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MENTALE VERARBEITUNGEN

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Phänomene wie die genannten existieren für das Subjekt nicht nur in der Außenwelt. Sie werden – ebenso wie Vorstellungen von sich und anderen – auch in bestimmter Art und Weise innerlich abgebildet: Jede*r macht sich ein Bild von ihnen. Diese mentalen Abbilder der Realität oder dessen, was für Realität gehalten wird, haben die Funktion, Wahrnehmungen und Erlebensweisen ikonografisch und figurativ im Erfahrungshaushalt abzulegen, sie dort einordenbar zu machen und für den kommunikativen Austausch über die von ihnen repräsentierten Phänomene zu »präparieren« (vgl. auch Moscovici 1988). Auf sie lässt sich intuitiv und ohne langes Überlegen assoziativ zurückgreifen. Auf leicht zugängliche Weise ist mit ihnen so Komplexität zu reduzieren. Insofern strukturieren diese mentalen Repräsentationen die gemachten Erfahrungen, treffen aber auch Vorentscheidungen zum einen über die Einordnung neu auftretender Eindrücke, zum anderen für das Aufsuchen neuer Erfahrungen. Sie wirken somit selektiv auf potenzielle Deutungen von Wahrgenommenem sowie auf die Wahl von Optionen, die in Handlungs- und Verhaltenshorizonten aufscheinen.

Problematisch, ja unter Umständen demokratiegefährdend werden sie dann, wenn sie komplizierte Sachverhalte nur holzschnittartig nachzeichnen, Schwarz-Weiß-Malerei betreiben, scharf konturierte Freund-Feind-Gegensätze skizzieren, damit auf Ambivalenzen, Nuancen und Differenzierungen verzichten und so Pauschalisierungen Vorschub leisten, die solche Bilder verfestigen und sich gegenüber Veränderungen widerständig zeigen. Tendenzen dazu, mentale Repräsentationen so anzulegen, werden dadurch begünstigt, dass diese gesellschaftlich großräumig vagabundieren, von vielen, insbesondere deutungsmächtigen Gesellschaftsmitgliedern geteilt werden und deshalb zunehmend als »normal« betrachtet werden können. Wo sich z. B. vermeintlich »typische« Vorstellungen von »den Juden«, »den Flüchtlingen« oder »den Muslimen« verbreiten und stabilisieren, wird unvoreingenommenes Urteilen erschwert und stattdessen eine Ordnungspraxis verstärkt und zementiert, die an den schon vorhandenen Deutungsangeboten andockt und im Lebensverlauf neu auftauchende Erfahrungen nach deren Mustern einsortiert. Der Aufenthalt in Filterblasen und Echokammern der sozialen Medien scheint diese Tendenz deutlich zu begünstigen, weil hier die Konfrontation mit dem anderen ausbleibt und immer wieder die gleichen Mentalitätsbestände umgeschlagen werden.

Nur dämlich, lustlos und extrem?

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