegt er dabei seine Lippen, genauso wie ich es tue. Allerdings fehlt mir jegliche Erinnerung daran, wann oder warum ich ihm ausgerecht ein solches Aussehen gab und deshalb weiß ich auch nicht, was ich erwidern soll. Irgendwie ist das Ganze auch ein wenig peinlich. Nicht nur, dass er nackt ist, er sieht auch noch aus wie ein aus Marmor gemeißelter Bodybuilder mit schulterlangem, lockigem Haar und üppigem Vollbart. In seiner Rechten hält er zudem drei winzige leuchtendrote Äpfel, die er mit seinen Fingern in der Handinnenfläche wie große Murmeln hin und her rollt.

Na ja, denke ich besonders leise, andererseits hätte er auch aussehen können wie Gollum, aus Der Herr der Ringe.

»Danke«, antwortet mein Verstand etwas säuerlich. »Und egal, wie leise du auch denkst — ich kann dich trotzdem hören!«

Meine Moleküle erröten, ich kann es deutlich spüren und so wechsle schnell das Thema.

»Könntest du dein Aussehen ändern?«

»Nein, nur du könntest das. Genauso, wie nur du in der Lage bist, meine Energie sichtbar zu machen.«

»Deine Energie? Also bist du kein Individuum?«

»Doch, aber im Gegensatz zu dir bin ich durch dich entstanden und im Gegensatz zu dir könnte ich ohne dich auch nicht existieren.«

»Das musst du mir erklären.«

»Ganz einfach. Du warst vor mir da. Deine Energie wurde zuerst erschaffen und dann erschufst du mich. Du nährst mich, durch jede deiner Inkarnationen.«

»Und ohne mich könntest du nicht existieren? Wohl aber ich ohne dich?«

Ich spüre deutlich, dass mein Verstand nun wieder zögert. Oder ist es angst, die ich da wahrnehme?

Heracles Farnese schüttelt seinen Kopf und fragt: »Weißt du, was wirklich paradox ist?«

»Sag‘ es mir.«

»Dass du mich hier im Jenseits, in dieser geistigen Welt, sofort und ohne Zögern als deinen Verstand anerkennst!«

»Aber das bist du doch! Du bist die Stimme der Opposition in meinem Kopf. Die Stimme, mit der ich darüber diskutiere, ob wir nach rechts gehen oder nach links. Ob etwas schwarz ist oder noch grau. Du bist der, der alles besser weiß!«

Während ich rede, schüttelt mein Verstand unentwegt sein römisch-griechisches Haupt. Etwas stimmt hier nicht und diesmal ärgere ich mich ganz besonders darüber, meine Gedanken nicht vor ihm verbergen zu können: Einer der Gründe, warum ich meinen Verstand zumindest in meiner letzten Inkarnation immer so sehr schätzte, selbst wenn ich seinen Ratschlägen nur selten folgte und er mich mit seiner gnadenlosen Ehrlichkeit oft zur Weißglut brachte, war eben diese Aufrichtigkeit!

Wenn Heracles Farnese mein Verstand ist, dann hat er mich gerade das erste Mal belogen, denke ich wütend und misstrauisch zugleich.

Mein Gegenüber schüttelt noch immer mit dem Kopf.

»Du hast mich gefragt, ob ich der bin, für den du mich hältst — und du hältst mich für deinen Verstand. Also habe ich nicht gelogen! Ich bin so etwas wie deine Festplatte, die alle Erinnerungen abspeichert, auch wenn du sie vergisst. Ich bin immer für dich da. Ich bin dein Geist! Und als solcher auch sicherlich so was wie dein Verstand, dein Aufpasser, deine Nanny. Einige Menschen bezeichnen mich sogar als Schutzengel. Ich helfe dir beim Analysieren und falls du mich lässt, auch gerne dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber nur hier, tragischerweise nur hier im Jenseits, erkennst du mich sofort und zweifelsohne als deinen Verstand an.«

Während er das sagte, hat er die Äpfel vor sich in den Sand gelegt. Er sammelt sich, bevor er in ruhigerem Ton fortfährt.

»Auf der Erde nennst du mich deine Intuition oder degradierst mich dazu, dein Bauchgefühl zu sein!«

Ich spüre seine Verzweiflung darüber. Anscheinend hat er es mit mir wirklich nicht leicht!

Sprachlos starre ich auf das Meer.

Weil ich immer noch stehe und er auf dem Rand der Liege sitzt, überlege ich, mich neben ihn zu setzen. Auch das bleibt ihm nicht verborgen, denn er rückt ein Stück zur Seite. Eine versöhnliche Geste, wie ich finde.

Sobald ich sitze, schießt mir auch schon die nächste Frage durch den Kopf.

»Aber wenn du dich während meiner Inkarnationen als Intuition bemerkbar machst, wer zum Teufel fungiert dann als mein Verstand?«

Mein Gegenüber lacht, ein wenig kläglich, wie ich finde.

