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Vorwort
ОглавлениеWer an Tierschützerinnen und Tierrechtler denkt, an menschliche Anwälte und Fürsprecherinnen der Tiere, dem fällt nicht sofort Desmond Tutu ein. Der ehemalige anglikanische Erzbischof von Kapstadt und Friedensnobelpreisträger des Jahres 1984 ist als gewaltloser Kämpfer gegen die Apartheid in Südafrika bekannt, als jemand, der sich seit Jahrzehnten für die Würde des Menschen und für die Menschenrechte einsetzt. Weniger bekannt ist, dass Tutu seit einiger Zeit auch ein Ende der menschlichen Ausbeutung von Tieren fordert, dass er sich auch für die Würde des Tieres und für die Tierrechte engagiert.
Im Vorwort des 2013 veröffentlichten Global Guide to Animal Protection erklärt Desmond Tutu: „Mein ganzes Leben lang schon kämpfe ich gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeit, unabhängig davon, ob es sich bei den Opfern um Schwarze, Frauen, Schwule oder Lesbierinnen handelt. […] Aber es gibt noch weitere Aspekte der Gerechtigkeit, die nicht nur Menschen betreffen, sondern auch die anderen empfindungsfähigen Geschöpfe dieser Erde. Die Probleme des Missbrauchs der nichtmenschlichen Tiere und der Gewalt gegen sie muss uns stärker bewusst werden, auch wenn die Liste der moralischen Anliegen, für die wir kämpfen, schon voll zu sein scheint. […] Ich habe selbst gesehen, wie man Fragen der Gerechtigkeit unbeachtet lässt, wenn die Opfer macht- und wehrlos sind, wenn niemand da ist, der für sie eintritt und wenn ihnen die Möglichkeit fehlt, an eine höhere Autorität zu appellieren. Das ist ganz genau die Situation, in der sich die Tiere befinden.“1
In weiterer Folge kommt Tutu auf das mangelnde Engagement der christlichen Kirchen für Tierschutz und Tierrechte zu sprechen: „Es ist in vielfältiger Weise seltsam, dass meine Mitchristen nicht in der Lage sind zu erkennen, dass es sich bei der Frage, wie wir Tiere behandeln, um eine Angelegenheit des Evangeliums handelt. Denn immerhin sind auch die Tiere Geschöpfe Gottes. […] Es ist eine Art theologischer Schwachsinn zu glauben, dass Gott die gesamte Welt nur für die Menschen gemacht habe oder dass Gott nur an einer Spezies unter den Millionen Lebewesen, die Gottes gute Erde bevölkern, interessiert sei.“2
Das sind harte Worte eines verdienten und berühmten Erzbischofs. Tutus Urteil über die weitgehende Nichtbeachtung der Tiere durch die christlichen Kirchen wird heute von vielen Menschen geteilt. Es gab allerdings auch tierfreundliche Zeiten und Episoden in der Kirchengeschichte. Die Bewegung gegen Tierversuche (Antivivisectionists) und die vegetarische Bewegung im England des 19. Jahrhunderts zum Beispiel waren stark christlich geprägt. Die einflussreichste Tierschutzorganisation dieser Zeit, die Victorian Street Society, hatte ein dreiköpfiges Leitungsteam: Ihr Präsident war Lord Shaftesbury, ein prominenter Vertreter des britischen Evangelikalismus. Einer der Vizepräsidenten war William Thompson, der anglikanische Erzbischof von York, der andere war Kardinal Henry Edward Manning, der katholische Erzbischof von Westminster, London. Über Tierversuche hat Manning wie folgt geurteilt: „Meiner Ansicht nach ist ungewiss, ob die Ergebnisse [von Tierversuchen] überhaupt zu gebrauchen sind. Gewiss ist nur, dass dadurch entsetzliches und unvorstellbares Leid entsteht. Wir haben so starke Argumente dagegen, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie ein zivilisierter Mensch eine solche Praxis durchführen oder deren Fortführung unterstützen kann.“3 Die ethische, medizinische und wissenschaftliche Problematik von Tierexperimenten, die Kardinal Manning im Jahre 1882 anspricht, ist nach wie vor gegeben und hochaktuell, doch würde eine solch deutliche Kritik heute höchstwahrscheinlich keinem katholischen Erzbischof und auch keiner evangelischen Landesbischöfin über die Lippen kommen.
Aber nicht nur in England, auch hier an der Universität in Graz, gab es einen frühen christlichen Anwalt der Tiere: den Vierfachdoktor, katholischen Priester und Professor für Spekulative Dogmatik, Johannes Ude. In seinem Werk Du sollst nicht töten! aus dem Jahre 1948 erklärte Ude: „Das Mitleid mit dem Tier und der damit verbundene Tierschutz ist demnach keine bloße Gefühlsduselei, sondern das Zeichen eines edlen Herzens, das an der wahren Liebe ausgerichtet ist, an jener ewigen Vaterliebe, die Gott zu den Tieren hat. […] Wer also aus Mitleid mit dem Tier und aus Ehrfurcht vor dem Leben, also aus sittlichen Gründen – ganz abgesehen von den großen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorteilen einer richtigen vegetarischen Lebensweise – auf den Fleischgenuss verzichtet, bekundet entschieden eine höhere Auffassung vom Werte des Tierlebens, als [… jene, die] mitschuldig sind, dass Tiere eigens zum Schlachten gezüchtet werden, [die] mitschuldig sind an all den Qualen und Grausamkeiten, die diesen Tieren vor ihrem Tod und im Augenblick des Schlachtens zugefügt werden.“4
Das vorliegende Buch will an diese tierfreundlichen christlichen Traditionen anknüpfen und sie in die heutige Zeit übersetzen. Das ist u. a. deshalb möglich geworden, weil ich in meinem tierethischen Forschen und meinem tierrechtlichen Engagement von zahlreichen Menschen lernen durfte. Zwei von ihnen erwähne ich hier: Charlotte Probst, die unermüdliche Grazer Tierschutzlehrerin der ersten Stunde, und Andrew Linzey, der großartige Oxforder Pionier der christlichen Tierethik. Dank für ihre Unterstützung beim Schreiben dieses Buches schulde ich meiner Frau Cordula und meiner Tochter Sophie sowie Herrn Dr. Berthold Weckmann und Frau Dr. Christine Hober vom Verlag Butzon und Bercker.
Gewidmet sei dieses Buch meiner eigenen Familie in Graz und der Familie Linzey in Oxford.
Graz, im Januar 2016
Kurt Remele