Читать книгу Sind wir nicht alle ein bisschen tri? - Lars Terörde - Страница 12
ОглавлениеDas erste Mal
Mit zittrigen Knien und ungesunden Flecken im Gesicht saß er im Auto und steuerte den Wagen nach Hause. Der Neueinstieg ins Laufen war schmerzhaft gewesen. Wie so vieles, was man noch nie oder zumindest lange nicht mehr gemacht hatte.
Was könnte das Leben doch schön sein, wenn man sich die Premieren sparen könnte, überlegte er. Wenn man alles schon beherrschen würde und sich nicht nachts im Bett voller Unheilserwartungen wälzen müsste. Wenn es nicht für alles ein erstes Mal geben müsste.
Mit neun Jahren hatte er mit atemloser Spannung das Eröffnungsspiel der Fußball-WM 1978 gegen Polen verfolgt. Das Spiel war fad und langweilig, aber es war seine erste Weltmeisterschaft. Trotz seiner jungen Jahre war er sich der Tragweite des Ereignisses bewusst. Für ihn war alles neu und aufregend. Es folgte ein vierwöchiger Rausch aus Sammelbildern und Wandplakaten, in die er akribisch Ergebnisse und Tabellen eintrug – im festen Glauben, dass seine Favoriten zum Schluss auch die letzte Partie des Turniers bestreiten würden. Und dann lernte er seine erste Lektion in Premieren. Sie können unheimlich schmerzlich sein. Seine Welt aus hochgesteckten Erwartungen brach krachend in sich zusammen, als ein Österreicher die deutschen Rumpelfußballer und den Neunjährigen aus allen Träumen riss.
Das erste Fußballspiel, das er selbst bestritt. Unauslöschbar die Erinnerungen an den netten Weltkriegsveteranen am Spielfeldrand, der mit Zigarillo im Mund und tonnenweise Pomade im Haar seine Rasselbande auf die Spiele vorbereitete. Der Geruch der gestärkten Baumwolltrikots, das kalte Wasser der Waschrinnen, die dunklen Umkleidezellen im Vereinshaus des Dorfklubs. Er wollte nicht spielen. Er hatte Angst. Es brauchte viel freundliche Überredungskunst, bis er sich zum Match gegen den übermächtigen Nachbarklub aufs Spielfeld traute.
Die erste Fahrstunde. Auf einem Verkehrsübungsplatz quälte er das Getriebe und den Vater auf dem Beifahrersitz. »Langsam kommen lassen …« Was konnte man nicht alles falsch machen in der verwirrenden Vielfalt von Pedalen, Schalthebeln und dem Lenkrad? Unglaublich, wie schwer das damals war. Kaum zu glauben, dass sein Vater es beherrschte.
Der erste Vollrausch. Da hatte er auch eine Menge verkehrt gemacht. Zehn gefüllte Weingläser auf der Schulgala zu leeren, war eindeutig ein Fehler. Anschließend hatten ihn seine Mitschüler nach Hause tragen müssen. Zwei Tage büßte er für die Selbstüberschätzung.
Aus manchen dieser Fehler lernte er, andere testete er immer wieder neu.
Es gab so viele erste Male, an die er eine starke Erinnerung für den Rest seines Lebens gespeichert hatte. Auf manche hätte er verzichten können. Der erste Liebeskummer und die erste Polizeikontrolle, der erste Abstieg seiner Fortuna und die erste vergeigte Prüfung … Andere Premieren zaubern noch heute ein Lächeln auf seine Lippen. Doch es gibt kaum eine Erinnerung, die stärker ist als die an seinen ersten Triathlon.
Triathlon-Premieren sind meist unwürdige Veranstaltungen. Wochenlanger Aufregung und Beschäftigung mit Bekleidungsfragen folgen anderthalb Stunden Volkstriathlon, bei denen in der Regel so ziemlich alles schiefgeht, was schiefgehen kann. Zu spät am Start, Ärger mit den Kampfrichtern, Panikattacken beim Schwimmen, zeitraubende Wechsel, Ernüchterung auf der Radstrecke, das finale Straucheln mit offenen Schnürsenkeln auf der Laufstrecke.
»Du machst was? Triathlon?« Das damals dreizehnjährige Schwesterherz war verblüfft. »Ich dachte, das gibt es nur auf Hawaii?!?«
So wie sie dachten in den frühen neunziger Jahren viele. Doch sie existierten damals schon: die kleinen Veranstaltungen, bei denen sich mutige Abenteurer unbekannten Herausforderungen stellten. Es gab auch bereits Ligen und Kampfrichter, aber die Teilnahme am modernen Dreikampf war noch ein sehr exklusives Vergnügen.
