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Olympia und die Deutschen (Ernst Curtius, Friedrich Adler)

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Der größte unter den Helden der griechischen Mythologie ist Herakles, bei einem Seitensprung des Zeus entstanden und deswegen von dessen Gattin mit wenig Mutterliebe bedacht. Herakles besaß übermenschliche Kräfte, verstand aber oft nicht richtig mit diesen zu haushalten. Seine bevorzugte Waffe war eine Keule. Er hatte einen ausgeprägten Hang zum Jähzorn und tötete dann durchaus mal eine Person aus der näheren Verwandtschaft. Heute würde er über ein beachtliches Vorstrafenregister verfügen und hätte vermutlich Probleme mit Tierschutzverbänden, erwürgte er doch schon als kleiner Junge zwei Schlangen, tötete als Erwachsener einen Löwen und das einzige Exemplar eines vielköpfigen Wesens, Hydra genannt. Die Ermordung seines Neffen suchte er mit der Gründung eines großen Festes zu sühnen. Und so richtete er – glaubt man griechischen Sagen – eine sportliche Veranstaltung ein, die noch heute zu den größten Ereignissen in der Welt zählt: die Olympischen Spiele. Deren Gründungsmythos ist leider nicht ganz so eindeutig, wie hier von mir dargestellt; schon im Altertum kursierten diverse weitere Versionen.


Herakles war ein beliebtes Thema in der griechischen Vasenmalerei. Auf diesem Exemplar (die Archäologen sprechen von »attisch-rotfigurig«; 480–460 v. Chr.) kämpft er mit dem Nemeischen Löwen

Jedenfalls gehörten die Olympischen Spiele gemeinsam mit den Nemeen, den Pythien und den Isthmien zu den vier wichtigsten dieser Art Veranstaltung im antiken Griechenland. Die Feste waren deswegen von so großer Bedeutung, weil es einen einheitlichen griechischen Staat damals nicht gab. Daher feierten die zahlreichen Stadtstaaten bei sportlichen Wettkämpfen ihre kulturelle und religiöse Einheit. Die Sieger in den einzelnen Disziplinen wurden genaustens vermerkt – für Olympia lassen sie sich bis in das 8. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen. Vergleichsweise bescheiden war der zu erringende Preis: ein Kranz, geflochten aus den Zweigen eines Olivenbaums. Jedoch maß die jeweilige Geburtsstadt dem Sieg eine solche Bedeutung bei, dass sie den Athleten hoch verehrte – wie berühmte Fußballer heute, hatte er nicht selten für den Rest des Lebens ausgesorgt. Schon in der Antike wurde auch von Manipulation berichtet, Doping war nicht unbekannt.

Die Begeisterung für die heilige Stätte kam verstärkt wieder in der Renaissance auf. Grund dafür war die Hinwendung zum Studium antiker Quellen und damit das Interesse an historischen Orten und deren Überresten. Olympia konnte relativ leicht lokalisiert werden, da zum Beispiel Teile des Zeustempels zu dieser Zeit sichtbar waren. Im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert bereisten englische und französische Wissenschaftler die Stätte und nahmen kleinere, allerdings unsystematische Ausgrabungen vor. Mit der Folge, dass Metopen vom Zeustempel nach Paris in den Louvre verschleppt wurden.

Einen Wendepunkt – nicht nur für die antiken Ruinen von Olympia, sondern für die gesamte Archäologie – stellten die deutschen Ausgrabungen im Zeitraum 1875–1881 dar. Nach zähen Verhandlungen in den Jahren davor hatten sich Griechenland und Deutschland vertraglich darauf geeinigt, dass keines der Fundstücke außer Landes gebracht werden dürfe. Im Prinzip markierte dieser Vertrag den Übergang von Raubgrabungen zur wissenschaftlichen Archäologie. Die durch Olympia gewonnenen Erkenntnisse für die griechische Geschichte des Altertums können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dies betrifft neues Wissen zur Architektur, zur Bildhauerei, zur Keramik, zur Metallverarbeitung und zu vielen weiteren Themenbereichen. Auch die Ansammlung und Ausrichtung der Gebäude sowie deren Verortung und Funktionen erlauben wertvolle Rückschlüsse auf die griechische Gesellschaft der damaligen Zeit und deren Wandel im Laufe der Jahrhunderte. Zeugnis hierfür sind unter anderem der Heratempel, die Schatzhausterrasse und das Philippeion. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass es gelang, das Stadion für die sportlichen Wettkämpfe freizulegen. Die Startschwellen sind gut erhalten, und kaum eine Touristengruppe lässt es sich entgehen, den Innenraum für einen kurzen Sprint zu nutzen, zuweilen unbekleidet wie die alten Griechen und sehr zum Missfallen der Grabungsaufseher.

Zahlreiche antike Quellen sowie Münzen bezeugen eine riesige Zeusstatue, die zu den sieben Weltwundern zählte. Der Name des Künstlers ist mehrfach überliefert: Phidias; er war im 5. Jahrhundert v. Chr. tätig. Tatsächlich fand man bei den Ausgrabungen in der Nähe des Zeustempels winzige Reste bzw. Indizien für die Statue, die laut einer genauen Beschreibung aus Gold und Elfenbein bestand. Zudem konnte man den Grundriss eines Gebäudes freilegen, das in seinen Abmessungen exakt dem Innenraum (cella) des Tempels entsprach, in dem die fertige Statue dann stand. Die Vermutung lag nahe, dass es sich hier um die Werkstatt des Künstlers handelte, in der man die Statue in Teilen anfertigte, um sie dann im unmittelbar benachbarten Tempel zusammenzusetzen. Eine echte Sensation stellte das Auffinden eines Trinkbechers dar, auf dessen Boden eingeritzt war, er gehöre dem Phidias. Allerdings kursieren Gerüchte, dass die Inschrift der Hand eines eifrigen Studenten oder Archäologen entstammen könnte, und es aufgrund der hochkochenden Emotionen besser schien, über den Streich den Mantel des Schweigens zu breiten.

Archäologie. 100 Seiten

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