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Samstag

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Endlich! Oder vielleicht lieber: Oh Schreck, es ist schon Samstag?

Rebecca konnte sich nicht entscheiden, ob sie es als gut oder eher als furchtbar empfinden sollte, dass am gleichen Abend das Konzert von Nick und seiner Band „Chapters of Rock“ stattfand.

Klara hatte schon ein ausgiebiges Frühstück mit Sekt und Eiern mit Speck und allen möglichen Leckereien, die man an so einem Tag braucht, vorbereitet.

Jens wollte die beiden Damen nicht stören und ging mit den Hunden in den Wald. So hatten Klara und Rebecca viel Zeit zum Plaudern.

„Mensch Klara, das ist ja echt so lieb von dir, dass du so für mich da bist ... Ich hab ein tierisch schlechtes Gewissen!“

„Becci, das musst du dir wirklich mal abgewöhnen. Habe doch nicht immer ein schlechtes Gefühl, wenn es dir gut geht ... Du hast es doch auch echt mal verdient!“

Klara versuchte mit aller Überzeugungskraft, ihre Freundin aufzupäppeln.

Der Abend kam schneller, als es Rebecca recht war. Sie hätte sich am liebsten mit einer Migräne ins Bett gelegt, oder noch besser, sie wäre am liebsten ganz schnell wieder nach Hause gefahren zu ihren Kindern, aber Klara wollte das nicht zulassen.

„Du wirst sehen, der Abend wird richtig schön, und du wirst Spaß haben, jetzt lass mal los ... Deinen drei Süßen geht es gut, und um Martin solltest du dir wirklich keinen Kopf machen, der hat ja seine Ablenkung!“

„Ja, ich weiß ... Aber ich komme mir vor wie eine Rabenmutter. Außerdem, was will ich fast Vierzigjährige denn bei den ganzen jungen Hüpfern heut Abend?“ Rebecca war total verunsichert, sie stand vor dem großen Spiegel in Klaras Schlafzimmer und war mit ihrem Spiegelbild überhaupt nicht einverstanden. So konnte sie doch nicht aus dem Haus gehen! Sie war kräftiger geschminkt als sonst, hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, was sie noch jugendlicher aussehen ließ, mit ihren neuen Jeans und den neongelben Chucks sah sie um zehn Jahre jünger aus.

Klara hatte sich auch gestylt, war aber im Gegensatz zu ihrer Freundin total zufrieden mit ihrem Aussehen.

„Dein Selbstbewusstsein möchte ich mal haben!“, klagte Rebecca.

„Das könntest du haben, mehr als ich. Du siehst doch so jung und sportlich aus ... Nur an deiner Ausstrahlung solltest du jetzt mal arbeiten, lächeln und zufrieden solltest du schauen, und nicht so, als würdest du zum Scheiterhaufen geführt werden!“

Nach vielem Zureden und einer Flasche Sekt konnte sich Rebecca schließlich durchringen, mit ihrer Freundin loszuziehen.

Sie nahmen den Bus, sie hatten beide vor, etwas zu trinken. Nein, eher viel zu trinken, das hatten sie schon lange nicht mehr zusammen gemacht.

Jens war darauf vorbereitet und stellte sich als Taxifahrer zu späterer Stunde zur Verfügung.

Klara hatte mit ihrem Mann wirklich sehr viel Glück. Er war nicht eifersüchtig und liebte seine Klara über alles. Leider konnten die beiden keine Kinder bekommen. Rebecca war darüber sehr traurig, sie empfand die beiden als absolutes Traumpaar, die es verdient hätten, Eltern zu werden. Aber das Schicksal hatte wohl andere Pläne.

Nick und seine Band kamen pünktlich um acht Uhr abends on stage. Lauter junge Leute klüngelten um die kleine Bühne, meist mit einer Flasche Bier in der Hand, und sogar rauchen war im Künstlerkeller erlaubt.