»Aber sag mal, muss man da nicht so irre lange laufen und vorher 180 Kilometer Rad fahren?« Sie blickte ihren großen Bruder mit einer Mischung aus Sorge und Stolz an.
»Nee, nee. Es gibt auch kürzere Strecken. Ich mache bei einer Volksdistanz mit. Erst mal nur zum Ausprobieren. 500 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren und dann noch eben fünf Kilometer Laufen.« Schwimmen konnte er, ein altes Rennrad stand im Keller, und die paar Meter geradeaus zu laufen, schien ihm keine Zauberei zu sein. Er fühlte sich bereit für einen kleinen Formtest, bevor er schnurstracks in die Weltspitze dieser Sportart vorstoßen würde.
Es waren noch jene Urzeiten, als Wettkampfanmeldungen mit der Post verschickt wurden. Bezahlt wurde mit Verrechnungsschecks. Die Abbuchung auf dem Konto galt als Anmeldebestätigung. Jeden Tag stand der Kenianer am Auszugsdrucker seiner Sparkassen-Filiale und prüfte den Status seiner Meldung. Irgendwann war es so weit. Der Verein hatte sein Geld angenommen, und er durfte starten.
Gänzlich unwissend, aber voller Hoffnung auf eine grandiose Karriere hatte er sich angemeldet. Und so fuhr er an einem schönen Sommertag nach Witten an der Ruhr. Er stand in der Blüte seiner Leistungsfähigkeit. Begleitet wurde er vom heftig pubertierenden Schwesterherz, das sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen wollte. Er hatte Unmengen an Bekleidungsstücken im Gepäck und einen Helm im Calimero-Style mit einem lilafarbenen Textilüberzug, der die Wespen abschrecken sollte.
Doch wie jeder Triathlon-Anfänger machte er sich auch Sorgen. »Was erwartet mich? Werde ich siegen oder mich blamieren? Werde ich untergehen oder stehe ich am Ende des Tages umjubelt auf dem Podium? Wie muss ich wechseln? Wo muss ich mich anmelden? Ist mein Fahrrad gut genug oder werden sie mich auslachen mit meinen Körbchenpedalen? Wie muss ich die Wechselzone präparieren, damit ich ohne Zeitverlust vom Schwimmen aufs Rad wechseln kann? Wie befestige ich die Startnummer, und was ist das überhaupt – eine Startnummer?« Und schließlich auch die Frage aller Fragen: »Schaffe ich das Ganze?«
Sie waren knapp dran. Eine Stunde vor dem Start kurvte er immer noch ums Gelände, um einen Parkplatz direkt neben der Wechselzone zu ergattern. Beim Einspannen des Hinterrades stellten sich die Akademikerkinder so ungeschickt an, dass ein vorbeikommender Athlet sich der Sache erbarmte und ihnen half. Der Kenianer stammelte kleinlaut, dass das gestern doch noch geklappt hätte, »da muss sich irgendwas verhakt haben«, bevor er sich einen schüchternen Dank abrang.
»Wo muss ich jetzt hin?«
»Ins Meldebüro!«
»Wo ist das?« (Und vor allem: Was ist das?)
Es wurde ihm beschrieben, und nach zwanzig quälend langen Minuten in einer zähflüssigen Schlange stand er mit der ersten Startnummer seines Lebens in der Hand vor einem neuen Berg unbeantworteter Fragen.
»Wo muss ich mit dem Fahrrad hin? Wo beginnt das Schwimmen? Wo ist die Toilette? Soll ich Socken anziehen oder lieber barfuß in die Laufschuhe schlüpfen? Warum haben all die anderen Plastikboxen mit geheimnisvollen Inhalten in der Wechselzone dabei? Was mache ich falsch?«
Bei der Eingangskontrolle des Rades monierten die Kampfrichter die fehlenden Stopfen an den Lenkerenden. »Da musst du noch was machen – bei einem Sturz kann sich der Lenker voll in den Oberschenkel bohren. So kommst du hier nicht rein!«
»Wie kleinlich!«, dachte er.
