Читать книгу Ullisten Getrillum - Lara Elaina Whitman - Страница 9
Fehlverhalten
ОглавлениеDie Alutraka war nicht erfolgreich gewesen. Leutnant Milia Karadra und ihre drei Untergebenen beobachteten aus dem Sternenjäger heraus das Chaos, das die Lichtbombe angerichtet hatte. Der Cor´hsarr schwebte in etwa fünfzig Metern Höhe über Jerewan, gut geschützt vor neugierigen Blicken durch die Tarnvorrichtung. Ber Zerot, der Gefreite und Jüngste im Explorerteam der Adschirr´arr, war kreideweiß um die Nase und schlotterte am ganzen Körper. Seine Zähne schlugen in einem schnellen Rhythmus aufeinander, bis Var Celdor, der als Copilot neben Milia Karadra saß, sich umdrehte und ihm die Kinnlade nach oben drückte. Das Klappern erstarb.
Leutnant Karadra lehnte sich entnervt im Pilotensessel zurück.
»Beim Kalender der Zeiten, das gibt es doch nicht«, fluchte sie lautstark.
Sent Progoton und Var Celdor starrten verwirrt auf die Menge. Irgendwo musste der Tarante doch sein, die Drohnen hatten eindeutig gezeigt, dass er sich hier aufhielt. Wieder und wieder scannten sie das Gebiet, zogen dabei ihre Schleifen immer enger. Unter ihnen herrschte unbeschreibliches Durcheinander. Menschen saßen auf dem Boden, Kinder schrien durcheinander und Uniformierte rieben sich die Augen und versuchten halbblind Befehle zu erteilen, die natürlich niemand befolgte. Diejenigen, die noch genügend sehen konnten, flüchteten in alle Richtungen, was es für die Adschirr´arr erheblich schwieriger machte.
Sie waren nur fünf Minuten nachdem die Alutraka explodiert war eingetroffen, viel zu wenig Zeit für den Taranten von hier zu verschwinden. Leutnant Karadra wagte es nicht, weitere Drohnen auszusetzen. Die Menschen schenkten dem Luftraum über der Stelle, an der die Lichtbombe explodiert war, zu viel Beachtung.
Endlich kam Leutnant Karadra zu dem richtigen Schluss. »Der Kerl hat Hilfe gehabt! Aber wie ist das möglich? Haben wir etwas übersehen?«
Ihre drei Untergebenen blickten sie ratlos an, Verzweiflung schlich sich in ihre Augen. Wenn ihr Leutnant nicht mehr weiterwusste, dann bedeutete das nur eines: Golgatan oder den Tod!
»Mefari?« Sent Progoton nutzte die offizielle adschirranische Bezeichnung für den Leutnant sonst nie, aber es erschien ihm im Angesicht ihres baldigen Ablebens als angemessen.
Milia Karadra drehte sich überrascht zu ihm um. Es war ihr noch gar nicht bewusstgeworden, dass sich ihre Drei zutiefst fürchteten. »Oh Mann, adschirranische Männer sind solche Memmen, kein bisschen Mumm in den Knochen«, dachte sie ein wenig angewidert, das sagte sie aber natürlich nicht.
»Soll ich euch jetzt auch mit euren offiziellen Titeln anreden, Ikarr und Pothon? Wartet doch erst einmal ab, bevor ihr euch aufgebt. Wir kriegen das schon wieder hin.«
Es sollte beruhigend klingen, aber dafür hatte sie einen zu scharfen Tonfall angeschlagen. Natürlich war sie auch nervös, da sie im Augenblick auch keine Lösung hatte. Vielleicht half ihren Männern das militärische Gerüst aus Befehl und Gehorsam ihre Angst zu besiegen und wieder klar denken zu können, also zwang sie sich dazu die offiziellen Bezeichnungen für die Drei ebenfalls zu benutzen, auch wenn sie das für völlig überflüssig hielt. Die irdischen Bezeichnungen fand sie viel hübscher, Gefreiter, Feldwebel, Leutnant. Das klang in ihren Ohren freundlicher und erinnerte sie nicht immer an ihre eigenen Vorgesetzten, die meistens gemein und ungerecht mit ihr umgesprungen waren.
