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2.

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asser! Bringt dem Mann Wasser!“

Das wächserne Gesicht des Minderbruders ruhte über mir. Seine vor Schweiß glänzende Stirn lag in Sorgenfalten, während er mir mit einem Tuch die Wangen abtupfte.

Meine Haut brannte wie ölbestrichenes Pergament, das man ins Feuer geworfen hatte. Jedes rasselnde Luftholen zog meine Lungen zusammen. Aber all diese Schmerzen waren nichts im Vergleich zu dem qualvollen Pochen der Schwellungen an meinem Hals und meinen Leisten.

Jetzt hat der Schwarze Tod dich geholt, bevor ich es tun konnte, erscholl ein Lachen. Spürst du schon, wie die Beulen kurz davor sind, aufzuplatzen, lieber Lucien?

„Sei still!“, schrie ich und hämmerte meine Faust auf das notdürftige Lager aus Stroh und Decken. „Sei endlich still!“

Ich musste hier fort. Ich musste weg. Sie würden mich finden – die Häscher des Papstes. Und was noch viel furchterregender war: Der Dämon würde mich finden!

Mit erstaunlicher Kraft umfasste der Minderbruder meine Unterarme und tätschelte mir dann die Wange. Im flackernden Kerzenlicht lagen seine Augen im Schatten und sein Blick war nicht zu deuten.

„Er spricht bereits im Wahn! Gott im Himmel – wo bleibt das Wasser?“

Ein schlaksiger Novize eilte mit einem Krug herbei und reichte ihn dem Minderbruder.

„Na endlich“, brummte dieser und riss das Gefäß aus der Hand des Jungen. Er goß das Wasser in eine Schüssel und gab weitere Anweisungen: „Kümmere dich um das Mädchen in der hinteren Reihe. Sie hat äußerst starkes Fieber. Und leg neue Gewürze in die Fackeln – wenn du gerade dabei bist, kannst du auch beten, dass sie tatsächlich etwas gegen das Miasma nützen.“

Ich sah dem Novizen nach, der eifrig davonlief. Unter meinen flackernden Lidern schien das Klostergewölbe wie eine der Folterkammern der Hölle, bewohnt von Schatten und Dämonen. Das Stöhnen und Röcheln der Kranken waberte zusammen mit dem Gestank nach Fäulnis, Schweiß und Kot zwischen den trutzigen Säulen umher.

Tripf-Tropf. Tripf-Tropf. Lucien kann etwas trinken, wurde das Crescendo der Kranken erneut übertönt. Nur wird es ihm nichts nützen, denn er ist ein Verräter!

Ich krallte meine Finger in die Wolldecke unter mir, die durchtränkt war vom Eiter und Blut jener, die bereits auf ihr gestorben waren.

Der Mönch führte die Schüssel an meinen Mund.

„Ich bin kein Verräter!“, murmelte ich.

Das Fieber loderte in mir auf und mit ihm die Erinnerung an Scheiterhaufen. Die Bilder meiner Schande – schrille Schreie fegten durch meine Ohren. Die Rufe der Menge, die raue Stimme des Urteilverkünders, das Prasseln der Flammen. Die Verurteilten, die aneinandergekettet und in zerrissenen Leinengewändern auf dem Podium standen.

Der Mönch legte mir einen Finger auf die spröden Lippen.

„Ruhig, mein Sohn, ruhig. Ich bin sicher, du bist kein Verräter. Trink – es wird dir gut tun!“ Er hob meinen Kopf an und hielt mir die Schüssel an den Mund.

Da liegt er falsch, der alte Narr, raunte die Stimme. Du bist ein Verräter! Fühlst du sie? Apluc!? Culpa!? Die Schuld!? Du warst es, Lucien! Du hast es getan, Sohn des Judas Ischariot!

Ich warf mich hin und her, schüttelte den Kopf. Beinahe fiel die Schüssel aus der Hand des Minderbruders. Wasser schwappte über ihren Rand und tropfte auf meine schwarzfleckige Brust.

„Ich bin Lucien de Courogny!“, beschwor ich den Mönch. Er musste mir helfen. Er war ein Diener Gottes – er musste mich verstehen; mich gehen lassen. Ich konnte nicht bleiben, auch wenn die Pest mich umklammert hielt. Durch sie den Tod zu finden erschien mir immer noch besser als durch die Hand meines Verfolgers.

„Ich muss hier weg, aus Duisburg hinaus!“, flehte ich. „Sie verfolgen mich! Er verfolgt mich! Die Häscher des Papstes – und er!“

Der Minderbruder starrte mich aus seinen stahlgrauen Augen an. „Du sprichst im Wahn, mein Sohn! Wer immer du auch bist, mit diesen merkwürdigen Dingen, die du bei dir trägst, niemand verfolgt dich. Denkst du nicht, das hätten wir nicht schon längst …“

Ich konnte seinen Worten nicht weiter lauschen. Ein Krampf zuckte durch meine Glieder. Schmerz zerriss mich von innen heraus. Mein Körper bäumte sich auf. Ich schloss die Augen. Schrie.

In der Schwärze hinter meinen Lidern sah ich ihn vor mir: den gehörnten Ziegenkopf. Das leuchtende Pentagramm auf der struppigen Stirn. Der Sichelmond, der über seiner ausgebreiteten Hand tänzelte.

Verräter holen die Dämonen selbst in die Hölle!

Baphomet starrte mich aus seinen glimmenden Opalaugen geradewegs an. Er musste ganz nah sein.

Die Krämpfe lösten sich. Mein Körper erschlaffte.

„Pater noster, qui es in caelis …“ Der Minderbruder führte erneut die Schüssel an meine Lippen und ich nahm einen gierigen Schluck. Das Wasser schien bereits in meinem Mund zu verdunsten. Jedoch löste das Bild Baphomets ein solches Frösteln in mir aus, dass es selbst die Fieberglut kurzzeitig abkühlte. Ich musste die Gelegenheit nutzen. Meine verbliebene Kraft gebrauchen.

Ich musste fliehen.

Als der Mönch die Schüssel wegnahm, stürzte ich mich auf ihn. Völlig überrascht zeigte er kaum Gegenwehr.

Ich zog ihn am Hals zu mir herunter und rammte ihm das Knie in die Magengrube. Unter einem erstickten Aufschrei sackte er neben mir zusammen.

Mit flatternden Händen packte ich meine Habseligkeiten und taumelte aus dem Gewölbe.

Ich konnte es schaffen – ich konnte Baphomet entkommen.

Pestland

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