Das Schwarz-Weiß-Café war ein kleiner Raum mit einer winzigen Bühne, auf der viele Bands klein anfangen konnten, um sich dann einen Namen zu machen.

Einige Musikproduzenten kamen sogar ab und an vorbei, um sich die eine oder andere Band anzuschauen, die an verschiedenen Castings teilnehmen könnte. Nicht sehr viele hatten natürlich das Glück, auf diese Weise entdeckt zu werden, aber manche Interpreten und Künstler haben so schon ihren Weg gefunden.

Nick fing an zu singen, es war rockige Musik, aber mit sanften Tönen dazwischen. Genau das mochte Rebecca auch, Musik mit Gefühl, die aber trotzdem fetzig ist.

Klara und Rebecca standen etwas abseits am Rande, Rebecca hatte noch Startschwierigkeiten. Sie konnte noch nicht so frei sein, wie sie es vielleicht gern gewollt hätte.

Klara war schon voll im Rhythmus angekommen und klatschte begeistert mit.

„Dieser Nick ist ja ein Zuckerstückchen, echt süß!“, grinste Klara Rebecca an.

„Ja ... also, schon, aber sehr jung ...“ Rebecca fühlte, wie ihr Blut zu kochen begann, als sie Nick zusah beim Singen.

Er entdeckte sie im Publikum und begrüßte sie sogar mit einem „Hallo, Summer of Love, schön, dass du hier bist!“

„Boah, ist das genial ... dieser süße, charmante Typ scheint dich zu mögen, Becci!“

„Ach was, hör mal, ich bin viel zu alt für den, der kann ja wohl wirklich andere haben.“ Rebecca wurde die Situation unangenehm, aber irgendwie bekam sie auch ein Gefühl von Freiheit und freute sich darüber, von einem jungen Mann begehrt zu werden.

Nick machte eine kurze Pause, um sich mit seinen Bandkollegen ein Bier zu genehmigen. Er steuerte dann gleich zur Theke, an der Rebecca schon aufgeregt wartete.

„Hey Becci, echt cool, dass ihr gekommen seid“, freute sich Nick und stellte sich Klara vor.

„Ich würde dich gern zum Abschluss vom Konzert auf die Bühne bitten, um mit dir deinen Song zu spielen. Die Melodie haben wir, und den Text hast du ja im Kopf, heute Abend sind ein paar gute Connections hier. Wenn die Interesse haben, können wir vielleicht beim nächsten Songwettbewerb mitmachen, wer weiß?“

„Was, wie ... ich? Aber ich war doch noch nie auf einer Bühne, also, das letzte Mal in der Schule, bei einem Konzert für unsere Klassenlehrerin ... Das ist locker mal über zwanzig Jahre her!“ Becci konnte sich das wirklich nicht vorstellen. Sie sollte auf die Bühne, bei den ganzen jungen Leuten, sie mit ihren Minderwertigkeitskomplexen. Alle würden sie anstarren, weil sie so riesig ist, sie würde vor Aufregung keinen Ton richtig treffen.

Klara bearbeitete gleich ihre Freundin, als Nick wieder zurück auf die Bühne musste.

„Du machst das mit links, du hast eine super Stimme. So ein Angebot bekommst du so schnell nicht wieder!“

„Ich brauch jetzt erst mal einen Wodka auf Eis!“ Rebecca bestellte an der Theke zwei Wodka und trank sie in Sekundenschnelle leer.

„Du hast ja gut was vor. Aber nicht zu viel trinken, sonst weißt du den Text nicht mehr ...“, kicherte Klara.

„So, zum Schluss unseres Konzerts habe ich noch eine besondere Überraschung für euch. Eine wirklich außergewöhnlich gute Sängerin, die ich sehr schätze, hat einen tollen Song für euch mitgebracht. Den möchte ich mit ihr zusammen jetzt singen. Viel Spaß! Hier ist Summer of Love, nur für euch, nur heute Abend!“ Nick machte eine winkende Handbewegung in Richtung Publikum, und das Licht leuchtete sofort in Rebeccas Gesicht.