Die Existenz dieser Stopfen hatte er bis dato noch nie bemerkt, wie könnte er sie da vermissen? Außerdem war es noch die Zeit, in der man die Gurtpflicht als staatlichen Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte bewusst missachtete. »Ich bin in meinem ganzen Leben nicht gestürzt und habe es auch heute nicht vor. Wo soll ich 25 Minuten vor dem Start noch diese Dinger herkriegen? Ist das wirklich nötig?«
Ja, das war es. Die unerbittlichen Kampfrichter gaben ihm zumindest noch den Tipp, dass man die guten alten D-Mark-Stücke mit Klebeband auf den Rohrenden fixieren könnte. Mit vor Aufregung zitternden Fingern war es fast ein Ding der Unmöglichkeit, aber mit Hilfe seiner kleinen Schwester gelang ihm die Übung.
Achtzehn Minuten vor dem Start begann er darüber nachzudenken, wie er die Startnummer befestigen sollte. »Beim Radfahren hinten, beim Laufen vorne.« Das hatte ihm die freundliche Dame an der Anmeldung mit auf den Weg gegeben. Wie sollte das denn gehen? Er neidete einigen alten Hasen ihre vorgeknoteten Gummikordeln mit Sicherheitsnadeln.
»In fünf Minuten gehen die Volkstriathleten gesammelt zum Wasserstart!«, hörte er einen Offiziellen rufen.
»Oh, verdammt! Was mache ich jetzt mit der Nummer?« Er wurde zusehends hektischer.
Das Schwesterherz hatte mal wieder den rettenden Einfall: »Ich habe ein weites Shirt dabei. Daran mache ich die Nummer fest, und du kannst beim Wechsel vom Radfahren zum Laufen das Hemd einfach umdrehen. Das wird schon nicht stören, und für mich habe ich noch ein Holzfällerhemd dabei.« Hervorragend. Dreizehnjährige Schwestern waren doch nicht überflüssig.
Dankbar setzte er den Vorschlag um. Und dann ging es auch schon los. Etwa dreißig Teilnehmer wurden über Trampelpfade zu einem besseren Graben neben der Ruhr geführt, um fünfhundert Meter durch das trübe Wasser zu schwimmen. Er fühlte sich wie Störtebeker vor seinem letzten Auftritt. Warum hatte er sich das angetan?
Nach einer Wettkampfbesprechung, der er vor lauter Aufregung gar nicht gefolgt war, ertönte das Startsignal. Im Nachhinein erwies es sich als unklug, fünfhundert Meter Schwimmen mit einem Sprint zu beginnen. Schon nach einer Minute musste er völlig außer Atem den Stil wechseln. Mit wachsender Verzweiflung versuchte er immer wieder zu kraulen. Doch mal war es der störende Kontakt zum Nebenmann, dann der Griff in die Steine am Rand des Kanals und zu guter Letzt die Sauerstoffschuld, die ihn mehrfach anhalten ließen. Plötzlich wusste er, wofür in Schwimmbädern die schwarzen Linien am Boden gut waren. Im dunklen Wasser geradeaus zu schwimmen, war fast unmöglich.
»Sah die Wechselzone nicht vorhin noch ganz anders aus?«, schoss es ihm durch den Kopf, als er es endlich aus dem Wasser herausgeschafft hatte. »Wo um Himmels willen ist mein Fahrrad? Verdammt! Ich habe es doch eilig, warum hilft mir denn keiner?« Er rief nach seinem Stahlross, aber es antwortete nicht. Panisch rannte er durch die Reihen. Erst der helle Schrei der Schwester ließ ihn innehalten. »Du bist gerade dran vorbei! Fünf Meter zurück …« Was für ein Segen, eine kleine Schwester zu haben.
Eine gefühlte Ewigkeit brauchte er, um mit nasser Haut in das Baumwoll-Shirt zu schlüpfen, danach die Socken anzuziehen und zum Schluss die Joggingschuhe zu verschnüren.
»Du hast den Helm vergessen«, rief sie hinter ihm her.
Als das erledigt war, erschallte schon der nächsten Ruf. »Nicht in der Wechselzone fahren!« Ein Kampfrichter ignorierte sein Bestreben, so schnell wie möglich aufs Treppchen zu kommen.
»Was für ein Blödmann!«, dachte der Kenianer. »Merkt der nicht, dass er eine große Karriere im Keim erstickt?«
Endlich durfte er losfahren. Ungelenk und hektisch zwängte er die Laufschuhe in die Körbchenpedale und zog die Lederriemen fest.
