Читать книгу Ullisten Getrillum - Lara Elaina Whitman - Страница 13
Überwältigt
ОглавлениеDas Hajastan International war ein mondänes Hotel in der Innenstadt von Ararat. Ararat selber war keine besonders große Stadt, aber sie hatte sich in den letzten Jahren gemausert und die Stadtverwaltung hatte viel in die Renovierung der alten Fassaden gesteckt und neue hypermoderne Glaspaläste in die Lücken gestellt, wo die Erhaltung der Gebäude sich nicht gelohnt hatte. Seit die Beziehungen zur Türkei besser geworden waren, hatte Handel einen gewissen Wohlstand in die Stadt gebracht. Die Öffnung der Grenzen in die Türkei und nach Aserbaidschan tat ihr übriges um dringend benötigte Güter und Devisen in das Land zu bringen und im Gegenzug Gemüse und Getreide zu exportieren, das, bedingt durch die vom Klimawandel verursachten feuchteren Sommer, ausgezeichnet gedieh. Auch das alte, marode und überaus gefährliche Kernkraftwerk in Metsamor war endlich abgeschaltet und demontiert worden. Es war sowieso erstaunlich, dass es so lange gelaufen war, ohne dass es zu einem Super-GAU gekommen war. Freilich war das in erster Linie der weltweit tätigen EGCom zu verdanken, die in den letzten Jahrzehnten Ersatzteile für den maroden Stromerzeuger aus anderen bereits demontierten Anlagen gleichen Typs beschaffen konnte und dem Geschick der Ingenieure vor Ort, das Atomkraftwerk damit reparieren zu können. Nur die Gegend um die ehemalige Anlage herum zeigte erhöhte Strahlenwerte, wobei spöttische Zungen behaupteten, dass das meiste davon aus Fukushima käme, weil die Japaner damit beschäftigt waren ihr Gesicht zu wahren, anstatt die von ihnen angerichtete Sauerei möglichst rasch in den Griff zu bekommen.
Maria Lautner stand schon eine ganze Weile am Fenster in ihrem Hotelzimmer und starrte gedankenversunken auf die Häuserfassaden, die unmittelbar an das Hotel angrenzten. Es hätte sehr viel schief gehen können in den letzten Jahrzehnten. Aber, wenn es anders gekommen wäre, dann wäre sie vielleicht in einem anderen Land zur Welt gekommen und nicht in Armenien, ihre Eltern wären möglicherweise woanders hingegangen und vielleicht noch am Leben. Nein, das war Unsinn, denn Erdbeben gab es auch in anderen Regionen, das hätte auch dort passieren können. Was nützte die Grübelei, das brachte sie nirgendwo hin.
Am Morgen hatte sie gut gefrühstückt, so hatte sie wenigstens etwas von den Annehmlichkeiten genießen können, die das luxuriöse Hotel seinen Gästen bot. Danach hatte sie ausgecheckt und war zurück auf ihr Zimmer gegangen. Natürlich war ihr der Kerl, der ihr auf Schritt und Tritt folgte, aufgefallen. Er passte einfach nicht in dieses Hotel und Maria Lautner hatte ihn sofort als einen der Männer von Christos Gatsos erkannt. Sie erinnerte sich an das grobschlächtige Gesicht mit dem leicht tumben Ausdruck in den Augen. Dass sie ihr so einen hinterhergeschickt hatten war ja fast eine Beleidigung, andererseits konnte sie sich glücklich schätzen, da sie mit einem der anderen Kerle vom "Boss" vermutlich mehr Schwierigkeiten haben würde ihn loszuwerden. Aber, sie würde nicht den Fehler begehen diesen Typen zu unterschätzen. Er war immerhin um ein vielfaches stärker als sie und auch wenn sie mit Sicherheit schlauer war, bei einem Nahkampf würde sie vermutlich den Kürzeren ziehen. Darauf wollte sie es auf keinen Fall ankommen lassen und so hatte sie während des Frühstücks pausenlos darüber nachgedacht, wie sie ihm entkommen konnte, ohne selber dabei verletzt zu werden. Jetzt war sie zurück auf ihrem Zimmer und bereitete alles vor, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Ob Christos Gatsos gedacht hatte, sie würde nicht merken, dass er einen Bewacher auf sie angesetzt hatte. Der Trottel war so laut, den würde sie ja noch ein paar Etagen über ihr hören.
