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Glück gehabt

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Die Lautstärke in dem Raum, in dem sie nun schon seit einer geschlagenen Stunde die Wand anstarrten, war unerträglich. Die Wachen hatten lediglich den Kampfroboter zurückgelassen, der mit einer martialischen Geste seine Zangenarme und Photonenwerfer auf sie richtete. Ein Mucks und sie würden zu Staub zerfallen. Milia Karadra lief der Schweiß in kleinen Bächen über den Rücken hinunter, bald konnte sie so nicht mehr stehen bleiben. Selbst Ber Zerot hatte aufgehört mit den Zähnen zu klappern. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass sein Gesicht eine eingefallene Maske war. Sie hatte Mitleid mit ihm, so etwas hatte der Kleine nicht verdient. Sie hätte besser aufpassen sollen, es war ihre Schuld, dass sie jetzt in dieser Situation waren. Die Tür ging auf. Es war übel nicht zu wissen, wer gekommen war.

Merret Kaparon, der Kommandant der Cor´Talar und sein zweiter Offizier waren eingetreten und starrten missmutig auf die vier Adschirr´arr die mit dem Gesicht zur Wand stumm und steif dastanden. Er gab dem Kampfroboter einen Wink sich zurückzuziehen.

»Umdrehen!«, blökte er lautstark.

Alle vier machten vor Schreck einen Satz. Ber Zerot warf sich auf die Knie, die anderen blieben mit gesenkten Köpfen stehen.

Merret Kaparon starrte erstaunt auf den jungen Mann, der sich vor ihm auf den Boden geworfen hatte und schlotternd seinen Kopf zwischen seine Arme steckte. Nicht, dass ihm das nicht schmeichelte, aber er war nicht zu Begnadigungen aufgelegt. Die Vier hier hatten ihm zu viel Ärger eingebrockt, noch dazu sein Lieblingsleutnant.

»Was haben Sie sich dabei gedacht einen Alutraka einzusetzen und das ohne Genehmigung?«

Milia Karadra schöpfte Hoffnung, da sie der Kommandant wenigstens nach den Gründen fragte, aber sein missmutiges Gesicht ließ sie erzittern.

»Kir, ich übernehme die Verantwortung.« Sie trat vor und stellte sich vor ihre Leute, wobei sie sachte Ber Zerot auf die Beine zog und nach hinten schob. »Meine Untergebenen haben auf meinen Befehl gehandelt.«

Der zweite Offizier warf ihr einen verächtlichen Blick zu, den sie einfach ignorierte. Der Kerl war ein Vollidiot wie er im Buche stand und hatte keinen blassen Schimmer von gar nichts. Merret Kaparon betrachtete sie ungeduldig. »Das habe ich nicht gefragt. Beantworte meine Frage, Mefari.«

Einerseits war sie ein wenig ruhiger durch die offizielle Ansprache, er hatte sie noch nicht degradiert, andererseits machte er sich vielleicht gar nicht mehr die Mühe, bevor er sie hinrichten ließ, wofür standen sie sonst in der kargen Zelle.

»Kir, der Tarante hat eine ähnliche DNS wie die Menschen. Unsere Scanner können sie nicht separieren. Die Alutraka war so programmiert, dass sie sich ohne Rückstände auflöst. Die Menschen können nichts mehr davon finden und wir haben deren Kommunikationsnetz infiltriert. Es gibt keine Aufzeichnungen dazu und die Menschen glauben nicht an Außerirdische.« Sie verbeugte sich tief vor Merret Kaparon.

Der starrte sie an, als wäre sie ein Krakaual. Es dauerte eine Weile, bis er antwortete, offenbar musste er das Gesagte erst einmal verarbeiten. Milia Karadra wunderte sich, dass sie hatte überhaupt sprechen dürfen. Sie konnte nicht sehen, was ihre Leute machten, so tief hatte sie sich gebückt, aber sie konnte sich schon denken, dass der Kleine gleich umkippen würde. Ihre beiden anderen Untergebenen waren aus härterem Material geformt, die erschütterte nicht so schnell etwas und sie vertrauten ihr bedingungslos.

