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Prolog

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Alles in mir brannte. Jeder einzelne Muskel, jede Faser meines Körpers stand in Flammen, während ich durch die eiskalte Nacht lief. Ich hörte meinen eigenen Atem, schnell und flach, und konnte nur daran denken, dass er mich verraten würde. Kein einziges Mal wagte ich es, mich umzudrehen. Zu groß war meine Angst, dass ich meinem Verfolger direkt in die dunklen Augen sehen würde. Ich wusste nicht, wohin ich rannte, oder vor wem ich floh. Mein Körper wurde nur noch von einem einzigen Gedanken beherrscht: Aus dieser Hölle zu kommen, bevor mir etwas passieren konnte.

Das Adrenalin schoss durch meinen Körper, meine Beine zitterten mit jedem weiteren Schritt, den sie zwischen mich und meinen Verfolger brachten. Mein Atem wurde immer hektischer, so wie auch mein Herzschlag. Wenn ich nicht auf der Stelle einen sicheren Ort finden würde, würde ich sterben, davon war ich überzeugt. Ich wusste nur nicht so genau, wer mich umbringen würde: der Mann hinter mir oder meine eigene Erschöpfung.

Dennoch verdrängte ich diesen Gedanken so gut es irgendwie ging und gab mir Mühe, an gar nichts mehr zu denken. Als ich aus den Augenwinkeln etwas bemerkte, wurde ich langsamer. Ich konnte nicht immer geradeaus laufen, dann würde ich ganz sicher eingeholt werden. Ich musste diesen Mann hinter mir irgendwie abschütteln, also schlitterte ich in eine dunkle Seitengasse, ohne zu wissen, wo sie hinführen würde. Für einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, den heißen Atem meines Verfolgers im Nacken zu spüren, aber bevor ich darüber nachdenken konnte, rannte ich schon weiter. Bei jeder Kreuzung, die ich sah, wechselte ich meine Richtung, immer in der Hoffnung, nicht aus Versehen umzudrehen und dem Mann direkt in die Arme zu laufen.

Ich lief und lief, bis ich irgendwann unsanft gegen eine Mauer prellte. Hektisch sah ich mich um und zur Mauer hinauf. Sie war zu groß, um über sie zu klettern. Links und rechts von mir versperrten mir die Wände der kleinen, heruntergekommenen Häuser den Weg. Kein Fenster, keine Tür war zu sehen, nur einige Müllhaufen, die einen widerlichen Gestank verbreiteten. Ich war in eine Sackgasse gelaufen. Panisch drehte ich mich um, um wieder zurück zur Straße zu rennen, aber diesen Gedanken verwarf ich sofort wieder. Mein Verfolger war mir schon viel zu nahe, ich würde es nicht mehr schaffen, den ganzen Weg zurückzulaufen, ohne mich von ihm erwischen zu lassen. Also kletterte ich so schnell wie möglich über die stinkenden Müllhaufen, um mich zwischen ihnen zu verstecken.

Ich duckte mich zwischen einen leeren Benzinkanister und einen alten Pappkarton voll Knochen. Am besten dachte ich gar nicht erst darüber nach, wo die herkamen. Ich machte mich so klein wie möglich und spähte ans Ende der Gasse. Beinahe schrie ich auf, als ich direkt in leuchtend gelbe Augen sah, presste mir jedoch gerade eben noch die Hand vor den Mund, bevor ich bemerkte, dass es nur eine streunende Katze war. Ein Wunder, dass sie hier draußen so lange überlebt hatte.

Erleichterung machte sich in mir breit, als die Katze wenigstens nicht fauchend auf mich aufmerksam machte, sondern sich stattdessen nur neben den Benzinkanister setzte und mich langsam anblinzelte. Meine Erleichterung verschwand jedoch sofort wieder, als ich am Ende der Gasse Schritte hören konnte. Er hatte mich eingeholt. Er würde mich finden und dann würde er… Ich wollte es mir nicht einmal vorstellen. Immer noch zitternd hielt ich den Atem an, war mir jedoch sicher, dass mein lauter Herzschlag mich verraten würde. Für einen Moment konnte ich die Silhouette des Mannes erkennen. Er war an der Kreuzung stehen geblieben und schien sich zu orientieren. Er sah beinahe so aus, als ob er nach jemandem riechen würde. Nach mir.

Mein Herz setzte einen Schlag aus, als er sich in meine Richtung drehte. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber die Art, wie er sich bewegte, hatte etwas Raubtierhaftes an sich. Ich spürte, wie mir Tränen der Angst in die Augen stiegen und drückte meine Hand immer fester auf meinen Mund, um ein Wimmern zu unterdrücken. Er würde mich finden. Langsam lief er in meine Richtung. Leichtfüßig, elegant, fast schon wie ein Tänzer. Er kam mir immer näher und meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Nur noch ein paar Schritte und er würde direkt neben mir stehen. Doch es kam anders.

Als der Mann an der streunenden Katze vorbeilief, sprang diese auf der Stelle fauchend auf und rannte an ihm vorbei in Richtung Straße. Es sah beinahe so aus, als wolle auch sie vor ihm fliehen, aber bevor ich sehen konnte, was geschah, war mein Verfolger schon verschwunden. Es war, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Ich wollte schon erleichtert aufatmen, bis ich plötzlich einen markerschütternden Schrei von der Straße hörte. Keinen menschlichen Schrei. Den Schrei eines Tieres in Todesangst. Ich spähte durch den Müll zur Straße und sah nur noch, wie der Mann etwas achtlos in die Ecke schleuderte und daraufhin verschwand.

Ich fragte mich, wie es sein konnte, dass er so schnell dort hingekommen war, aber diese Frage war gerade zweitrangig. Was auch immer mit der streunenden Katze geschehen war, sie hatte mir wohl mein Leben gerettet. Einige Minuten harrte ich noch in der schmalen Gasse zwischen den Müllhaufen aus, bis ich mir sicher war, dass mein Verfolger nicht mehr zurückkommen würde. Meine Gelenke schmerzten, als ich endlich wieder aufstand, doch ich gönnte mir keine Pause. Ich rannte nur wieder los, um so schnell wie möglich von diesem Ort wegzukommen. Ich wollte nach Hause.

Melya

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