Maria Lautner sah auf die Uhr, es war jetzt zwölf Uhr Mittag. Mit einem letzten Blick nach draußen, ließ sie die Jalousien herunter. Es wurde dunkel im Zimmer, die Jalousien waren bemerkenswert dicht, kein Tageslicht drang von außen durch. Mit einer Handbewegung schaltete sie das Licht ein. Der Bewegungssensor reagierte etwas verzögert, was sie überraschte, da das Hotel durchweg mit teueren Materialien ausgestattet war. Besser sie ging auf die manuelle Steuerung, das war für ihr Vorhaben sicherer. Mit geübten Fingern stellte sie die Lichtanlage auf manuelle Bedienung um. Probeweise betätigte sie mehrmals die Lichtschalter im Flur und im Zimmer. Es funktionierte ohne Probleme. Mehr konnte sie nicht mehr tun, jetzt lag es an ihr es nicht zu verpatzen.
Ihre wenigen Habseligkeiten hatte sie bereits gepackt, aber sie war ziemlich verärgert über das Verhalten ihrer alten Kumpane, obwohl es sie nicht wirklich überrascht hatte, wenn sie eine Weile darüber nachdachte. Aber es machte sie wütend, denn endlich einmal hatte sie die Gelegenheit in einem modernen und eleganten Hotel abzusteigen und dann verpatzten die ihr ihren Aufenthalt hier. Nicht einmal ein Bad hatte sie nehmen können, dabei war die Badewanne wirklich groß und mit einer Massageanlage ausgestattet. Sehnsüchtig warf sie noch einmal einen Blick in das geräumige Badezimmer, spielte kurz mit dem Gedanken, vielleicht doch noch schnell hineinzuspringen, ließ es aber dann sein. Das war das Risiko nicht wert. Kritisch sah sie sich um, aber sie hatte nichts liegen lassen und auch ihre Fingerabdrücke entfernt. Rasch entsicherte sie ihre Waffe, stellte ihre Tasche neben die Eingangstüre und schaltete das Licht im Zimmer aus. Sie wartete bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dann öffnete sie leise die Tür. Wie sie erwartet hatte, wurde sie zurückgestoßen. Sie tat so, als wäre sie überrascht und stolperte rückwärts zurück in das Zimmer. Ihr Bewacher schob sich mit einem hämischen Grinsen herein, schloss die Tür und versuchte das Licht einzuschalten, begriff aber sofort, dass der Bewegungssensor ausgeschaltet war. Mit unterdrücktem Fluchen tastete er nach den Lichtschaltern, fand sie aber nicht. Maria Lautner war darauf gefasst gewesen und nutzte den Moment aus den Kerl zu erledigen. Sie schaltete das Licht im Zimmer ein und schoss fast gleichzeitig. Mit ungläubigem Blick griff der Mann sich an den Hals, in dem der gut gezielte Betäubungspfeil steckte. Langsam sank er zu Boden. Maria Lautner sicherte ihre Waffe, stieg über den am Boden liegenden Mann hinweg und steckte ihre Betäubungspistole in die Tasche zurück, aus der sie eine Rolle Klebeband und Kabelbinder herausholte, mit denen sie den Bewusstlosen gekonnt fesselte. Ein Stück des Klebebandes klebte sie über seinen Mund. Sorgsam achtete sie darauf, dass er genug Luft bekam, denn sie wollte nicht daran schuld sein, dass er erstickte. Das Licht im Zimmer knipste sie wieder aus und lehnte die Tür nur an, als sie es verließ. So konnte er sich bemerkbar machen, sobald er wieder wach war, aber das würde erst in ein paar Stunden so weit sein. Das verschaffte ihr hoffentlich genug Zeit, aber der Vorsprung war trotzdem nicht besonders groß, um ihre Spuren zu verwischen. Außerdem musste sie sich ein Versteck in der Nähe suchen, damit sie das Peilsignal des Senders nicht verlor, den sie Ramirez Estar an den Mantel geklebt hatte. Sie konnte es zwar wiederfinden, sollte sie es verlieren, aber es war mühsam, denn dazu musste sie sich bei den Mobilfunkgesellschaften aufschalten und die Gefahr entdeckt zu werden stieg damit erheblich. Es war in jedem Fall besser in der Nähe der Zielperson zu bleiben und den Kontakt nicht zu verlieren.
