Читать книгу Die Würde des Tieres ist unantastbar - Kurt Remele - Страница 9
2. Ausschluss. Über den traditionellen moralischen Status der Tiere Fragen der Tierethik
ОглавлениеBlicken wir zunächst noch einmal auf den Dodo und auf das, was der Mensch ihm angetan hat. Die meisten heute lebenden Menschen sind zumindest intuitiv davon überzeugt, dass die Abschlachtung und Ausrottung dieses Vogels ein massives moralisches Übel darstellt. Für manche würde es zynisch klingen, wenn jemand die Frage stellte, warum dies eigentlich so sei. Ethisches Nachdenken jedoch bedingt, einer solchen Frage nicht auszuweichen. Darüber zu reflektieren, worin denn im Fall der Ausrottung des Dodo das konkrete moralische Unrecht besteht, kann die scheinbar selbstverständlichen Grundlagen und stillschweigend vorausgesetzten Annahmen aufdecken, die hinter tierethischen Überzeugungen stecken. Traditionell war die Tötung eines Tieres ausschließlich dann verboten, wenn es sich dabei um das Eigentum eines anderen handelte. Wer ein Tier, das einem Mitmenschen gehörte, mutwillig verletzte oder tötete, beging ein Eigentumsdelikt. Diese Begründung zählt beim Dodo nicht: Als die niederländischen Seeleute auf Mauritius landeten, gehörten die Dodos niemandem. Warum also sollte es dann ethisch falsch gewesen sein, sie zu töten? Auch diverse andere Fragen stellen sich: Beginnen die ethischen Probleme erst dann, wenn man erkannt hat, dass eine bestimmte Tierart komplett ausgerottet wurde? Oder vorzugsweise knapp davor, damit man noch etwas gegen das Aussterben tun kann? Bedarf nicht schon die Tötung jedes einzelnen Tieres einer hinreichenden Begründung, unabhängig davon, ob die Art, der es angehört, eines Tages ausstirbt oder nicht? Macht es einen Unterschied, ob ein Matrose einen Dodo aus Vergnügen und Übermut oder aus Ernährungszwecken tötet? Wäre die Tötung eines Dodo ethisch anders zu bewerten, wenn für die Matrosen die Möglichkeit bestanden hätte, sich auf Mauritius ohne das Essen von Tieren, also vegetarisch oder vegan, gut und gesund zu ernähren? Besteht diese Möglichkeit heute nicht für sehr viele Menschen, zumindest in den meisten wohlhabenden Ländern dieser Erde? Was folgt ethisch daraus?
Man könnte auch die Frage stellen, ob die Ausrottung der Dodos vor allem deshalb schlimm war, weil sie – zumindest nach Meinung einiger Forscher – das Ökosystem der Insel aus dem Gleichgewicht brachte, zur drastischen Reduzierung der Calvaria- oder Tambalacoque-Bäume führte und damit auch den Menschen, die zu diesem Zeitpunkt schon auf Mauritius lebten, Schaden zufügte. Wäre die Ausrottung der Dodos weniger bedenklich gewesen, würde der behauptete Zusammenhang zwischen totem Vogel und totem Baum gar nicht existieren, das heißt wenn für andere Lebewesen keine negativen Folgen eingetreten wären?
Tierethik zu betreiben beinhaltet, sich diesen und anderen Fragen zu stellen. An dieser Stelle können solche Fragen jedoch nur erwähnt werden, um die ethische Neugier zu wecken und zu ermutigen, sich eigene Gedanken zu machen. Ethisch verantwortliche und einsehbare Antworten werden sich nach und nach im Laufe der Lektüre dieses Buches erschließen. Das sind jedenfalls die Absicht dieses Buches und die Hoffnung, mit der es geschrieben wurde.