Читать книгу Nur dämlich, lustlos und extrem? - Kurt Möller - Страница 17
JUGEND UND POLITIK – EMPIRISCHES WISSEN AUS QUALITATIVEN UNTERSUCHUNGEN POLITIKGESTALTUNG ALS LEBENSGESTALTUNGSCHANCE
ОглавлениеAlles in allem zeigt sich bei der Betrachtung der oben aufgeführten quantitativen Befunde: Politisches Interesse und politisches Engagement hängen stark von den Lebenslagen ab, in denen junge Leute aufwachsen. Insbesondere werden sie offensichtlich beeinflusst von den Lebensgestaltungschancen, die von den Rahmungen und strukturellen Bedingungen jeweiliger Lebenslagen abgesteckt werden und in ihnen wahrgenommen werden können. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn auch Befunde von qualitativen Untersuchungen einbezogen werden, also von Studien, die nicht mit Fragebogenstatements und deren Ankreuzen operieren, sondern auf ausführlichen und im zeitlichen Verlauf der Biografie mehrfach durchgeführten Interviews mit jungen Menschen zu politisch und sozial relevanten Haltungen basieren. Sie sind in der Lage, detaillierter zu entschlüsseln, was die Befragten eigentlich konkret unter Formulierungen wie z. B. »sich umweltbewusst verhalten«, »durch den Islam unterwandert werden« oder »politisch engagiert sein« verstehen, welche eigenen politisch-sozialen Akzente sie innerhalb einer offenen Gesprächsatmosphäre setzen und wie(so) sich hierbei im Laufe der Zeit Stabilisierungen oder Veränderungen der Haltungen einstellen. Weiterführende Erkenntnisse können hierzu aus der letzten über drei Jahre hinweg erfolgten Langzeituntersuchung zu politisch-sozialen Haltungen von Jugendlichen, hier insbesondere zu Pauschalisierenden Ablehnungskonstruktionen (PAKOs) gegenüber Angehörigen als missliebig eingeschätzter Gruppierungen, entnommen werden (Möller u. a. 2016). Demnach sind es bestimmte biografische Erfahrungen und ihre Verarbeitungsweisen, die Weichenstellungen in Richtung auf die Entwicklung entweder un- und antidemokratischer oder demokratiekonformer Orientierungen und Aktivitäten begünstigen. Genauer gesagt handelt es sich dabei zum einen um Bilanzierungen, die die Befragten in Hinsicht auf ihre Lebensgestaltungsmöglichkeiten, genauer: in Hinsicht auf Kontroll-, Integrations-, Sinn- und Sinnlichkeitserfahrungen, vornehmen; zum anderen betreffen sie mentale Abbilder relevanter Sachverhalte und Personengruppierungen, sogenannte erfahrungsstrukturierende Repräsentationen, die bei der Erfahrungsverarbeitung eine Rolle spielen, und ihre persönlichen Möglichkeiten, bestimmte Selbst- und Sozialkompetenzen für die eigene Erfahrungsverarbeitung zur Verfügung zu haben.