Mit raschen Schritten eilte sie den Flur hinunter zum Treppenhaus, das in die Tiefgarage führte, wo ihr Wagen stand. Wenige Minuten später fuhr sie aus der Tiefgarage und folgte dem Peilsignal, das sie hinaus zur Zementfabrik führte. Sie wunderte sich, dass der "Boss" nicht mehr Leute auf sie abgestellt hatte, aber es war nirgendwo etwas von ihnen zu sehen. Vielleicht sollte sie die Nachrichten einschalten, oder sich irgendwo eine der gedruckten Zeitungen kaufen. An einem Kiosk hielt sie an und kaufte den Ararat Boten, eine der seriöseren Zeitungen, die in dieser Gegend verlegt wurden. Glücklicherweise gab es hier noch Zeitungen aus Papier, wenn auch horrend teuer, aber sie musste keinen Download dafür durchführen. Sofort fiel ihr Blick auf die Schlagzeile des Tages und die eingestürzte Fabrikhalle. Hastig überflog sie die Zeilen. Wow, da hatte Ramirez Estar aber ganz schön Wirbel gemacht. Jetzt kannte sie den Grund, warum der "Boss" nur einen Mann auf sie angesetzt hatte, aber trotzdem musste sie vorsichtig sein. Er hatte genug Handlanger in der Stadt, die sie vielleicht noch aus alten Tagen kannten. Sie reihte sich in den Verkehr ein und schlug den Weg Richtung Norden, aus dem Stadtzentrum hinaus ein. Es war noch hell, als sie die Gegend erreichte, in der die Zementfabrik lag. Im Hintergrund konnte sie die dunstigen Hänge des 2162 Meter hohen Mount Kotuts erkennen, die jetzt von einer feinen Schicht weißen Schnees bedeckt waren. Der Berg war Teil der Gegham Bergkette, die sich in Höhen bis auf über 3500 Meter aufschwang und meistens die kalten Winde von Norden abhielt, aber heute leider nicht. Das Wetter wurde zunehmend schlechter, grauweiße Schleier fegten in dem eisigen Wind über die brach liegenden Felder und gaben ihnen einen tristen Anstrich. Sie hüllten die Zementfabrik ein und nahmen ihr die Sicht auf das Gelände. Maria Lautner fröstelte und drehte die Heizung in dem Dacia Solitär auf. Zumindest die funktionierte in dem alten Schrotthaufen.
Besorgt betrachtete sie die zunehmend schlechte Wettersituation. Bald würde es dunkel werden und die Straßen vereisen. Mit diesem alten Auto wollte sie da lieber nicht unterwegs sein. Im Winter konnte es verdammt kalt werden in Armenien. Auf der Landstraße waren nur wenige Autos unterwegs, deshalb fiel ihr der schwarze VAN in der Ferne sofort auf.
Der Fahrer des Wagens verhielt sich seltsam, fuhr langsam und blieb oft stehen. Das war mit Sicherheit einer der Leute vom "Boss", denen wollte sie nicht begegnen. Offenbar hatten sie die Spur von Ramirez Estar bereits gefunden. Maria Lautner konnte deutlich den blinkenden Punkt auf ihrem Monitor erkennen, der den Standort des Senders an seinem Mantel anzeigte. Demnach befand sich Ramirez Estar direkt auf dem Fabrikgelände. Offenbar hatte er sich dort versteckt, wie auch immer ihm das gelungen war, aber geschickt war der Mann ja, das traute sie ihm zu. Der VAN kam näher. Besser sie verschwand aus der Gegend, auch wenn es das für sie komplizierter machte. Rasch wendete sie ihr Auto und fuhr zurück zur Schnellstraße.