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8.

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er bist du?“

Ich schrak auf. Hob das Kinn von der Brust hoch. Simon saß mir immer noch gegenüber und wiederholte seine Frage: „Wer bist du? Ein Mönch bist du auf jeden Fall nicht. Es sei denn, der heilige Franz von Assisi wollte, dass jeder seiner Bettelmönche Meister im Schwertkampf ist.“

Stöhnend streckte ich mich. Ich musste tatsächlich für einige Momente eingenickt sein. Wir hatten das Ufer des Pestlands beinahe erreicht. Charon sah grinsend auf mich herab und senkte den Stab wieder in den Fluss. Das Licht einer fahlen Mittagssonne tänzelte auf dem Wasser.

„In der Tat, ein Mönch bin ich nicht. Weder habe ich das Gelübde abgelegt, noch bin ich besonders keusch oder gottesfürchtig“, sagte ich. Mein Blick war gebannt vom Schimmern der Lichtflecken.

Dabei solltest du es sein, Lucien. Gottesfürchtigkeit ist das Letzte, was dir im Angesicht der Hölle noch bleibt.

Baphomet schmetterte die Worte durch meine Gedanken. Mir schien es, als würden die Lichtreflexionen auf der Ruhr eine Veränderung durchlaufen. So kurz, dass es kaum wahrnehmbar war, formierten sich die Lichtpunkte zu einem Pentagramm, brennend und hell.

Blinzelnd starrte ich auf das Wasser.

„He, was ist los?“ Simon tippte mich an. Ich zuckte zusammen. Alessio erschrak und kläffte mich an, die Zähne gebleckt, die Augen funkelnd. Seine Nackenhaare sträubten sich.

„Der kriegt sich ja gar nicht mehr ein!“, keuchte ich. Bei einer Treibjagd mit den Höflingen meines Vaters – Gott, wie viele Jahrzehnte seitdem vergangen waren – hatte mich einer der Hunde in die Wade gebissen. Seitdem begegnete ich diesen Tieren mit Vorsicht.

Simon kraulte den Hund hinter den Ohren und er beruhigte sich wieder, besah mich aber weiterhin mit Zerberusaugen. Nur ein Brackenhund, dachte ich mir. Noch bin ich nicht so weit, dass ich mich sogar vor so einer Töle fürchte.

„Normalerweise ist er nicht so nervös“, beteuerte Simon.

„Muss das Land sein“, schaltete sich Charon ein. „Bekommt niemandem gut. Die Tiere merken das. Riechen den Tod.“

Wir blickten noch kurz auf den Hund, der sich wieder einrollte, dann erhob ich die Stimme. „Wo war ich stehengeblieben?“

„Du hast aufgezählt, was dich alles von einem Mönch unterscheidet“, sagte Simon.

„Gut. Diese Aufzählung ließe sich unendlich fortsetzen.“ Ich wog ab, wie viel Wahrheit ich dem Jungen offenbaren durfte. Wie viel ich ihm zumuten sollte und – ja, durfte. Denn es war auch mein Wissen, weswegen mich Pietro di Tremante jagte.

„Sagt dir der Templerorden etwas, Junge?“

„Mein Großvater hat einmal davon gesprochen. Sie sollen Häretiker gewesen sein. Sodomiten. Der französische König und der Papst glaubten, sie würden bei ihren Zeremonien aufs Kreuz spucken und ihren Oberen auf den Hintern küssen. Und irgendeinen Götzen sollen sie verehrt haben. Einen Dämonen. Baphilamot oder so.“

„Baphomet“, verbesserte ich mit trockenem Mund.

Ich weiß, wie schwer dir mein Name von den Lippen kommt. Warum denn, Lucien? Waaarum denn? NEMON TSE NEMO! Nomen Est Omen!

„Vieles davon waren bloße Gerüchte“, erklärte ich. „Nur einige Umstände entsprechen der Wirklichkeit. Ich muss es wissen – denn ich war einstmals ein Templer.“

„Was?“

„Nur ein Novize. Damals ungefähr in deinem Alter. Ich war der Zweitgeborene. Mein Vater, der Comte de Courogny, hatte ein Priesteramt für mich vorgesehen. Doch ich hatte mich dafür entschieden, den Templern beizutreten. Ruhm und Ehre zu erlangen durch den Schutz der Pilger und der Verteidigung der heiligen Stätten.“ Ich nahm einen Apfel aus meinem Beutel und biss hinein.