»Also gut, Pothon Zerot, wie gut funktioniert deine Phage, die du in das menschliche Kommunikationsnetz eingeschleust hast?
Ber Zerot sprang sofort auf und salutierte. Zum Glück war das Cockpit des Cor´hsarr hoch genug, so dass er nicht gegen die Decke stieß.
»Sehr gut, Mefari.« Er setzte sich wieder hin.
Trotz des Ernstes ihrer Lage war Milia Karadra kurz davor in schallendes Gelächter auszubrechen. Der Kleine sah einfach zu süß aus. Merkwürdigerweise entspannte das die Lage ein wenig. Das würde sie vermutlich nie verstehen, aber die adschirranischen Männer brauchten eben etwas wo sie sich festhalten konnten und sei es nur militärisches Gehabe. Ob die Menschenmänner auch so waren? Die Natali waren nicht so, das wusste sie aus eigener Erfahrung, da waren die Frauen die ängstlichen, meistens jedenfalls.
»Nun gut, dann dürften die Menschen von unserer Technologie nicht viel mitbekommen haben. Pothon, kontrolliere das menschliche Kommunikationsnetz. Wenn du noch Spuren findest, eliminiere sie.« Den Kleinen hatte sie jetzt beschäftigt, der konnte keinen Blödsinn mehr anstellen, wozu die Angst ihn vielleicht verführen würde. Jetzt zu ihren anderen Beiden, aber bevor sie dazu kam Sent Progoton und Var Celdor ebenfalls Aufgaben zu erteilen, ging ein Ruf ein. Es war der zweite Offizier des Kommandanten der Cor´Talar, der mit eisiger Miene den Befehl erteilte, sich sofort auf der Kommandobrücke zurückzumelden.
Milia Karadra verbarg ihre Besorgnis. Sie brauchte ihren Kopf, um klar zu denken und sich einen Plan zurechtzulegen, der sie aus diesem Dilemma herausbrachte, in dem sie steckten. Verängstigte Untergebene waren da nur hinderlich. Es war ja nicht das erste Malheur, das ihr passierte. Sie wendete den Cor´hsarr und zog ihn steil nach oben. Es war besser sich zu beeilen, sonst würden sie noch wegen Befehlsverweigerung standrechtlich und ohne Aburteilung hingerichtet werden, was böse Konsequenzen für ihre Familien haben konnte und nicht nur für sie selber.
Fünfzehn Minuten später dockte sie an der zugewiesenen Landebrücke an. Der neue Quartiermeister hatte ganze Arbeit geleistet und mittlerweile eine gewaltige Anlage in den Gebirgsstock aus Anorthositgestein auf der, der Erde abgewandten Seite des Mondes getrieben, ganz in der Nähe des Nordpols, in einem Krater wo die Sonne das ganze Jahr nicht hin schien. Über ihnen glitzerte das Band der Milchstraße, ein wunderbarer Anblick. Eines musste sie diesem Ra Aldaron lassen, er war als Quartiermeister ausgezeichnet. Er hatte die spärlichen Ressourcen hervorragend genutzt, um die wichtigen Anlagen zuerst zu errichten, bis der Nachschub gesichert war. Vielleicht war es für ihr Team und für sie selber gut, dass er zurzeit degradiert war. Sie hatte gehört, dass er kein Versagen duldete und sich nur wegen des Kommandanten zurückhielt, der ihn auf den Tod nicht ausstehen konnte. Merret Kaparon war zwar ein ziemlicher Choleriker, aber dadurch auch berechenbarer, zumindest für sie. Möglicherweise lag das aber auch daran, dass sie ihn vor ihrer Cousine bewahrt hatte, die unbedingt für ihren Nachwuchs seine Gene nutzen wollte, warum auch immer. So einflussreich war der Mann nicht innerhalb der adschirranischen Gesellschaft, aber ihre Cousine war auch nicht die Intelligenteste. Gut, Merret Kaparon war ziemlich reich, vielleicht hatte sie auch nur sein Vermögen gesehen, das dann natürlich auf ihre Familie übergehen würde. Geld macht bekanntlich sexy, sogar einen Merret Kaparon, der weit davon entfernt war zumindest einigermaßen ansehnlich auszusehen, egal welche Spezies er gerade verkörperte.