Merret Kaparon fing an vor dem unglückseligen Häuflein hin und her zu laufen. Der zweite Offizier sah ihm überrascht dabei zu. Er hatte schon seine Waffe gezogen, um den Eliminierungsbefehl auszuführen und verstand nicht, was den Kommandanten zurückhielt. Freilich munkelte man, dass er ein besonderes Interesse an dem einzigen weiblichen Leutnant im gesamten adschirranischen Heer hatte. Er musterte die weiblichen Formen der Mefari von Kopf bis Fuß und musste zugeben, dass sie in dieser Menschengestalt schon extrem sexy aussah. Diesen Gedanken fand er erschreckend. Das musste an dem hyperaktiven Hormonsystem der Menschenmänner liegen. Zugegeben die Menschengestalt hatte gegenüber anderen Spezies, die er schon nachgeformt hatte, einige Vorteile, aber das ständige Verlangen sich mit Weibchen oder Männchen zu paaren, lenkte ihn ab. Die halbe Besatzung war hinter diesem Weib her, jedenfalls die, die Menschengestalt hatten und das war etwa die Hälfte. Sie war ja auch das einzige weibliche Wesen in der Nähe, das, obwohl es im Fortpflanzungsalter war, für sie völlig ungefährlich war, weil sie sich in dieser Gestalt nicht vermehren konnte. Das menschliche Hormonsystem tat dann noch ein Übriges, um alle wie lüsterne Idioten herumlaufen zu lassen. Kein Wunder, dass die Menschen noch nicht einmal ihre eigenen Planeten in dem Sternensystem besiedelt hatten. Die waren viel zu viel mit Sex beschäftigt. Milia Karadra erwiderte seinen Blick herablassend. Sie hatte seine Gedanken erraten.

Merret Kaparon beendete sein Hin- und Hergelaufe und räusperte sich.

»Wäre ich weniger großzügig, dann würde ich euch sofort hinrichten lassen. Ihr habt uns eine Menge Probleme bereitet, aber … ich sehe ein, dass unsere Lage … außergewöhnlich … ist und außergewöhnliche Mittel erfordert. Eure Angaben werden überprüft, entsprechen sie der Wahrheit, werdet ihr nicht nach Golgatan geschickt.«

Er sah seinen zweiten Offizier an. »Zweiter, übernimm das.«

»In der Zwischenzeit will ich euch nicht mehr sehen. Ihr geht zurück auf die Erde und bleibt dort bis auf weiteres. Ich will alles über die Menschen wissen, über Gewohnheiten, Gepflogenheiten, Waffen, Geheimdienste und so weiter. Und ihr sucht weiter nach dem Taranten, aber wenn ihr noch einmal so auffallt, dann kann ich nichts mehr für euch tun.«

Milia Karadra war einerseits froh darüber, dass sie noch eine Chance bekamen, aber andererseits wusste sie nicht, wie sie ihre Aufgabe erfüllen sollte, ohne mit den Menschen in Kontakt zu treten. Es war schlichtweg unmöglich. Wenn das eine Falle war, dann wäre es besser, sie würden sie gleich erschießen. Entschlossen trat sie vor und verbeugte sich tief. Hinter ihr hörte sie ihre drei Männer schwer einatmen, aber sie wusste besser was sie jetzt tun musste, als die.

»Kir, darf ich sprechen?« Milia Karadra verharrte in der tiefgebückten Haltung.

Merret Kaparon war kurz vorm ausrasten. Sein Kopf lief puterrot an, aber er beherrschte sich.

»Bitte, es ist wichtig, um Fehler zu vermeiden.« Sie sah ihn von unten her unterwürfig an, so unterwürfig wie sie nur konnte und klimperte ein wenig mit ihren langen, schwarzen Wimpern über ihren samtbraunen riesigen Kinderaugen.

Dem zweiten Offizier kippte die Kinnlade herunter. Untergebene verhielten sich so nicht, es passte nicht in das gängige Verhaltensmuster. Das war unverfroren, unverschämt, ja unduldbar, aber sein Kommandant schien anderer Meinung zu sein.

