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Kapitel 4
ОглавлениеLayla
Luke sieht wie immer großartig aus. Sein schicker Anzug steht ihm verdammt gut, und ich frage mich jedes Mal, warum er sich nicht endlich entscheidet, sich fest zu binden. Er hat immer nur hier und da mal ein paar kleine Affären, aber keine ernsthafte Beziehung. Vielleicht hat er die Richtige einfach noch nicht gefunden.
Bei mir ist es nicht anders. Nach meiner Schwärmerei vor dreizehn Jahren und einer gescheiterten Beziehung während meiner Collegezeit hat es kein Mann mehr geschafft, die Schmetterlinge in meinem Bauch fliegen zu lassen, bei mir für weiche Knie zu sorgen oder mein Herz schneller schlagen zu lassen. Es gab zwar Männer, die ich kurz gedatet habe, aber die fand ich nur nett.
Ab und zu erinnere ich mich an meine Teenagerzeit zurück. Ganz speziell an den Tag, an dem ich Christopher zum ersten Mal bei meinem Cousin gesehen habe. Luke gab mir damals Nachhilfe in Physik. Christopher hing ziemlich oft bei ihm rum, auch während mein Cousin mir Nachhilfe gab. Ich musste mich dann sehr anstrengen, um mich zu konzentrieren. In meinem Bauch kribbelte es und ich stotterte, während mein Cousin mein Wissen testete.
Heute finde ich Christopher umso unsympathischer. Jeden zweiten Tag ist er auf den Titelblättern der Klatschpresse zu sehen, weil er mal wieder wilde Partys gefeiert oder ein Sexabenteuer gehabt hat.
„Hey, Kleine.“ Mein Cousin nimmt mich in seine Arme.
„Hey, du unverschämt gutaussehender Kerl.“ Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange und setze mich. „Dann schieß mal los. Was ist so wichtig, dass wir uns so kurzfristig treffen mussten?“
„Hey, relax, Lay! Bestell dir erst mal einen Drink.“
Oh, ich fühle es! Er will was von mir. Wenn er ein Gespräch so beginnt, dann will er definitiv was von mir. „Luke! Ich kenne dich. Wenn du sagst, ich soll mir einen Drink bestellen, dann wird diese Unterhaltung nicht gut für mich ausgehen.“
„Warum? Nur weil ich dir einen Drink spendieren möchte?“
„Du möchtest mich erst mal mit Alkohol gefügig machen, damit ich deinem Charme nicht widerstehen kann und das tue, was du von mir verlangst!“
Gespielt geschockt legt er sich die Hand auf die Brust, und seine Augen werden größer. Er atmet mit einem gequälten Laut aus, sinkt in sich zusammen und simuliert den zutiefst Verletzten. Der und seine Show!
Ich pruste los, halte mir aber die Hand vor den Mund. Immerhin sitzen wir hier in einem feinen Restaurant und so ein Benehmen gehört sich nicht.
„Also los“, ermutige ich ihn, nachdem ich mich beruhigt habe und er wieder seine straffe Haltung eingenommen hat. „Was soll ich für dich tun?“
Luke lässt theatralisch den Kopf zwischen den Schultern hängen, hebt ihn aber schnell wieder. Er hat diesen Dackelblick aufgesetzt, dem ich nicht widerstehen kann. Ich versuche es zwar immer wieder, versage aber jedes Mal.
„Wie kommst du darauf, dass ich dich deswegen sprechen möchte?“
Ich stütze meinen Ellbogen auf den Tisch, lege mein Kinn auf der Hand ab und trommle mit den Fingern auf meiner Wange herum. Er wendet seinen Blick von mir ab und rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Ich wusste es! Der Kerl ist für mich wie ein offenes Buch. Wenn er gedacht hat, dass ich diesmal auf seine unschuldige Tour reinfalle, hat er sich geirrt. Ich kenne ihn viel zu gut. Mir kann er nichts vormachen.
„Es geht um meinen Freund Chris.“ Für einen Moment hält er inne und beobachtet meine Reaktion.
Der Name sorgt dafür, dass sich ein oder zwei Schmetterlinge in meinem Bauch bemerkbar machen und ich blinzeln muss. Jedoch versuche ich, dem keine Beachtung zu schenken.