Sie fuhr alle Systeme herunter und öffnete die Schleuse des Kampfjägers. Ihre Untergebenen hinter sich, betrat sie die Landebrücke. Erstaunt und ein wenig erleichtert sah sie sich um, aber es war niemand da. Eigentlich hatte sie ein paar Kampfroboter erwartet oder zumindest eine Abteilung der Wache, die sie in Gewahrsam nehmen würden, aber nichts dergleichen war zu sehen. Sie warf einen raschen Blick auf ihre drei Teammitglieder, die völlig unverblümt einen ziemlich verblüfften Gesichtsausdruck zur Schau trugen.
»Kommt, wir gehen auf die Brücke und melden uns zurück. Mal sehen was passiert ist. Vielleicht haben wir Glück.«
Mit gemischten Gefühlen ging sie festen Schrittes die Landebrücke entlang, die kilometerweit in den Felsen des Gebirgsmassivs gesprengt worden war und suchte einen Transporter, der sie auf die Kommandobrücke bringen konnte. Sie hörte die zögerlichen, leichten Schritte von Ber Zerot, die klackenden Geräusche der Absätze von Sent Progoton und das Schlurfen von Var Celdor hinter sich, ansonsten drang nur verhaltener Baulärm zu ihnen herauf. Das war ebenso seltsam, wie der Umstand, dass sie nicht verhaftet worden waren.
Das Explorerteam war auf der oberen Eben gelandet, die ihnen der Flugdienst zugewiesen hatte und so hatten die vier Adschirr´arr einen guten Überblick über die gewaltigen Bauroboter unter sich, die sich unaufhörlich in die Tiefe der Mondoberfläche fraßen. Auf der der Erde abgewandten Seite war die feste Kruste des Trabanten erheblich dicker, was ihren Bauarbeiten natürlich entgegenkam, so konnten sie sich kilometertief eingraben. Milia Karadra drehte sich einmal um ihre Achse, um die bereits errichteten Bauwerke zu begutachten. Es gab zehn Ebenen, die an der Steilwand eines mehrere hundert Meter hohen Felsrückens, einige hundert Meter tief in den Mondboden hineingebaut worden waren. Nur die Oberste hatte eine durchsichtige Kuppel, die den Blick nach draußen frei gab. Die Erde war nicht zu sehen und das würde auch so bleiben, stattdessen blickten sie auf das sternenübersäte Band der Milchstraße. Dieser seltsame Mond hatte eine gebundene Rotation und zeigte immer mit der gleichen Seite auf seinen Mutterplaneten. Milia Karadra glaubte, dass sie das nicht vor der Entdeckung schützen würde. Die meisten der Offiziere waren der Meinung, dass die Menschen nur bessere Primaten waren, wie die Menschen ihre weniger intelligenten Verwandten nannten, die sie sich in Zoos hielten, aber sie hatte genug von der irdischen Technologie gesehen, um zu wissen, dass die Menschen sie durchaus aufspüren könnten, wenn sie von ihnen wüssten. Außerdem war das Gewusel aus Satelliten, die die Menschen in die Umlaufbahn ihres Trabanten gebracht hatten und die mickrige Raumstation im Orbit, die sie als Transitstation nutzten, um auf dem Mond zu landen, nicht zu übersehen. Aber hier war Milia Karadra an dem Punkt ihrer Überlegung angelangt, der ihr wirklich gefährlich werden konnte. Die Menschen konnten sie finden und durch ihre offenen Aktionen wäre sie daran schuld gewesen. Dabei war die Order klar und deutlich, sie durften im Augenblick keinen Kontakt aufnehmen, weil irgendeiner in der Liga Einspruch erhoben hatte, wer genau wusste sie nicht. Eine komplizierte und ungewohnte Situation, vor allem für die Adschirr´arr, die diese Welt für sich beanspruchten und mit ihren Kaperbriefen normalerweise in den ersten Jahren tun und lassen konnten was sie wollten. Sie hatte bis zu einem gewissen Grad diese Order missachtet, das wusste sie, aber war das Kultobjekt der Shirag zu finden nicht ihre oberste Aufgabe?