»Also gut!«, sagte Merret Kaparon bissig, konnte aber nicht widerstehen in diese wunderbaren Augen zu sehen und einen langen Blick in das tiefe, üppige Dekolleté zu werfen. Dafür würde sie irgendwann bezahlen, trotz des atemraubenden Anblicks ihrer Brüste, aber er schuldete ihr etwas und das war unangenehm genug für ihn.

Milia Karadra richtete sich wieder auf. »Vielen Dank, Kir. Wir werden sie nicht enttäuschen. Sollte ein Kontakt mit Menschen notwendig werden, soll ich die Menschen danach eliminieren?«

Der Kommandant blinzelte zweimal irritiert. Mit so einer Frage hatte er nicht gerechnet. Eigentlich ging er davon aus, dass das Team überhaupt nicht mehr mit Menschen in Kontakt treten würde. Hatte dieses Weib denn gar kein Hirn? Er war so verblüfft, dass ihm nicht sofort eine Antwort einfiel. Es herrschte absolute Stille in dem kleinen Raum. Fieberhaft überlegte er, wo die Falle war. Adschirranische Frauen waren schlau und sie hatten immer etwas in der Hinterhand, aber das konnte er keinesfalls genehmigen. Wer weiß, wie viele Menschen sie dann töten musste und das würde bestimmt irgendwann selbst diesen Primitivlingen auffallen. Im Augenblick hatte er genug Probleme. Im Stillen verfluchte er ihre unglückliche Situation. Normalerweise mussten sie auf derlei Befindlichkeiten bei neuentdeckten Welten keine Rücksicht nehmen, aber hier war alles anders. Kein Wunder, dass die Teams, die auf Cor´Karra unterwegs waren, wie die Adschirr´arr die Erde nannten, immer wieder mit Menschen in Konflikt kamen. Sie waren es einfach nicht gewohnt. Wenn er jedes Team standrechtlich erschießen ließ, dann würde er bald ohne Leute dastehen und im Augenblick kam kein Nachschub. Er hatte keine Ahnung warum, aber einige der Materiallieferungen waren auf dem Sprung hierher einfach spurlos verschwunden.

Milia Karadra beobachtete ihn genau und sie wusste, sie hatte gewonnen, auch wenn sie sich das keinesfalls anmerken ließ.

Der Kommandant fixierte sie mit einem hinterhältigen Lächeln. »Also gut, Mefari, musst du Kontakt aufnehmen, dann frage vorher nach. Wir entscheiden von Fall zu Fall.« Er wusste ganz genau, dass ihr das nicht gefallen würde. »Sie starten sofort. Abtreten.«

Milia Karadra verbeugte sich noch einmal schweigend und ging schnurstracks zur Tür hinaus. Ihre drei Untergebenen konnten ihr Glück kaum fassen, aber sie war nicht zufrieden damit. Es würde unglaublich schwierig werden erfolgreich zu sein, wenn sie jedes Mal erst nachfragen musste und das musste sie, wenn sie leben wollte. Sie saß in der Zwickmühle. Ohne Erfolg war man im adschirranischen Heer weniger wert als ein Orret, ein überaus hässliches adschirranisches Schleimtier. Sie wusste genau, dass Merret Kaparon aus seiner Verpflichtung ihr gegenüber herauswollte. Wenn sie nicht aufpasste, dann würde sie ihm bald einen Grund dafür liefern und das wäre ihr Ende.

Der zweite Offizier folgte seinem Kommandanten auf die Kommandobrücke zurück. Eigentlich hatte er erwartet, ja sogar gehofft, dass dieses unduldsame Weib eliminiert werden würde, aber das war nicht geschehen. In letzter Zeit überraschte ihn das Verhalten seines Vorgesetzten. Wurde der Mann schwach oder gab es da etwas, das er nicht wusste oder war diese Menschengestalt schuld daran?

Merret Kaparon jedoch hatte seine Gründe gehabt, die er seinem Untergebenen natürlich nicht mitteilte, wozu auch. Ra Aldaron hätte sofort gewusst, worauf er hinauswollte, aber sein Zweiter Offizier war ein Idiot und dumm wie trockenes Brot. Während des Gesprächs mit Milia Karadra war ihm etwas eingefallen, wie er die Misere, in der sich die Mission befand die er verantworten musste, lösen konnte.