Da ich weiterhin still dasitze, fährt Luke fort: „Er hat von seinem Vater ein Ultimatum gestellt bekommen und steckt jetzt in Schwierigkeiten.“
„Simon Palmer hat seinem Sohn ein Ultimatum gestellt?“ Jetzt wird es interessant. Ich frage mich, was für eines. Soll er mit seinem wilden Lebensstil aufhören? „Was für ein Ultimatum?“
„Er soll heiraten.“
Erneut pruste ich los. Er soll heiraten! Luke schaut sich um und tätschelt meinen Arm, um mich zum Aufhören zu bewegen. Der bekannteste Playboy der Südstaaten soll sich eine Frau suchen, damit er häuslich wird? Ich muss unbedingt meine Freundin Patricia anrufen und ihr davon berichten. Sie wird sich bestimmt vor Lachen auf den Boden werfen, denn fast täglich sehen wir sein Gesicht in den Klatschblättern Houstons. Christopher Palmers wilde Partys, Christopher Palmers neue Eroberung und lauter solche Schlagzeilen. Erst heute Morgen habe ich ihn wieder auf der Titelseite eines Magazins gesehen. Christopher Palmers Liebespartys. Mann, was bin ich froh, dass das damals nur eine kindliche Verliebtheit von mir gewesen ist.
Früher war er der Typ, der den Mädchen in der Schule den Schlaf raubte. Er war der Kapitän der Basketballmannschaft im Senior Year. Ich hatte mich sogar bei den Cheerleadern der Mannschaft beworben, nur um in seiner Nähe sein zu können. Die hatten mich aber abgelehnt. Sie sagten, ich sei nicht schlank genug und generell würde ich vom Äußeren nicht in deren perfekte Gruppe passen.
Ich hatte sein Bild aus dem Jahrbuch ausgeschnitten und es mir unters Kissen gelegt, damit ich von ihm träume. Dieses Anhimmeln hielt aber nicht lange an. Ich wurde fünfzehn und hatte Freunde, mit denen ich abhing, und schließlich auch meinen ersten „Freund“. Meinen Keanu Reeves. Natürlich nicht DER Keanu, aber er hat fast genauso ausgesehen. Allan Baxter hieß er. Seine Mutter kam von den Philippinen und sein Vater aus Iowa. Er war mein bester Freund und hat mich sehr oft verteidigt, da ich wegen meines Aussehens gemobbt wurde. Brille, Zahnspange, pummelig, ja, ich war wirklich eine Augenweide. Die Streberin des Jahrgangs. Womöglich der ganzen Schule. Allan und ich haben uns als Paar präsentiert. Er bat mich, zum Schein seine feste Freundin zu werden, damit seine Eltern und Mitschüler nicht merkten, dass er schwul war.
Später ging er auf die UCLA und ich auf die University of Pennsylvania. Ich wurde Anwältin und er ein bekannter Footballspieler. Jeder hat sein eigenes Leben, aber wir sind immer noch eng miteinander verbunden. Wir telefonieren sehr oft, und wenn es ihn nach Houston verschlägt, dann gehen wir auch mal zusammen essen. Er hat mittlerweile eine feste Beziehung mit einem Universitätsprofessor, aber da er sich wegen des Sports nicht outen möchte, hat er mal die eine oder andere Schönheit an seiner Seite.
Aber zurück zu dem Thema, das mein Cousin jetzt angesprochen hat. Christopher Palmer soll heiraten! Die Klatschpresse wird sich bestimmt um die Exklusivrechte für die Hochzeit streiten. Jedenfalls lache ich hinter meiner Hand weiter und werde von einigen bereits angestarrt.
„Ich habe dich vorgeschlagen.“
Sofort verstummt mein Lachen. Ich reiße den Kopf hoch, um ihm in die Augen zu sehen. Bestimmt habe ich mich gerade verhört. Er zuckt entschuldigend mit den Schultern und seine Lippen verziehen sich zu einem schiefen Grinsen. Hoffentlich will er mich nur auf den Arm nehmen.