„Die Templer wurden doch 1307 allesamt verhaftet. Von einer Nacht auf die andere. Eine groß angelegte Aktion. Was ist mit dir passiert?“

„Richtig. Sie wurden verhaftet und fünf Jahre später wurde der Orden aufgelöst. Die Templer sind Philipp IV. zu einflussreich geworden. Papst Clemens V. hat sie am Ende verraten. Jacques de Molay und viele andere sind als Ketzer verbrannt worden, die Bulle Vox in excelso hat den Untergang der Templer besiegelt und ihre Güter wurden in die Hände der Johanniter übergeben. Warum ich noch lebe und nicht …“

„Ich unterbreche euer Gespräch nur ungern“, lachte Charon, „aber wir haben das Ufer erreicht!“

Alessio knurrte erneut und sprang vom Boot auf den Steg, wo er wachsam umherstreunte. Ich nahm mehrere Schilling aus meinem Beutel und drückte sie Charon in die stoffumwickelten Hände. „Nimm sie. Danke für alles.“

Er zwinkerte mir zu. „Ich habe eurem Gespräch gelauscht, muss ich gesteh’n. Muss mich verbessern: So wie’s klingt, ist das Pestland nicht viel gefährlicher für dich als der Rest der Welt.“

„Ich weiß deine Aufmunterung zu schätzen.“

Ich schwang mir mein Bündel um die Schulter und stieg aus der Fähre. Alessio setzte sich zu meinen Füßen und sah zu mir auf, die Ohren noch immer angelegt und die Zähne gefletscht.

„Was ist jetzt?“ Simon stand noch im Boot und blickte mich auffordernd an. „Warum hast du überlebt? Warum bist du nicht eingesperrt worden?“

Auch Charon lehnte die Arme neugierig auf seinen Fährstab.

Ich seufzte, trat vom einen Fuß auf den anderen. „Was glaubt ihr? Denkt ihr nicht, ein so mächtiger Bund wie die Templer wusste von der bevorstehenden Verhaftung?“

„Nun, sie hatten sicher Spione und Ähnliches.“ Simon zuckte mit den Schultern.

„Und sie wussten es auch. Sie hatten eine kleine Schar Auserwählter erkoren, die in einem Heuwagen versteckt aus Paris fliehen sollte. Die Gruppe, geleitet von Pierre D’Aumont, sollte nach Schottland gelangen und dort den Orden im Verborgenen weiterführen, damit sie irgendwann Vergeltung üben können.

Ich war einer dieser Auserwählten. Aber in dem Irrglauben, Macht und Reichtum erlangen zu können, verriet ich mein Wissen über den Fluchtversuch an die Getreuen des Königs. Was ich forderte, waren zweihundert Goldflorin und dieses Schwert hier.“ Ich klopfte gegen die Scheide.

„Die Männer des Königs ließen sich so leicht erpressen?“ Charon stutzte.

„Natürlich nicht. Nachdem der Heuwagen an der Porte Babette aufgehalten worden und die Verhaftung durchgeführt worden war, überreichten sie mir zwar im Tempel Schwert und Geld, aber nur, um mich dort zu töten. Es war eine Falle. Das einzige, was ich retten konnte, waren das Schwert und mein Leben. Aber viel wert ist dieses Leben nicht mehr. Seit diesem Tag bin ich ein Gejagter der Kirche.“

„Ich verstehe immer noch nicht.“ Simon lief auf der Fähre auf und ab. Das Schifflein schwankte bedenklich unter jedem seiner Schritte. „Nur, weil du das Schwert besitzt und von dem Fluchtversuch weißt, lässt dich der Papst seit über vierzig Jahren verfolgen?“

Ich verschlang den letzten Bissen meines Apfels und schmiss seine Überreste in die Ruhr. „Ich bin ein Symbol der Macht der Templer. Solange ich lebe, existieren sie weiter.“ Die wahren Gründe verschwieg ich. Das Wissen um sie würde Charon und Simon selbst in Gefahr bringen.

Das ist es noch nicht einmal, Lucien, das ist es noch nicht einmal. Du traust dich nicht, es in Worte zu fassen. Du fürchtest, sie könnten dir die Lippen versengen. LAERGNAS! SANGREAL!

Glücklicherweise gaben sich der Fährmann und der Junge mit meiner Erklärung zufrieden. Simon verabschiedete sich von Charon und sprang auf den Steg.

„Vollenden wir das Werk meines Großvaters.“ Seine Augen leuchteten. Ich nickte. „Und sehen wir zu, dass wir so wenig Zeit wie möglich hier verbringen.“

Wir verließen den Steg und drehten uns noch einmal zum Fluss um. Die Fähre hatte abgelegt und glitt davon. Charon nahm eine Hand von seinem Fährstab und winkte uns zu.

„Gott steh’ euch bei!“, rief er. „Gott steh’ euch bei!“

Sein dritter Ausruf verlor sich irgendwo auf der Ruhr, wurde zermalmt von den Wassern und fortgetragen von der Strömung.

Alessio bellte und Simon sah beklommen zu mir herauf.

Nun waren wir allein.

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