»Hol´ mir Ra Aldaron, Nummer Zwei.« Er setzte sich in den Kommandostuhl, während der zweite Offizier Ra Aldaron auf das Kommandodeck befahl.

Der ließ nicht lange auf sich warten. Seit seiner Degradierung war er ziemlich dienstbeflissen.

»Kir.«

Ra Aldaron verbeugte sich vor Merret Kaparon, etwas, das er früher nicht getan hatte. Dem Kapitän gefiel das durchaus. Er wusste natürlich, dass Ra Aldaron im Augenblick die Hände gebunden waren und genoss sichtlich die Macht, die er über ihn hatte. Der Kapitän der Cor´Talar ließ ihn eine Weile in der Haltung, bis er ihm mit einer kurzen, gönnerhaften Geste erlaubte sich aufzurichten.

»Wie geht es mit den Bauarbeiten voran?«

»Wir sind in Sektor 1 bis 6 über Plan, Kir.«

»Und der Rest?«

»Es ist in Arbeit. Wir haben die nötigen Rohstoffe auf ein paar der anderen Planeten und Monde in diesem Sternensystem entdeckt und einige auf diesem Mond.« Ra Aldaron vermied es zu viel zu sagen. Der Mangel an Nachschub machte ihm schwer zu schaffen, aber er beklagte sich nicht.

Merret Kaparon beobachtete ihn unter halbgeschlossenen Lidern hervor. Der Kerl hier war aalglatt und höllisch gefährlich, aber er war erfolgreich. Immerhin hatten sie mittlerweile ein bequemes Quartier, was gut war, denn er hatte keine Ahnung, wie lange sie in diesem abgelegenen System bleiben mussten. Schließlich hatten sie das Siegelstück immer noch nicht gefunden, was ihm schwer im menschlichen Magen lag, der sich als ziemlich empfindlich gewissen Speisen gegenüber erwiesen hatte. Manchmal vergaß er sogar danach zu suchen. Dieses Sternensystem brachte ihn ganz durcheinander mit seinen unerschlossenen Reichtümern. Hoffentlich entschieden die Juristen auf Ceutuum Primarum bald, dass sie ihre Kaperrechte ausüben durften. Er betrachtete nachdenklich Ra Aldaron.

»Wir brauchen Sklaven. Der Nachschub mit der Ware ist nicht eingetroffen. Unsere Männer werden unruhig. Besorgen sie welche auf dem Planeten. Unauffällig.«

Ra Aldaron glaubte sich verhört zu haben. Wollte der Kommandant ihn auf den Arm nehmen. Sie hatten strickte Order keinen Kontakt mit der Spezies aufzunehmen und sich von der Erde fernzuhalten. Sie taten ohnehin schon viel zu viel.

Merret Kaparon sah zu, wie kleine Schweißperlen über die Schläfen von Ra Aldaron herabtropften. Endlich hatte er den Mann ins Schwitzen gebracht. Genüsslich lehnte er sich zurück und wartete auf eine Antwort.

Ra Aldaron dagegen überlegte fieberhaft, wie er aus der Zwickmühle wieder herauskam. Es war nicht so, dass die Männer unbedingt Sexarbeiter benötigten, aber natürlich war es für die Moral besser, zumal der menschliche Hormonspiegel ziemlich davon abhängig war.

»An wieviel habt ihr gedacht?«

»An so viel wie ihr meint, dass gebraucht werden.« Merret Kaparon hatte wahnsinnigen Spaß daran seinen Ersten Offizier unter Druck zu setzen.

»Kir, aus meiner Sicht ist das derzeit noch nicht nötig. Ich habe Nachschub angefordert.«

Enttäuscht stand Merret Kaparon auf. Schade, dass ihm der Kerl nicht auf den Leim gegangen war.

»Du darfst gehen.«

Ra Aldaron schlich wie ein geprügelter Hund von der Kommandobrücke, aber innerlich kochte er vor Wut.

Ullisten Getrillum

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