Ich spüre, wie mir jegliche Farbe aus dem Gesicht weicht. Die zwei, drei Schmetterlinge, die sich in meinem Bauch bemerkbar gemacht haben, scheinen ihren Tanz fortzusetzen, nur verursachen sie mir nun ein komisches Gefühl im Magen.
Langsam beginnt Luke, zu nicken.
„WAS?“ Und sobald dieses kleine Wort meinen Mund verlässt, wirbele ich herum, da ich mich erinnere, wo ich bin. Jeder Gast hält in seiner Bewegung inne und starrt mich an. Mein Gesicht fühlt sich auf einmal ganz heiß an. „Was?“, flüstere ich, nachdem ich Luke wieder ansehe.
„Sorry! Du warst die Erste, die mir eingefallen ist.“
Das kann nicht sein Ernst sein. Er kennt mit Sicherheit eine Menge Frauen, die das mit Vergnügen machen würden, aber er muss natürlich mich vorschlagen. „Dann blättere mal in deinem Telefonbuch. Sicher findest du die eine oder andere, die besser zu diesem arroganten Schnösel passt!“
„Lay …“
Ich kneife die Augen zusammen, hebe einen Finger und er verstummt augenblicklich. „Bist du von allen guten Geistern verlassen, Luke? Was soll das? Kann er nicht eine seiner Freundinnen nehmen?“
„Du meinst wohl eher, einer seiner One-Night-Stands. Seine einzige Beziehung liegt schon eine Ewigkeit zurück.“
„Das ist mir egal. Er hat mit so vielen Frauen was gehabt, da wird sich doch bestimmt eine finden, die ihn heiraten möchte“, zische ich ihn an. Das Blut beginnt, in mir zu kochen. Wie kann er es wagen, auch nur meinen Namen vor diesem reichen Schnösel zu erwähnen. Damit ist er eindeutig einen Schritt zu weit gegangen. Ich meine, ich mag seine liebste Cousine sein, aber mich für einen Mann zu opfern, der sowieso keine Gefühle – geschweige denn Liebe – in sich hat und nur darauf aus ist, sich zu vergnügen, dafür bin ich mir zu schade.
Es gibt mit Sicherheit Dutzende, ach was sage ich, Tausende von Frauen dort draußen, die liebend gern diese Rolle übernehmen würden. Soll er sich doch irgendeine herauspicken und mit ihr einen Deal aushandeln. Wenn er ein hübsches Sümmchen springen lässt, werden sich ihm die Frauen vor die Füße werfen. Aber ganz bestimmt nicht ich.
Mit schwerer Atmung und zusammengebissenen Zähnen erhebe ich mich. Meine Augen sind auf Luke gerichtet. Ich schnappe mir meine Tasche und schiebe meinen Stuhl zurück. „Sucht euch eine andere“, knurre ich, mache auf dem Absatz kehrt und gehe zum Ausgang. Ich brauche ganz dringend frische Luft.
Sobald ich draußen ankomme, bleibe ich kurz stehen und atme die frische abendliche Frühlingsluft ein. Ich versuche, mich zu beruhigen, obwohl ich genau weiß, dass das nichts bringen wird. Ich bin immer noch auf hundertachtzig. Dass ich mich mit Christopher Palmer einlassen soll, ist das Letzte.
Natürlich gebe ich zu, dass ich immer ein merkwürdiges Gefühl im Bauch habe, wenn ich sein Gesicht auf den Zeitschriften sehe, aber allein der Gedanke daran, wie er sein Leben führt und mit Frauen umgeht, sorgt dafür, dass sich dieses Gefühl in Abscheu verwandelt.
Ich werfe einen schnellen Blick über meine Schulter, nur um mich zu vergewissern, dass Luke mir nicht folgt und schaue dann wieder nach vorne. Plötzlich höre ich Schritte hinter mir, die dafür sorgen, dass ich in mich zusammensinke und ein lautes Brummen von mir gebe.
