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Kapitel 7

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Als Robert am nächsten Morgen das Polizeigebäude betrat, wurde er von seinem Chef bereits ungeduldig erwartet. Kaum hatte er den Aufzug auf der 5. Etage verlassen, hörte er auch schon dessen Stimme über den langen Etagenflur hallen. De Boer war ein ziemlich humorloser Mann, hielt sich aber genau für das Gegenteil. Er war etwas älter als Robert und hatte die meiste Zeit seines Lebens wahrscheinlich in diesem Betonplattenbau zugebracht. Eine gewisse Form von geistiger Engstirnigkeit war ihm deutlich sichtbar in die Physionomie geschrieben. Aber mithilfe seines Durchstehvermögens war es ihm immerhin geglückt, die Karriereleiter über die Jahre hinweg behutsam hinaufzuklettern. Nun hatte er es schließlich geschafft und war ziemlich weit oben angekommen. Seit dreieinhalb Jahren durfte er sich Kriminaldirektor nennen und seiner Aufsicht unterstanden auch die beiden Kommissariate der Oldenburger Kriminalpolizei.

Immer, wenn Robert seinem Chef begegnete, fiel ihm ein Polizeieinsatz ein, der schon Jahrzehnte zurücklag. Damals, es war wenige Tage vor Weihnachten, fand in Oldenburg eine spektakuläre Sonderaktion der Kriminalpolizei gegen zwei mutmaßliche Haschischdealer statt, die auf der Dobbenwiese festgenommen wurden. Sehr schnell entpuppte sich allerdings die Aktion als Reinfall, denn der Beamte, der die beschlagnahmte Ware für »gelben Libanesen« hielt, konfiszierte nichts anderes als gut präpariertes Viehfutter. Und genau dieser Polizist, der damals als verdeckter Ermittler für die Polizei den Deal mit den Rauschgifthändlern einfädelte, war kein anderer als Heribert de Boer. Aber die Geschichte war damit noch nicht beendet. Die irritierten Polizeibeamten wollten anschließend unbedingt noch überprüfen, ob nicht doch ein Quäntchen Rauschgift in dem Heu-ähnlichen Stoff zu finden wäre. Aber es ließ sich tatsächlich keine Spur irgendeiner verbotenen Substanz nachweisen. Die Bullen waren auf einen simplen Betrugsversuch zweier Kleinkrimineller hereingefallen und machten sich damit zum Gespött der ganzen Stadt. Bald stellte sich heraus, dass die festgenommenen Brüder mit dem Zentner falschen Haschischs offensichtlich einen ihrer »Geschäftspartner« linken wollten, nicht aber den Undercover-Ermittler Heribert de Boer. Er war ihnen nur in die Quere gekommen. Dieser Irrtum war gewissermaßen so was wie Künstlerpech, wenn auch für beide Seiten. De Boer wurde daraufhin nie wieder mit einem Undercover-Job beauftragt. Die beiden Ganoven kamen lediglich mit einem blauen Auge und einer Verwarnung davon, dafür wurden sie jedoch in gewissen Kreisen als wahre Helden gefeiert. Heribert de Boer dürfte dieses Weihnachtsfest bestimmt noch immer in ganz schlechter Erinnerung haben. Unter den jüngeren Kollegen konnte sich allerdings keiner mehr an diese peinliche Polizeiaktion erinnern bis auf Robert.

„Herr Rieken, kommen Sie mal bitte!“ Der Kriminaldirektor winkte Robert zu sich ins Büro. Er kannte inzwischen die Obduktionsergebnisse der Rechtsmedizin, da Robert ihm diese am Vorabend auf seinen Schreibtisch gelegt hatte. Jetzt wollte er dringend weitere Details erfahren. „Ich stehe erst am Anfang meiner Ermittlungen und kann Ihnen noch nichts Konkretes sagen. Wir werden zunächst versuchen, die Identität des Mannes zu klären.“ Robert wendete sich ab und verließ das Büro. Über das Tattoo und die rätselhafte Uhrverzierung wollte er mit seinem Chef noch nicht sprechen.

