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5 Was die Ritz-D-Nymphe in ihrem
Innersten zusammenhält

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»Startklar?« Ich nickte. »Erstens, den Haken in den Bindestock einspannen!«, sie bestanden beide keineswegs aus Holz, »zweitens, den Kupferdraht einbinden, so lange um den Haken winden, bis ein dichter Körper entsteht!«, immerhin konnten wir uns zugutehalten, ausgemusterte Radiogeräte zu benutzen, Abfall, der entweder auf unseren Haken und an den Mäulern von Forellen, Äschen und Saiblingen landen würde oder in einer Schrottpresse, deren Inbetriebnahme wiederum Strom verschlungen hätte, »drittens, den Kupferdraht abbinden, abschneiden, Pfauenfedersegmente aus dem Kiel reißen und einbinden, herumwinden, bis ein schwungvoller Hinterleib entsteht, jawohl!«, gut, die Schwanzfedern, die das glitzernde Abdomen der Ritz D formten, wurden natürlich toten Tieren entnommen, nachdem sie Ernstls Jägerfreunde aus den umliegenden Wäldern geballert hatten, »viertens, das Pfauengefieder ganz hinten am Hakenbogen abbinden, überstehende Fasern abschneiden und ein kleines Schwänzchen noch hinaufbinden, das simuliert die Beinchen, dafür am besten eine Fieber aus einer Rabenfeder schneiden!«, die ja massenhaft zwischen Unterholz lagen, die eben in den Humusböden steckten, umgeben von fichtengenadelten Fußabdruckprofilen, die Weidmänner hinterließen beim Durchstreifen von Lichtungen, wo ihnen die Federn vor die Stiefel fielen, sobald die Kolkvögel den Himmel schwarmweise verfinsterten, wenn sie das Geräusch verschreckten Flügelschlags durch die Baumkronen schickten als Antwort, wenn sie aufflogen in die Lüfte infolge der Flintenschüsse, die eigentlich den Fasanen galten, deren unversehrte, Apportierhundezähnen entgangene, von Blut reingebliebene, inzwischen in Vakuumdruckverpackungen eingeschweißte Halsbälge ich mir zur Brust nahm, streichelte, eine Feder herausriss, abwechselnd, anstatt der Rabenfiebern verband, so den Schwanz, das Muster, die Ritz D, das Fischergericht variierte in der Herbergsküche, »und fünftens, den Faden wieder ganz nach vorne vor die Kupferwicklung führen, und so lange herumwinden, bis wir ein schwarzes, konisches Köpfchen kriegen!«, überhaupt glaube ich nicht, dass Ernstl sich noch an die Liedtexte Arik Brauers erinnern würde, »sehr gut«, wobei das auch schwierig sein dürfte, »sechstens, Schlussknoten!«, er war ja damals schon alt. Sobald wir uns ans Binden der Ritz D machten, »Faden abschneiden!«, vergaß auch ich das Radio und seine Kunde, »nicht vergessen«, wir hatten den Apparat demütig wie eh und je zuvor noch spielen lassen, »siebtens, ein Tropfen Lack auf den Kopf!«, und der so drapierte Köder schillerte in Blau, Grün, Bronze, Silber und Schwarz unter dem Licht der zur Fliegenbindetischlampe umfunktionierten Schreibtischlampe. Ernstl knipste sie aus und in der Dunkelheit der Küche tranken wir ein Glas Pinot Grigio auf die Versöhnung. Der Wein atmete, während ich band, und der Lack trocknete, während wir tranken. Manchmal, wenn Ernstl mich anwies, die Fliege zusätzlich mit Blei zu beschweren, wusch ich mir auch die Hände mit einer Industrie-Schmirgelseife, die sonst nur Mechaniker verwendeten, während Ernstl alleine beide Gläser trank und der Lack trocknete. Zuletzt waren die Stunden vorangerückt, draußen sickerte das erste feurig rote Licht über die Kalkalpengrate, zwei Doppelliterflaschen waren leer, zehn Radios ausgenommen und dreißig Ritz-D-Nymphen gebunden. Ernstl hieß mich, die allererste, kärglichste, noch müde, unter Sekundenschlaf verquollene und schlaftrunken gebundene Fliege an sein Vorfach zu schlingen, an dem keine hing. »Was war das eigentlich gestern?« – »Ach, weißt du, ich musste weg, meine Frau und ich, wir haben so übersinnliche, ein schlechtes Gefühl, mit einem Mal hatte ich das.« – »Aha«, sagte Ernstl, »wie gewissenhaft.« – »Ja, so nennt sich das.« – »Wir mussten abreißen deinetwegen.« – »Kannst du die Zange nicht mehr bedienen?« – »Schön, wenns so weit gekommen wär! Aber wie kriegen wir das Vieh überhaupt raus? Von der Brücke aus!? Mit einem Vierer!?!« – »Ich wusste ja nicht.« – »Unwissen schützt den Fisch vor Schaden nicht.« – »Oh mein Gott.« – »Zu schmeichelhaft.« – »Es tut mir leid.« – »Ach, Schwamm drüber.« – »Aber die Äsche?« – »War ein Saibling.« – »Stirbt der?« – »Unfug, der Haken rostet raus.« – »Leidet er?« – »Fische spüren nichts am Maul. Das ist verknorpelt. Deswegen ist es ja so wichtig, dass wir gut anschlagen. Ihnen die Fliege aus dem Maul in den Kiefer jagen.« – »Aber du hast gesagt, Lernen durch Schmerz.« – »Ja, uns tut das schon weh. Wenn wir sie fangen. Sind doch unsere Herzkratzerl. Aber der Fisch ist eiskalt. Gefühllose Gierschlunde. Sonst könnten die ja gar nicht schmerzfrei fressen. Die schnabulieren Flusskrebschen und Köcherfliegenlarven. Harte Schalen.« – »Unmöglich, ihnen wehzutun?« – »Wenn sie schlucken.« – »Weil die Fliegen zu reizend sind?«, riet ich. »Sie sterben dann langsam.« – »Weil sie so hungrig sind?«, machte ich weiter. »Innere Verletzungen, Verbluten oder Organversagen.« – »Weil sie Nimmersatte sind?«, versuchte ich es ein letztes Mal. »Es kommt eben vor. Sehr selten, aber doch. Du siehst es eh, wenn du sie aus dem Wasser hebst. Dann musst du sie gleich abschlagen. Aber auch die dürfen wir nicht behalten, okay? Den gibst du deinen Liebsten, kappisch? Selbstverständlich ohne Haken, well.«

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