Читать книгу Sterben mit oder ohne Gott? - Käthy Hess-Widmer - Страница 5
ОглавлениеZu den Erfahrungsberichten
Vor mehr als 30 Jahren durfte ich die ersten schwerkranken Menschen ins Sterben begleiten. Vorab war ein Erlebnis auf meinem Heimweg, das mich tief beeindruckte: Ich war mit dem Auto unterwegs. Vor mir kam ein junger Mann auf seinem Motorrad daher geschleudert. Buchstäblich daher geschleudert kam er und lag danach regungslos auf der Strasse, sein defektes Motorrad ein gutes Stück von ihm entfernt. Ich parkierte am Strassenrand mein Auto und ging zu diesem verletzten Mann. Der Verkehr war nicht sonderlich gross, aber doch so, dass sich andere um die Ambulanz kümmern und den Verkehr regeln konnten.
Ich blieb bei diesem jungen Mann, als gäbe es nur ihn auf dieser Welt. Als ich sah, dass er noch atmete, sprach ich ihm gut zu und blieb ruhig bei ihm, bis die Ambulanz eintraf und ich sah, dass er in guten Händen war. Danach begleitete ich ihn im Gebet. Wochen später suchte mich seine Mutter auf und erzählte mir, dass ihr Sohn auf dem Weg der Besserung sei. Er brauche jetzt viel Geduld und Ausdauer in der Physiotherapie. Aber die Ärzte meinen, alles werde gut kommen.
Dieser Unfall war für mich wegweisend. Da wurde in mir eine Gabe angerührt, die ich so vorher an mir nicht kannte.
Ein halbes Jahr später vernahm ich, dass ein Einführungskurs für Begleitungen schwerkranker und sterbender Menschen ausgeschrieben war. Ich meldete mich, ohne vorher zu überlegen, ob ich dazu die nötige Reife mitbringen werde.
In diesem halben Jahr des Wartens wurde mir klar, dass ich tiefere Wurzeln in den Glauben zu schlagen hatte. Verunsichert wie ich damals war, lebte ich wie viele andere im Helfersyndrom, ohne es zu merken. Die Gefahr, andern zu helfen, um dadurch den eigenen Problemen auszuweichen, kannte ich damals noch nicht wirklich. Bald aber spürte ich, dass es nicht reichte, so oberflächlich und scheinbar zufrieden mit dieser Welt, wie sie sich mir anbot, Menschen ins Sterben zu begleiten.
Es begann für mich eine Zeit des Suchens. Das war anfänglich recht schwierig, denn während dieser Zeit suchte ich am falschen Ort: außen statt innen. Ich las unzählige Bücher zum Thema Sterben, fand darin aber die Antwort nicht, nach der ich mich sehnte und hungerte.
Es war meine Rettung, dass für mich die ersten paar Nachteinsätze in der Klinik sehr herausfordernd waren, denn dadurch wurde mir klar, dass ich an mir zu arbeiten hatte.