„Lay?“
„Luke, vergiss es.“ Mein Wagen steht ein paar Meter von mir entfernt, also marschiere ich direkt darauf zu. „Ich sagte doch, sucht euch eine andere.“
„Eine andere würde das aber nicht hinkriegen. Du siehst toll aus, hast einen klasse Job und außerdem …“, ich höre, wie er stehen bleibt, „… außerdem kannst du das Geld gut gebrauchen, das er dir anbieten kann.“
Ich bleibe vor meinem Wagen stehen und wirbele herum, um ihn anzusehen. Mein Blick gleitet über seinen Körper und bleibt dann auf dem Asphalt hängen. Ja, das Geld kann ich gut gebrauchen, denn dann kann ich meiner Mutter ein besseres Leben bieten. Sie war dreiundvierzig, als der Arzt Multiple Sklerose bei ihr feststellte. Im Krankenhaus wurde sie, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Kopf gestellt, bis die Ärzte die endgültige Diagnose stellen konnten. Sie meinten, diese Erkrankung trete für gewöhnlich im jüngeren Alter auf und meine Mutter gehöre zu den sehr seltenen Fällen.
Zu Beginn hat sie es mir verheimlicht, damit ich mir keine Sorgen machte, denn ich war gerade ein Jahr auf dem College. Aber als ich es schließlich erfuhr, nahm ich mir vor, mein Studium zu schmeißen und mir einen Job zu suchen, um die Behandlungskosten zu decken. Mein Vater wusste es natürlich vor mir, schickte sie zu einem Freund, der ein Spezialist war, und übernahm die anfänglichen Kosten. Das war mir eine große Hilfe, denn so konnte ich mein Studium beenden.
Da ihre Krankenversicherung nicht alle Ausgaben übernahm, fraßen der erste lange Krankenhausaufenthalt, die radiologische Untersuchung und die Medikamente eine Menge ihres Ersparten. Zum Glück übernahm mein Vater auch meine Studiengebühren, da meine Mutter zu Beginn sehr oft Schübe bekam, krankgeschrieben werden musste und nicht ihr volles Gehalt bekam.
Mittlerweile fällt ihr das Laufen schwer und sie sitzt sehr oft im Rollstuhl. Vor zwei Jahren kam noch eine leichte Demenz hinzu, die sich im Laufe der Zeit verschlechterte. Sie hat von ihrem Neurologen ein Pflaster bekommen, welches die Symptome etwas lindern kann und das Fortschreiten verlangsamen soll.
Mein Vater besteht darauf, uns weiterhin zu unterstützen, obwohl meine Eltern schon seit Jahren getrennt sind. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er nur noch einen Teil der Kosten trägt, da ich mittlerweile berufstätig bin und selbst Geld verdiene. Er meinte, ich müsse nicht mein ganzes Geld opfern, da ich noch jung sei und trotz allem mein Leben genießen solle.
Zurzeit lebt meine Mutter mit meiner Tante in einem Apartment im ersten Stock. Es ist sehr schwierig, sie die Treppe herunterzubringen, daher bleibt sie die meiste Zeit in der Wohnung. Nach dem Tod meines Onkels hat Tante Emily meine Mutter zu sich genommen, damit sie nicht allein ist und jemand bei ihr ist, wenn sie Hilfe benötigt. Sollte ich mich auf das Angebot von Chris einlassen, dann könnte ich ein kleines Haus mit Garten kaufen, wo sie öfter an der frischen Luft sitzen könnte. Außerdem wären für die nächsten Jahre ihre Arztkosten und die Kosten für ihre Medikamente gedeckt, ohne dass mein Gehalt oder Erspartes dafür draufgeht. Wenn ich es wirklich tue, dann nur für meine Mutter.
Luke kommt einen Schritt näher und bleibt direkt vor mir stehen. Er legt die Hand auf meine Schulter, und ich hebe den Kopf, um seinem Blick zu begegnen. Er will uns helfen und hätte die Geschichte nicht angeleiert, wenn er nicht davon überzeugt wäre, dass sie ein gutes Ende nehmen würde.
„Ich bitte dich. Denk in Ruhe darüber nach und melde dich dann bei mir.“ Er möchte unter allen Umständen seinem Freund zur Seite stehen.
Ich denke, dass diese Sache nicht gut ausgehen wird. Das spüre ich.