Auch Jan wartete bereits voller Anspannung im Büro. Er hatte die neu eingerichtete Pinnwand entdeckt, konnte sich aber noch kein genaues Bild von diesem Fall machen. Er hatte die Kaffeemaschine angeschmissen, denn er wusste, dass Robert nichts mehr hasste, als die lauwarme braune Brühe, die der Automat draußen auf dem Flur ausspuckte. Jan betrachte das Foto des Toten auf der Pinnwand und konnte einen Anflug von Ekel nur schwer unterdrücken, als Robert endlich zur Tür hereinkam.

Robert zog seine Jacke aus und hängte sie über die Lehne des Schreibtischsessels und sagte: „Ah, gut, dass Sie schon hier sind.“

Jan brachte nur ein schwaches ‚Moin‘ heraus.

„Wie Sie vielleicht schon herausgefunden haben, handelt es sich hier um einen Mordfall. Wir müssen zunächst die genaue Identität des Toten ermitteln. Und genau diesen Job werden Sie heute als Erstes erledigen.“

Als Robert keine weitere Erklärung abgab, sagte Jan: „Ihr Kaffee steht auf dem Schreibtisch.“

Robert löffelte reichlich Zucker in das Getränk und kippte dann so viel Milch hinein, dass sein Mitarbeiter sich fragte, warum er sich überhaupt mit einem koffeinhaltigen Getränk abgab.

„Sie wissen jetzt, was zu tun ist?“, fragte Robert. Er ließ sich in den Sessel zurücksinken, nahm einen Schluck des heißen Getränkes und atmete aus. Jan blickte seinen Vorgesetzten etwas ungläubig an. Diese Art von rigoroser Zielstrebigkeit hatte er zuvor bei ihm noch nie erlebt. Robert bemerkte Jans leichte Irritation und setzte deshalb gleich nach: „Durchforsten Sie die ganze digitale BKA-Vermisstenkartei. Alle hierzu relevanten Informationen entnehmen Sie dem Untersuchungsbericht: Alter des Toten, Haarfarbe, Körpergröße, angenommener Todeszeitpunkt etc. Falls Sie jemanden finden, der in unser Suchraster passt, kopieren Sie das Ergebnis und übergeben ein Exemplar an Kriminaldirektor de Boer. Mich werden Sie telefonisch darüber auf dem Laufenden halten. Ich werde unterdessen versuchen, die einzige Spur zu verfolgen, die ich im Augenblick habe.“

Jan atmete erleichtert auf. Er befürchtet schon, ins Gerichtsmedizinische Institut geschickt zu werden, um vor Ort an der Leichenschau teilzunehmen, so wie er es auf der Polizeiakademie gelernt hatte. Aber dieser unangenehme Kelch ging an ihm offensichtlich vorüber. Er nickte nur zufrieden und setzte sich vor seinen PC. Robert steckte sich die Plastiktüte mit der Armbanduhr in eine der Innentaschen seiner Jacke, warf sie sich über die Schulter und verließ eilig das Büro.

***

Die Geschäftsführerin des Juweliergeschäftes, Inga von Beckerath, eine schlank gehungerte Mittvierzigerin im schwarzblauen Stretch-Hosenanzug, an dessen beiden Beinöffnungen zwei Stilettos herausragten, erwartete Robert bereits eine Stunde später in ihren Geschäftsräumen in der Bremer Innenstadt. Sie war sehr neugierig auf die Uhr.

„Sie haben vollkommen recht, Herr Kommissar, normalerweise setzt der Hersteller in jedes Uhrengehäuse eine Seriennummer ein. Damit verfolgen wir im Zentralregister alle Wartungen und Reparaturen. Das gehört einfach mit zum Service von Jaeger LeCoultre und ist fester Bestandteil unserer Firmenpolitik.“

Robert schien zuerst nicht zu wissen, was er sagen sollte, erwiderte jedoch schließlich: „Ich habe mir die Uhr bereits mehrfach angesehen, konnte aber bisher keine Nummer entdecken. Vielleicht handelt es sich bei dieser Armbanduhr doch um eine Fälschung?“

Sie musterte ihn von oben bis unten.