Jetzt aber los! Volle Pulle voraus und Tempo machen. Tempo? »Oh, Mist, ich habe den Tacho vergessen!« Er ärgerte sich. Nun würde er zwanzig Kilometer komplett ohne digitale Rückmeldung absolvieren müssen.
Schon bald ging es steil bergauf. »Ach, die Rampe drücke ich auf dem großen Blatt weg«, hatte er auf den ersten Metern der Steigung noch selbstbewusst gedacht. Leider war die Rampe aber keine Rampe, sondern ein langer Anstieg und nichts für schwere Gänge. Mit den Füßen in den Körbchen und der Kette auf dem großen Blatt machte er Stehversuche. Hektisch wühlte er mit den Hebeln am Unterrohr im Getriebe und suchte nach einer kleineren Übersetzung. Doch unter voller Last wollte die Kette nicht so wie er. Gerade rechtzeitig, bevor ihn die Schwerkraft zu Boden warf, konnte er den Fuß aus dem Körbchen befreien. Er stieg ab, hob das Hinterrad und schaltete äußerst plump, indem er die Kurbel mit der Hand drehte. Nicht wirklich eleganter sah es aus, als er am Berg wieder anfuhr.
Nach quälenden Minuten am Limit war er oben angekommen. Er holte Luft und stürzte sich tollkühn in die Abfahrt. Im größten Gang trat er in die Pedale wie beim Ortsschildsprint mit seinen Kumpels und erreichte unvernünftige Geschwindigkeiten auf dem flatterhaften alten Stahlrahmen. Einige hundert Meter voraus weck te ein Teilnehmer seinen Jagdinstinkt. »Dich krieg’ ich noch, Freundchen!«
Wo genau er im Rennen lag, konnte er in dem verwirrenden Durcheinander der Startgruppen gar nicht sagen. Aber wenigstens diesen einen Platz weiter vorne wollte er sich noch erkämpfen.
Irgendwann endete seine wilde Radfahrt, und er kam mit brennenden Beinen in die Wechselzone gestürmt, wo er gleich mehrfach mit den Regelhütern des Triathlons aneinandergeriet. Erst überfuhr er die Markierung zum Absteigen (»Jaja, ist ja schon gut …«), dann riss er sich den Helm zu eilig vom Kopf (»Wie jetzt, erst am Wechselplatz ausziehen? Mann, Mann, Mann, was nehmt ihr es hier genau!«) und schließlich warf er sein Rad einfach auf den Boden und wollte losstürmen. Natürlich wurde er auch auf diesen Fehler hingewiesen. Verzweifelt stellte er sein Rad in den Ständer.
»Startnummer nach vorne!« Ach ja, stimmt. Im Laufen wühlte er die Arme aus dem T-Shirt, drehte es nach vorne und fand Gnade in den Augen der Kampfrichter.
»Was für eine glorreiche Idee«, dachte er und war seiner Schwester für den Einfall sehr dankbar. Weniger schön war aber, dass der Kragen des »Fruit of the Loom«-Shirts voller Abdeckpuder war. Die ersten Schminkversuche der kleinen Schwester hatten etwas von Kriegsbemalung. Sie bescherten ihm einen Wettkampf, den er immer als den Triathlon mit dem Pudergeruch in der Nase in Erinnerung behalten würde.
Er lief los und hatte noch das Tempogefühl fürs Radfahren im Kopf. Viel zu schnell ging er an. Auf den ersten 500 Metern trieb ihn das Adrenalin vorwärts. Zu dieser Zeit glaubte er noch, dass Sport nur dann Sport heißen durfte, wenn es heftig wehtat und er kaum noch Luft zum Atmen hatte. Und er dachte, dass es einen guten Triathleten auszeichnet, diesen Zustand so lange wie möglich zu ertragen. Schon bald kam die Quittung für den ungestümen Beginn auf der Laufstrecke. Atemlos drosselte er das Tempo.
Er hatte keine Ahnung von Kilometerschnitten, Pulswerten und Renneinteilung. »Fünf Kilometer können doch nicht weit sein, da werde ich Gas geben und schwuppdiwupp im Ziel sein.« Hatte er gedacht. Ums Laufen hatte er sich vorher die wenigsten Gedanken gemacht. Warum war es jetzt aber das Schwerste von allem? Er trug auch keine Uhr, wusste nicht, wie lange er schon gelaufen war. Irgendwann passierte er ein Schild mit der Aufschrift »Kilometer 1«. Wie jetzt? Erst ein Kilometer gelaufen? Unmöglich. Bestimmt war das die Markierung für den letzten Kilometer. Dieser Irrglauben trieb ihn hoffnungsvoll weiter. Der Puls hämmerte auf dem Trommelfell.