„Wenn du es machst, dann arrangiere ich ein Treffen und ihr könnt erst mal miteinander plaudern. Du wirst nur für die Presse und seine Eltern sein Aushängeschild sein, mehr nicht. Du begleitest ihn zu offiziellen Anlässen und ihr präsentiert damit der Presse eine glückliche Verbindung.“
„Ich soll ihm helfen, sein Image aufzupeppen?“
„Genau. Nur das. Ihr könnt auch eine vertragliche Laufzeit für die Ehe festlegen. Vielleicht zwei Jahre oder so.“
„Zwei Jahre?“ Meine Tonlage steigt um einige Nuancen an und ich schnaufe. „Hast du komplett den Verstand verloren? Ich soll zwei Jahre mit diesem arroganten Kerl unter einem Dach leben? Nichts da! Sechs Monate reichen vollkommen, und die sind schon zu viel, um mit einem sexbesessenen Arsch zusammenzuleben.“ Ich spüre, wie die Wut in mir hochkommt und mein Blutdruck steigt.
„Hey.“ Er wirbelt mich herum und schiebt mich zur Tür meines Wagens. „Fahr jetzt nach Hause, trink ein Glas Wein, entspann dich und lass dir das alles durch den Kopf gehen, okay? Du kannst dir gerne ein paar Tage Zeit lassen. Ich denke nicht, dass Chris noch in dieser Woche heiraten möchte.“
Ein Glas Wein wird nichts bringen. Nach dieser Unterhaltung brauche ich eine ganze Flasche. „Ich hasse dich.“ Schmollend drehe ich mich noch mal zu ihm um. „Gute Nacht.“
„Ja, ich habe dich auch lieb. Fahr vorsichtig.“ Er gibt mir einen sanften Kuss auf die Stirn, öffnet meine Wagentür und wartet, bis ich den Motor gestartet habe.
Zu Hause nehme ich mir eine Flasche Tempranillo, schenke mir ein Glas ein und rufe meine Freundin Patricia an.
„Hey, Süße!“, meldet sie sich hechelnd.
„Hey! Habe ich dich bei irgendwas unterbrochen?“
„Bin auf dem Laufband. Was gibt’s?“
Ich seufze laut auf, lehne mich auf der Couch zurück und erzähle ihr, was Luke von mir wollte.
„Whoa! Du wirst es doch nicht tun, oder? Gemäß 8 USC § 1325c, könnte das einer Green Card Ehe gleichgestellt werden und gilt damit als Betrug. Du kennst die Gesetze.“
„Ja, ich bin nicht blöd, Trish.“ Ich gebe einen resignierten Laut von mir, lege die Hand auf meine Stirn und lasse mich auf den Rücken fallen. „Vielleicht treffe ich mich erst mal mit ihm. Mal sehen, was er mir zu sagen hat. Meine Entscheidung ist ja noch nicht gefallen.“
„Okay. Und wenn du mentale Unterstützung brauchst, sag Bescheid. Ich bin immer für dich da, das weißt du.“
„Ja, das weiß ich.“ Sie ist die beste Freundin, die ich habe. Wir sind seit dem College befreundet; sie hat mir damals aus einer Notlage geholfen.
Im Hintergrund ertönt ein leises Klingeln. „Bleib mal dran“, sagt sie, und ich höre, wie sie kurz darauf eine Tür öffnet. Ich nehme Geflüster wahr. Sie unterhält sich mit einem Mann. Vielleicht einer ihrer Nachbarn oder ein Kerl, mit dem sie sich heimlich trifft.
„Trish, mit wem sprichst du?“
„Ähm …“ Erneutes Geflüster. „Ähm, mit meinem Nachbarn. Er wollte Zucker.“
Ich höre, wie die Tür wieder zuknallt. „Zucker! Hast du ihm welchen gegeben?“
„Ich habe keinen hier.“
Das gibt’s doch nicht. Sie lügt mich tatsächlich an. Jeder hat Zucker zu Hause. Grinsend schüttele ich den Kopf. „Okay. Dann bis morgen im Büro.“
„Ist gut.“
Lächelnd beende ich das Gespräch und nehme einen kräftigen Schluck aus meinem Glas.