„Sehen Sie, kaum ein berühmtes Uhrenmodell bleibt heutzutage vor einem billigen Imitationsversuch verschont. Solche gefälschten Uhren gibt es ja inzwischen bedauerlicherweise von jedem Markenprodukt in großen Mengen. Manche dieser Exemplare sind sogar kaum von einem Original zu unterscheiden. Nur bei einer Reverso kann dies nicht passieren. Entweder wirkt das Imitat so plump, dass es sich auf den ersten Blick als solches sofort entlarvt, oder sie gelingt so perfekt, dass solch eine Uhr letztlich teurer wäre als das Original selbst. Also lässt sich Ihre Frage wahrscheinlich ganz schnell beantworten, Herr Kommissar. Zeigen Sie mir mal bitte das gute Stück.“

Robert fingerte das Asservat aus der Plastiktüte und legte es auf ein mit dunkelrotem Samt bezogenes Tablett, so dass die Juwelierin einen ersten oberflächlichen Blick drauf werfen konnte.

„Also, ich würde sagen, es ist eine Reverso Gran` Sport Duo für Herren, Kaliber 851, automatisches Uhrwerk, Gehäuse: Stahl, drehbar, Saphirglas, Armband: Stahl mit Faltschließe, Funktionen: Tag, Stunde, Minute, Sekunde aus der Mitte, 50 Meter wasserdicht, 4 Leuchtpunkte.“ Dann unterbrach sie sich, um Luft zu holen. „Leider ist das Saphirglas defekt. Ein Umstand, den ich mir übrigens nicht ganz erklären kann, denn Saphirglas ist fast so hart wie ein Diamant.“

Inga von Beckerath, die die ganze Zeit sprachlich über den spitzen Stein gestolpert war, setzte sich nun eine Lupenbrille mit verstellbarer LED-Lampe auf und betrachtete die Details der Uhr.

„Sehen Sie? Die Nummer ist etwas versteckt.“ Sie begann mit geübten Griffen, den Chronografen genauer zu untersuchen. „Sie befindet sich unterhalb der Gehäuseseite, genau dort, wo das Armband aufliegt. Ich werde jetzt ganz einfach das Blockiersystem lösen und das Gehäuse umklappen.“

Die Fachfrau sah jetzt fast wie ein stiläugiges Alien aus. Doch schon im nächsten Augenblick veränderte sich schlagartig ihr Gesichtsausdruck und sie tastete eifrig mit schlanken Fingern nach dem Rädchen am Brillenrand, um damit die Brennschärfe zu justieren.

„Moment mal.“ Ein merkwürdiger Schimmer huschte über ihr Gesicht. „So etwas Einzigartiges habe ich ja noch nie gesehen!“

Hastig streifte sie die Lupenbrille von ihrer Nasenspitze.

„Diese Uhr ist keine Fälschung, Herr Kommissar. Zur Glanzzeit des Art déco gelang der Firma Jaeger LeCoultre mit der Reverso eine wahrlich uhrmacherische Meisterleistung. Normalerweise wird jedes Exemplar mit einer Seriennummer ausgeliefert. Bei dieser Uhr ist das jedoch nicht der Fall, denn es handelt sich hierbei zweifelsfrei um eine streng limitierte Sonderanfertigung.“

Er betrachtete sie eindringlich, wollte nichts Falsches von sich geben und sagte dann doch unverblümt: „Wollen Sie etwa auf die kitschige Verzierung anspielen?“

Für einen kurzen Moment herrschte eisige Stille. Im gleichen Augenblick bemerkte Robert, dass er mit seiner unüberlegten Äußerung in ein Fettnäpfchen getreten war. Die Fachfrau gab sich brüskiert.

„Von wegen kitschige Verzierung!“ Sie biss sich unentschlossen auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Dann betrachtete sie erneut die Uhr durch das Vergrößerungsgerät. „Sehen Sie. Auf Wunsch eines Kunden wurde wahrscheinlich die Rückseite dieser Armbanduhr mit einer ganz exquisiten Juwelierarbeit verziert. Im firmeneigenen Studio in Le Sentier erschaffen spezialisierte Künstler bis heute solche kostbaren Miniaturen. Sie verwenden dabei oft auch lupenreine Edelsteine, Emaille-Ziselierungen und 585er-Goldeinfassungen. Dabei übertreffen die Preise für aufwendige Juwelierarbeiten schnell den Wert der restlichen Uhr. Dies scheint hier der Fall zu sein.“