Allmählich aber dämmerte ihm, dass er sich auf der Laufstrecke immer weiter vom Ziel entfernte. Und tatsächlich: Anstatt ins Ziel zu fallen, musste er bald ernüchtert am Schild »Kilometer 2« vorbeilaufen. Es war noch nicht mal die Hälfte geschafft.
Mechanisch bewegten sich die Beine weiter, während der Geist in anderen Sphären weilte. Er träumte vom Sieg, vom Beginn einer großen Karriere, von Hawaii und Sponsorenverträgen, von Niederlagen und Blamagen, als ihm plötzlich der Gottvater des Triathlons vor die Füße lief. Mark Allen erschien ihm auf dem staubigen Weg. »Gleich kriegen sie mich! Jetzt fange ich auch schon an zu fantasieren!«
Mark Allen war zu jener Zeit der unangefochtene Star der jungen Sportart. Ein Jahrzehnt lang hatte er sie dominiert. Sieben Mal gewann er den Ironman Hawaii. Für den Triathlon damals wie heute die Lichtgestalt.
Wie eine Fata Morgana war er um die Ecke gebogen. Er tauchte hinter einem Busch auf und kam dem Kenianer auf der Laufstrecke entgegen. Mark Allen grinste, hob die Hand zum Gruß und war wieder verschwunden. Auch wenn der Kenianer sicher war, dass er nur einem Trugbild aufgesessen war, traf ihn in diesem Augenblick eine Erkenntnis wie der Blitz: »So gut wie der Typ wirst du nie im Leben! Diese Leichtigkeit, diese Eleganz und dieses Tempo wirst du nie erreichen. Und dabei noch freundlich grinsen, während ich mich hier abquäle. Triathlon ist wohl doch nicht mein Sport.«
Er schleppte sich über die letzten Meter. Ausgepumpt, am Ende seiner Kräfte und ohne wirkliche Hoffnung auf eine vielversprechende Platzierung.
Im Ziel wartete das Schwesterherz voller Ungeduld und Begeisterung auf ihn. Sie war mächtig stolz auf ihren großen Bruder. Sie ahnte nichts von seinen zerstörten Träumen und von den Halluzinationen, die ihn während der letzten Stunde begleitet hatten. Zwar ließ er sich gebührend feiern, doch im Stillen war er ernüchtert. Er hatte sich insgeheim mehr erhofft. Auch die Veranstalter nahmen die Frage nach den Ergebnissen nur achselzuckend entgegen. »Unter den Ersten bist du nicht! Da drüben auf der Tafel stehen die Sieger. Alle anderen kriegen in den nächsten Wochen eine Urkunde zugeschickt.«
Er hatte sich schon abgedreht und wollte zu seinem Fahrrad schleichen, als eine flüchtige Wahrnehmung seine Alarmglocken schrillen ließ. Was war das? Irgendetwas stimmt doch hier nicht, dachte er. Nochmal drehte er sich um und blickte zu den Ergebnistafeln.
Und da stand tatsächlich sein Name auf der Tafel. Mark Allen! Der gute Mann tingelte gerade durch Deutschland und war wirklich am Start gewesen.
Dass er doch nicht halluziniert hatte, war zwar tröstlich, aber es änderte nichts an der niederschmetternden Einschätzung seiner eigenen Leistungsfähigkeit. Im Gegenteil. Er würde sich später nicht einreden können, dass er alles nur geträumt hatte.
Das mit dem Gewinnen würde also nichts werden. Und dennoch: Als er mit müden Beinen im Auto saß – das mühsam auseinandergenommene Rad im Fond und das Schwesterherz auf dem Beifahrersitz –, da stieg aus den tiefsten Fasern seines geschundenen Körpers doch noch Stolz in ihm auf. Immerhin hatte er drei Sportarten hintereinander in buchstäblich atemberaubender Weise hinter sich gebracht. Im Geiste ging er noch mal die Eindrücke des Tages durch, die in der Aufregung nur so an ihm vorbeigerauscht waren. Schwimmen, Radfahren und Laufen. Eigentlich ganz einfach. Aber doch wahnsinnig spannend!