Nachdem ich mir ein zweites Glas eingeschenkt habe, beschließe ich, meine Mutter anzurufen, mit der ich zwei- bis dreimal in der Woche telefoniere. Da mir in den letzten Tagen die Arbeit über den Kopf gewachsen war, bin ich noch nicht dazu gekommen, mit ihr zu sprechen. Nach dem fünften Klingeln geht sie ran. Ich habe ihr ein Handy gekauft, damit ich sie, wann immer mir danach ist, erreichen kann.
„Layla?“
„Ja, Mom. Wie geht es dir?“
„Ach, wie soll es mir schon gehen, mein Schatz. Seit unserem gestrigen Telefonat hat sich nicht besonders viel geändert.“
Oh je! Mir ist schon letzte Woche aufgefallen, dass sie etwas durcheinander ist. Vielleicht sollte ich sie zum Arzt bringen, damit er das Medikament für die Demenz umstellt. Der letzte Termin zur Blutabnahme und Untersuchung ist vor ungefähr drei Monaten gewesen. Vielleicht wirkt das Pflaster gegen die Demenz nicht mehr so gut.
„Mom, soll ich einen Termin bei Dr. Peters machen?“
Ich höre, wie sie seufzt. Sie weiß genau wie ich, dass es nicht viel bringen wird. Dr. Peters wird ihr vielleicht ein anderes Medikament verschreiben, damit es ihr für eine gewisse Zeit etwas besser geht. Dann beginnt wieder alles vor vorn. Wieder ein Arztbesuch, um die Dosis des Medikaments zu erhöhen oder ein stärkeres zu verschreiben.
„Mein Kind, Dr. Peters ist eine gute Ärztin, aber sie kann die Demenz nicht wegzaubern. Nur Gott allein kann mir helfen, damit ich nicht so viel leide.“
„Gerade der hat dich im Stich gelassen!“
„Layla Anne Elias!“, tadelt sie mich und ich fühle mich sofort wieder wie ein kleines Kind. „Rede nie wieder so über unseren Herrn.“ Sie spricht mich nur mit vollem Namen an, wenn ich etwas sage oder anstelle, was ihr nicht passt.
„Tut mir leid, Mom. Ich bin ein wenig sauer auf ihn, weil er dich nicht beschützt hat.“
„Jedem von uns ist sein Schicksal vorherbestimmt. Meines war es, krank zu werden. Deines, mein Schatz, steht dir noch bevor. Mach das Beste daraus.“
Ich seufze. Wenn sie wüsste, was ihr Neffe mir heute vorgeschlagen hat, würde sie mir diesen Ratschlag nicht geben. Wenn ich mich darauf einlasse, mit einem Mann vor den Traualtar zu treten, um eine Scheinehe einzugehen, werde ich, nach ihren religiösen Bräuchen und Sitten, bestimmt in der Hölle schmoren. Mein Vater würde mich enterben und meine Mutter kein einziges Wort mehr mit mir reden.
„Das werde ich, Mom. Ich muss auflegen, da ich noch ein wenig arbeiten muss“, entschuldige ich mich bei ihr. „Gib Tante Emily einen dicken Kuss von mir.“
„Das mache ich, mein Kind. Pass auf dich auf.“
„Werde ich. Gute Nacht.“
„Gute Nacht, mein Schatz.“
Ich beende das Gespräch, lege die Beine auf die Couch und mache es mir gemütlich. Die Zeit vergeht und ich muss ständig an Lukes Vorschlag denken. Eine Scheinehe mit Christopher Palmer, damit er nicht enterbt wird. Das einzig Positive daran ist, dass ich Geld dafür bekommen werde. Die negativen Sachen sind, dass mein Vater sich in Grund und Boden schämen wird und wir wahrscheinlich im Gefängnis landen werden, wenn das herauskommt. Eigentlich sollte ich absagen, aber da ich von Natur aus neugierig bin, will ich wissen, was Chris mir zu sagen hat.
Er ist immer noch der gutaussehende Typ von damals. Charaktermäßig muss er sich aber sehr verändert haben. Sein gutes Aussehen und das Geld seines Vaters müssen aus ihm einen arroganten Kerl gemacht haben. Was soll’s. Ein Treffen wird nicht schaden.
Ich nehme mein Handy und tippe eine Nachricht für Luke ein.
Organisiere baldmöglich ein Treffen.