Robert versuchte seine letzte ungeschickte Bemerkung auf einen geringeren Kollateralschaden zu reduzieren und sagte jetzt etwas kleinlaut: „Und ich dachte als Laie, es wäre nur billiger Strass. Ich bitte dies zu entschuldigen.“

„Sehen Sie selbst! Dieser Smaragd zum Beispiel, der in die Mitte der Miniatur eingefügt wurde, blickt auf eine lange Geschichte zurück. Der Edelstein, der wie der Aquamarin zur Mineralfamilie Beryll gehört, war schon zur Zeit der ägyptischen Pharaonen ein beliebtes Statussymbol. Er wirkt hier wie ein grünes Auge neben den vielen anderen Edelsteinen und Diamantsplittern.“

Robert, der noch immer seine unverblümte Bemerkung bedauerte, sagte nun in versöhnlichem Ton:

„Könnten Sie als Expertin etwas über den Schätzwert dieser Uhr sagen?“

„Vielleicht um die 30.000 Euro. Vielleicht aber auch noch etwas darüber.“

Er zögerte. Mit solch einem kostbaren Asservat in der Jackentasche war er leichtsinnig durch die ganze Stadt spaziert. „Oh“, sagte er und fügte eilig hinzu, „Ich fürchte, bei meiner Gehaltsgruppe müsste ich wahrscheinlich noch ein paar Jahre auf Verbrecherjagd gehen, bevor ich mir solch ein kostbares Stück leisten könnte.“

„Darf ich fragen, aus wessen Besitz diese Armbanduhr stammt? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, Herr Kommissar. Ich möchte nicht indiskret sein. Aber es würde mich rein beruflich schon interessieren.“

Er atmete ein, und sein Puls schlug schneller. Er beugte sich vor und sagte mit leiser Stimme:

„Diese Reverso haben wir am Handgelenk eines toten Mannes entdeckt. Ich versuche gerade seine Identität herauszufinden. Deshalb bin ich ja auf Ihre freundliche Kooperation angewiesen. Leider darf ich Ihnen keine weiteren Auskünfte erteilen.“

Sie spürte seine Antwort nahezu körperlich, als hätte etwas Unangenehmes ihre Haut gestreift. Inga von Beckerath atmete tief und langsam ein und aus, um sich zu beruhigen. Dann sagte sie:

„Ich verstehe nur eins nicht. Es macht eigentlich nicht viel Sinn, eine Armbanduhr, wie diese hier, mit so viel materiellen Aufwand künstlich aufzuwerten. Wenn ein Kunde auf ein wirkungsvolles Prestigeobjekt gesteigerten Wert legt, dann hätte er sich wahrscheinlich eher für eine Rolex entschieden.“

Sie drückte ihre schmalen Finger an die Schläfen und schloss kurz die Augen, als müsste sie sich auf eine Meditation vorbereiten. Robert blickte etwas verschämt zu Boden, gleichzeitig sagte er: „Und ich verstehe nicht ganz, was Sie damit meinen. Was bedeutet: ‚mit so viel materiellen Aufwand künstlich aufzuwerten?‘“ Er stellte seine Frage mit ruhiger Stimme.

Die Geschäftsführerin hatte sich jetzt wieder gefangen.

„Ganz offen gesagt, eine Reverso Gran` Sport ist im Vergleich zu anderen Armbanduhren eher ein preiswerter Artikel. Allein die Rolex Oyster Perpetual Yacht-Master II kostet ungefähr 30.000 Euro.“

Inga von Beckerath begann nun eifrig in einem der ausliegenden Kataloge aus Hochglanzpapier zu blättern. „Oder sehen Sie hier, die Tourbillon Automatik von Breguet kostet 79.400 Euro. Aber das sind alles noch keine wirklichen Prestigeobjekte. Die Sky Moon Tourbillon des Schweizer Uhrenmachers Patek Philippe erzielt beispielsweise in der Platinversion einen sagenhaften Preis von 700.000 Euro.“

Robert hörte ihr gar nicht genau zu, denn eine vage Idee ging ihm plötzlich durch den Kopf.