Endlich entdeckte sie eine Transportkapsel. Sie gab dem System einen Wink und es schwebte dienstbeflissen heran. Die Kapsel bestand aus einer Kabine für Personal und einem Ladebereich für Fracht. Zum Glück bot sie genug Platz für alle und es musste keiner in den Frachtraum. Milia Karadra gab dem Bordsystem den Befehl sie auf die Kommandoebene zu bringen. Ihr Befehl war klar gewesen, sie sollten sich beim Kommandanten Merret Kaparon melden und dem kam sie nach.
Die Transportkapsel schwebte die Landebrücke entlang und glitt plötzlich übergangslos in die Tiefe. Milia Karadra hob sich der Magen in die Höhe und sie dachte schon er würde ihr zum Hals herausspringen, als die Kapsel unvermittelt abbremste und vor einem großen Tor hielt. Menschenkörper waren wirklich empfindlich, das war ein großer Nachteil.
»Bitte aussteigen«, teilte ihnen das Bordsystem mit, mehr nicht.
Die Vier sahen sich verblüfft an. Offenbar war das Transportsystem eines der Dinge, das wichtigeren Gebäudeteilen zum Opfer gefallen war. Hoffentlich mussten sie nicht zu weit laufen. Seufzend stiegen sie aus und sahen zu, wie die Transportkapsel davon schwebte.
Das Tor entpuppte sich als ziemlich große Schleuse, durch die locker ein Metafaru, ein Zehnmanntransporter, gepasst hätte. Nachdem sich Leutnant Karadra ausgewiesen hatte, öffnete sich die zweite Schleusenkammer. Ein ohrenbetäubender Lärm schlug ihnen entgegen. Hier waren offenbar die Bauarbeiten in vollem Gange.
Sie kamen nicht weit. Die Wache erwartete sie schon.
Milia Karadra war ein wenig pikiert. Die Wache bestand nur aus zwei rangniedrigen Offizieren und einem Kampfroboter. Offenbar waren sie für die so unwichtig, dass die sich nicht einmal die Mühe gemacht hatten sie am Sternenjäger abzuholen. Sie fesselten sie nicht einmal, sondern nahmen ihnen nur ihre Waffen ab, dann schoben sie sie vor sich her zum nächsten Transporter, dieses Mal in den Frachtraum. Der Flug dauerte zum Glück nicht lange, denn der Frachtraum hatte keine Trägheitsdämpfer, was ihnen viele blaue Flecken bescherte. Nach einigen Schleusen, die sie wieder zu Fuß passieren mussten, standen sie auf der Kommandoebene und wurden in einen leeren Raum gestoßen, in dem es nicht einmal Stühle gab. Der wachhabende Offizier der Kommandoebene befahl ihnen sich mit dem Gesicht zur Wand aufzustellen und zu warten.
Die vier Adschirr´arr starrten mit ängstlichen Augen die Wand an und wagten es nicht einmal mehr zu atmen. War das ihre Hinrichtung?