Читать книгу Die Würde des Tieres ist unantastbar - Kurt Remele - Страница 8
Das sechste Artensterben
ОглавлениеIn der Geschichte der Erde gab es bisher fünf große Massensterben, die auf geologische Veränderungen und Naturkatastrophen zurückgingen.22 Bis zu 90 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten starben im Zuge dieser Ereignisse aus. Im Unterschied dazu ist das gegenwärtige sechste Massensterben, das seit dem 17. Jahrhundert im Gange ist, durch menschliches Handeln verursacht und geht weit über natürliche Aussterberaten hinaus: ein Verlust an Biodiversität durch Überfischung der Meere, gnadenloses Abschlachten von Landtieren, Umweltverschmutzung und anthropogenem (vom Menschen verursachten) Klimawandel. Menschen jagen unzählige Tiere und ganze Tierarten zu Tode, sie zerstören riesige (tierische) Lebensräume (Tropen- und Auwälder, Moore und Wiesen), schlachten gefährdete Tierarten aus finanzieller Gier ab oder aus Lust an kulinarischen Spezialitäten („Bushmeat“) und fragwürdigen medizinischen Traditionen (das Horn des Rhinozeros gilt als Heil- und Potenzmittel), beuten die Meere aus, vergiften Nahrungsmittel und betreiben eine Form von industrieller Viehzucht, die den Tieren eine artgerechtes Leben verwehrt, wertvolle Ressourcen verschwendet und den Klimawandel vorantreibt.
Wir wissen nicht genau, wie viele Tier- und Pflanzenarten es auf der Erde gibt. Wir können auch nicht präzise sagen, wie viele davon in jedem Jahr von dieser Erde verschwinden. Die meisten Experten sind der Ansicht, dass zwischen 0,01 und 0,1 Prozent aller Arten im Jahr ausstirbt. Je nachdem, wie hoch man die Zahl der Arten ansetzt, sterben demnach jedes Jahr zwischen 200 und 10.000 Tier- und Pflanzenarten aus. Auch wenn die Bandbreite der Schätzungen groß ist, machen diese deutlich, dass selbst bei der allerniedrigsten Annahme an mindestens jedem zweiten Tag eine Tier- oder Pflanzenart ausstirbt. Hier ein Beispiel jüngeren Datums zur Illustration: Im November 2015 ist im Zoo von San Diego ein Nördliches Breitmaulnashorn, das 41-jährige Weibchen Nola, gestorben.23 Jetzt leben nur noch drei Exemplare dieser Nashorn-Unterart in einem Reservat in Kenia, zwei Nashornkühe und ein Nashornbulle. Aufgrund ihres Alters und wegen Schwierigkeiten bei der Reproduktion ist eine Vermehrung auf natürlichem Wege sehr unwahrscheinlich.
Heutzutage ist Mauritius übrigens nach China der größte Exporteur von Affen, vor allem Langschwanzmakaken.24 In Versuchslabors in den USA und Europa, vor allem in Frankreich, Großbritannien und Deutschland, werden diese für invasive, das heißt mit dem Eindringen von medizinischen Geräten oder Apparaturen in den Körper des Tieres verbundene Tierversuche verwendet. Bei Giftigkeitsprüfungen von Substanzen werden zum Beispiel Chemikalien mit einem Schlauch in den Magen der Affen gepumpt. Für Hirnexperimente werden Elektroden über ein Bohrloch im Schädel in die Affengehirne eingeführt. Durch Flüssigkeitsentzug gefügig gemacht, müssen die Tiere mit angeschraubtem Kopf jeden Tag stundenlang Aufgaben an einem Bildschirm erfüllen. Anfang 2015 war das Max-Planck-Institut in Tübingen in die Schlagzeilen geraten, nachdem Undercover-Fotos aus einem Labor blutverschmierte Tiere mit Implantaten im Kopf zeigten.25