»Auch ein Mensch besitzt einen Intellekt, der sich im Laufe des Lebens entwickelt. Je nachdem, wo dieser Mensch aufwächst, in welcher Kultur er zu Hause ist, welche Bildung er bekommt und welche Lebenserfahrungen ihm begegnen. All diese Dinge werden seinen Intellekt mit der Zeit prägen. Man könnte auch sagen, ein intelligentes Lebewesen aus Fleisch und Blut entwickelt seinen eigenen Geist, so wie du mich entwickelt hast.«

Heracles Farnese seufzt und seine mächtigen Schultern heben und senken sich.

»Doch leider ist es ein ständiger Kampf zwischen dem Intellekt des Menschen, in den du als Seele inkarnierst, und mir. Beide versuchen wir nämlich, dich auf einen bestimmten Weg zu führen. Nur, dass die Richtung meist nicht die gleiche ist. Besonders wenn du in jemandem inkarnierst, der in der westlichen Welt aufwächst und lebt, neigst du meist dazu, mehr auf den menschlichen Intellekt zu hören als auf mich, deine Intuition. Denn auch der Intellekt eines Menschen entwickelt Ziele und Pläne und die müssen nicht immer mit dem übereinstimmen, was du dir als Seele so vorgenommen hast. Egal, wie sorgfältig du bei der Wahl deines Körpers warst. Und dann passiert es, dass du das, was du dir für diese Inkarnation vorgenommen hast, nicht erreichst oder erlebst, weil du dich, genau wie dein menschlicher Wirt, zu sehr von materiellen Dingen leiten lässt. Oder, was noch schlimmer ist, du bleibst in einem Zustand der Trance.«

Irgendwie verstehe ich seine Besorgnis nicht. Immerhin war ich doch in meiner letzten Inkarnation ein ausgesprochener Bauchmensch! Zumindest nachdem ich das Foto und das Buch von RR fand. Dinge die mir als rote Fäden dienten. Seitdem habe ich fast immer auf meine Intuition gehört — und die war, wie sich ja jetzt herausgestellt hat, mein eigentlicher Verstand.

Gerade als ich mich rechtfertigen will, auch um ihn zu fragen, wo er denn war, als ich diese Vernunftehe mit Jean einging, hebt Heracles Farnese beschwichtigend eine Hand. Natürlich hat er schon wieder meine Gedanken gelesen.

»Ja, in deiner letzten Inkarnation warst du, zum Glück, ein ausgesprochener Bauchmensch — sonst säßen wir beide jetzt wahrscheinlich auch nicht hier! Und deine Ehe mit Jean hat dir nicht wirklich geschadet«, antwortet er dann, ein wenig pikiert.


Die Erkenntnis, dass ausgerechnet mein Verstand, während meinen Inkarnationen, die Rolle der Intuition übernimmt, ist wirklich eine Überraschung und ein bisschen habe ich wieder das Gefühl irre zu werden. So als ob meine imaginären, kleinen grauen Zellen gleich einfach PENG machen würden.

Wie kann das sein? Wenn er doch mein Verstand ist, wie kann ich dann verrückt werden?

Wieder ein Paradox. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass da noch mehr ist.

»Kann es sein, dass du auch so etwas wie ein Eigenleben führst?«, will ich wissen.

»Ja — irgendwie schon.«

Die Antwort klang ein wenig gedehnt. Wahrscheinlich sind das jetzt wieder nicht die richtigen Fragen, aber das ist mir egal. Ich muss das jetzt einfach wissen.

»Das bedeutet, du musst mir auch nicht über alles, was du weißt, und das ich vergessen habe, Auskunft geben?«

»Ich bin kein willenloses oder gefühlloses Wesen, falls du das meinst.«

»Demnach hast du auch eigene Bedürfnisse?«

»Ja.«

Ich muss die richtigen Fragen stellen, denke ich.

»Vor allen Dingen dürfen dir meine Antworten und mein Wissen nicht schaden. Deshalb kann ich meine Gedanken auch vor dir verbergen. Zuallererst muss ich nämlich darauf zu achten, dass es dir gut geht und du gesund bleibst. Nicht umsonst werden wir auch gerne Schutzengel genannt.«

So viel dazu, dass Schutzengel immer Flügel haben, schießt es mir durch den Kopf und ich verfluche mich gleichzeitig dafür. Das Letzte was ich jetzt will, ist, ihn verärgern. Trotzdem zielt meine nächste Frage scheinbar wieder genau darauf ab.

»Und natürlich ist dir sehr daran gelegen, dass es mir gut geht und ich gesund bin, weil du ohne mich nicht existieren kannst!«

»So ist das nicht. Aber du hättest durchaus recht, wenn du sagen würdest, dass wir einander brauchen.«

»Allerdings könnte ich auch ohne dich existieren?«

»Nur für eine gewisse Zeit und auf bestimmten Ebenen. Aber das sind wirklich nicht mehr die richtigen Fragen, jedenfalls noch nicht. Ich möchte nämlich nicht, dass du wieder das Gefühl bekommst, als würden deine imaginären kleinen grauen Zellen gleich PENG machen.«

Touché! Ihm kann ich aber auch gar nichts verheimlichen.

Wir schweigen eine Zeit lang und starren hinaus aufs Meer, bis ich anfange ihn verstohlen aus den Augenwinkeln zu mustern.