„Sie erwähnten vorhin etwas von einem Zentralregister des Herstellers, Frau von Beckerath, worin alle Reparaturen und Wartungen gespeichert sind. Wenn wir jetzt eine Identifikationsnummer entdeckt hätten, könnten wir vielleicht auch damit den Namen des Käufers erfahren?“

„So einfach geht das nicht, Herr Kommissar. Um die Geschichte dieser Uhr genauer nachvollziehen zu können, müssten wir sie zuerst in unserer Werkstatt öffnen lassen. Im Inneren der Uhr befinden sich eventuell die winzigen Markierungen der Uhrmachermeister, falls dieses Exemplar bereits einmal zur Durchsicht oder Reparatur in einer ihrer Werkstätten vorgelegt wurde. Aber mit etwas Glück stoßen wir vielleicht auch auf den Namen des Erstbesitzers im Zentralregister von Jaeger LeCoultre. Es handelt sich immerhin hierbei um eine Sonderanfertigung. Das zumindest steht schon jetzt zweifelsfrei fest.“

„Und wie lange würde so eine Recherche ungefähr dauern?“

„Kommen Sie in einer Stunde wieder. Dann kann ich Ihnen hoffentlich mehr sagen.“

Die Geschäftsführerin lag mit ihrer Vermutung völlig richtig. Einmal war die Reverso zur Reparatur abgegeben worden, und zwar vor neun Jahren in einer Vertragswerkstatt in London. Wer jedoch der damalige Eigentümer war, konnte leider nicht ermittelt werden. Aber Inga von Beckerath fand auch eine Eintragung neueren Datums in den firmeninternen Registraturen. Erst vor wenigen Monaten legte jemand genau dieses Exemplar einem Spezialisten in Hamburg zur Begutachtung vor. Dieser Jemand kam mit der Absicht, genau wie jetzt Robert, in Erfahrung zu bringen, ob die Uhr echt sei, oder ob es sich um eine Fälschung handelte.

Robert hatte einen Volltreffer gelandet.

Inga von Beckerath überraschte ihn zusätzlich noch mit einer weiteren interessanten Information. Der Einblick ins Zentralregister von Jaeger LeCoultre ergab einen russischen Kunden als Auftraggeber der Luxusanfertigung. Der Mann stammte aus Sankt Petersburg und lies sich unter dem Namen Boris Sergej Bogdanowitsch registrieren. Offenbar handelte es sich bei diesem Bogdanowitsch um einen schwerreichen Mann, denn er hatte gleich mehrere völlig baugleiche Anfertigungen dieser luxuriösen Armbanduhren in Auftrag gegeben und sie anschließend bar bezahlt. Der Clou aber war, dass Inga von Beckerath den Hamburger Juwelier, dem die Uhr erst vor kurzer Zeit zur Begutachtung vorgelegt wurde, persönlich kannte. Noch während des Gesprächs telefoniert sie mit ihm und er konnte in seinen Geschäftsunterlagen sogar den Namen und die Anschrift des Mannes herausfinden, der diesen Auftrag erteilt hatte. Es war ein gewisser Markus Danneberg, wohnhaft in Hamburg, Hittfelder Stieg 56.

Robert hätte die Geschäftsführerin am liebsten umarmt, wäre aber sehr wahrscheinlich mit dieser überschwänglichen Geste ein zweites Mal in ein Fettnäpfchen getreten. Inga von Beckerath hatte ihm eine Menge Arbeit und ganz gewiss auch einige bürokratische Hindernisse erspart. Er griff zum Abschied nach ihrer Hand und drückte sie. Sie war ein bisschen blass, aber gefasst. Bevor er sich umdrehte, warf er noch einen flüchtigen Blick auf ihre gefährlich spitzkantigen Stilettos, auf denen die adlige Dame ganz stilsicher durch ihr Juweliergeschäft stöckelte. Für solche High Heels sollte man eigentlich einen Waffenschein beantragen, schoss es ihn durch den Kopf.

Draußen auf der Straße konnte er sich plötzlich nicht mehr daran erinnern, wo er seinen Wagen geparkt hatte. Deshalb spazierte er zunächst zum Marktplatz und genehmigte sich bei Stockhinger eine Bratwurst vom Rost mit viel Senf. Hier schaute er eigentlich meistens vorbei, wenn er Bremen besuchte. Die Reverso hielt er mit der linken Faust fest umschlossen und versenkte diese ganz tief in seiner Hosentasche. Trotzdem, ganz wohl fühlte er sich nicht dabei.


Tödlicher Nordwestwind

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