»Woraus besteht eigentlich deine Energie? Neutrinos, wie bei mir?«, frage ich schließlich.

»Nein, meine Energie ist rein feinstofflich, aber du als Künstlerseele kannst sie natürlich trotzdem sichtbar machen. Meine Erscheinung besteht aus den gleichen Molekülen wie alles andere hier. Auch du verhüllst deine wahre Gestalt in einem Körper aus Molekülen.«

Irgendwie hatte ich mir das schon gedacht.

»Und weil deine Energie nicht aus Neutrinos besteht, hast du auch normale Füße, im Gegensatz zu mir.«

»Ja«, antwortet mein Verstand und ich spüre, dass sich die Situation wieder entspannt.

»In deinen Gedanken lese ich, dass du mich immer noch als deinen Verstand betrachtest. Ich bin aber weder dein Verstand noch deine Intuition, auch wenn du mich, während deiner Inkarnationen, als solche wahrnimmst. Verstand ist eher das, was ein intelligentes stoffliches Lebewesen entwickelt. Du hingegen bist ein intelligentes feinstoffliches Lebewesen, auch wenn deine Energie aus Neutrinos besteht, die genau genommen ebenfalls feste Materie enthalten…«

Mein Verstand macht eine Pause und fast schon glaube ich, er hat den Faden verloren. Dann jedoch sieht mich eindringlich an und fügt hinzu: »Ich habe es vorhin schon einmal gesagt, aber ich glaube, du hast es überhört. Das was eine Seele im Laufe ihrer Existenz entwickelt, ist ihr Geist — und ich bin dein Geist!«


In meinem letzten Leben hatte ich eine Rückführung in Trance in eine meiner früheren Inkarnationen gemacht. Dabei hatte ich auch Kontakt aufgenommen zu etwas, dass der Reinkarnationstherapeut als meinen spirituellen Führer oder mein höheres Selbst bezeichnete.

»Das bist du gewesen«, rufe ich jetzt erstaunt. Ich sehe wie mein Verstand, mein Geist, leicht zusammenzuckt.

»Ja, das war ich.«

»Aber warum sahst du damals aus wie Professor Dumbledore aus den Harry Potter Filmen?«

Mein Geist lacht. Ja er bricht sogar in schallendes Gelächter aus und ich sehe, wie seine kräftige Bauchmuskulatur bebt.

»Weil der menschliche Verstand deines Wirtskörpers sich damals dachte, ich müsse so aussehen!«

Mir wird so einiges klar.

»Und es erklärt auch, warum ich auf all meine Fragen nur Antworten erhielt, die ich intuitiv schon erwartet hatte. Trotzdem war es ein sehr spirituelles Erlebnis, obwohl ich damals mit Spiritualität eigentlich noch nichts am Hut hatte.«

»Es war auf jeden Fall sehr spirituell«, pflichtet mein Geist mir bei. »Und ich hatte mal Gelegenheit, mir deutliches Gehör zu verschaffen! Du warst endlich wieder im Begriff aufzuwachen.«

»Was meinst du damit, ich war endlich wieder im Begriff aufzuwachen?«

Er schüttelt den Kopf und ich ahne es. Bestimmt ist es nicht die richtige Frage. Doch dann fällt mir noch etwas aus der Rückführung ein.

»Warum sind nur wir hier? Ich meine, abgesehen von dem Gecko und dem Huhn. Was ist mit der sogenannten Seelenfamilie, die ich damals gesehen habe?«

»Erinnerst du dich noch daran, wen du gesehen hast?«

»Natürlich und das weißt du auch!«

Mein Geist nickt wieder, aber irgendwie ist er für mich immer noch mein Verstand. Die Bezeichnung Geist hat irgendwie etwas, etwas… erneut fällt mir das passende Wort nicht ein.

»Vielleicht sollten wir damit noch warten«, sagt er. »Nichts geschieht ohne Grund und so gibt es auch einen Grund dafür, dass du hier alleine bist, abgesehen von mir.«

»Und was ist mit dem Huhn und dem Gecko? Sind die etwa nicht real?«

»Sie sind genauso real wie alles andere hier, aber sie sind keine Individuen, nicht so wie du und ich. Sie bestehen, wie der Strand oder das Meer, nur aus Molekülen. Und sie sind hier, weil du diesen Ort nach einer alten Erinnerung gestaltet hast, in die sich ein paar, nennen wir es mal nicht detailgetreue Dekorationen eingeschlichen haben.«

Heracles Farnese grinst und ich weiß plötzlich wieder, woher ich das Huhn und den Gecko kenne!

»Ja, obwohl der Original-Gecko nie in einer Verpackung für Cherry-Tomaten schlief«, sagt er.

Beim letzten Wort berührt er mich sanft mit seinem Daumen an der Stirn. Ich könnte schwören, dass ich seine Berührung nicht bloß gespürt, sondern auch gefühlt habe.

Warum bin ich hier? Warum bin ich überhaupt? Wie bin ich entstanden?

Und dann träume ich wieder weg.

Erwachen - Eine Reise in Corona-Zeiten

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