„Los, geh schon, jetzt kannste nicht mehr kneifen, Becci!“ Klara gab ihrer Freundin einen Klaps auf den Allerwertesten.

Rebeccas Knie zitterten, sie konnte kaum laufen vor Aufregung. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Wie sollte sie jetzt singen? Sie hatte das Gefühl, ihre Stimme verloren zu haben. Mit Lampenfieber hatte sie schon immer zu kämpfen. Es war nicht ihr Ding, sich auf eine Bühne zu stellen und zu entertainen.

Nick begrüßte sie mit einem freudigen Strahlen und Applaus, das Publikum jubelte sofort mit und wartete gespannt, was Rebecca nun von sich geben würde.

„Hallo, ihr Lieben, ich freue mich, bei euch zu sein!“, log Rebecca, aber sie musste ja irgendetwas sagen. Natürlich wäre sie jetzt lieber in einem Mauseloch verschwunden, was Martin ihr erst vor Kurzem vorgeschlagen hatte, als er meinte, sie solle lieber ihre Mutterrolle richtig ernst nehmen und den Haushalt weiterführen, was Besseres könne sie ja sowieso nicht.

Als sie darüber nachdachte und sich alles wie ein Kurzfilm in ihrem Kopf abspielte, überkam sie plötzlich ein ungeheures Hungergefühl nach positiver Aufmerksamkeit. Sie wollte alles heraussingen, alles von sich hergeben, was sie schon Jahre in sich fühlte. Wie lange schon hatte sie auf solch einen Moment gewartet?

Sie stand auf einer Bühne. Jetzt konnte sie endlich zeigen, was in ihr steckte, ihre Lebensfreude teilen, ihre Stimme mitteilen ... Alle wollten jetzt sie hören: Rebecca Schönemann.

Nick gab ihr ein Zeichen und spielte mit der E-Gitarre das Intro.

Rebecca fing an zu singen, erst ein wenig zaghaft, aber schon bei der zweiten Strophe legte sie los, ihre Stimme wurde immer klarer, und sie vergaß alle Menschen im Publikum. Sie schloss ihre Augen und sang, was das Zeug hielt.

Nick begleitete sie mit der Gitarre. Auch er hatte ein gutes Gefühl, mit Rebecca zu singen. Sie waren auf einer Wellenlänge.

Das Publikum jubelte laut und rief „Zugabe!“ Alle waren begeistert von dem Song.

Rebecca hatte Tränen in den Augen und empfand alles wie einen Traum. Sie konnte nicht glauben, dass das wirklich gerade passiert war.

Nick klatschte auch und umarmte Rebecca auf der Bühne.

Klara pfiff laut und schrie: „Zugabe!“ Sie war so stolz auf ihre Freundin.

Genau das machte ihre besondere Freundschaft schon immer aus. Keine von beiden hatte negative Gefühle gegenüber der anderen oder gönnte der anderen etwas nicht. Klara und Rebecca freuten sich immer, wenn eine der beiden etwas hatte oder wenn es der anderen gut ging. Sie waren aber auch in schlechten Zeiten immer füreinander da.

Die Bandmitglieder und Nick fingen nach dem Konzert an, ihre Instrumente und Verstärker abzubauen. Klara und Rebecca tanzten noch ein paar Runden auf der kleinen Tanzfläche. Sie waren beide gut gelaunt, hatten Spaß, und Rebecca konnte endlich mal abschalten.

Nachdem Nick mit allem fertig war, lud er die beiden noch auf einen Drink an die Theke ein. Alle Gäste mussten um zwei Uhr nachts das Lokal verlassen, nur die Bandkollegen, Nick, Klara und Rebecca waren da, um noch ihre Zugaben zu feiern.

Der Kneipenbesitzer gab ein paar kühle, frisch gezapfte Biere aus.

„Übrigens, vorhin kam ein relativ bekannter Musikmanager hinter die Bühne. Er war an unserer Band interessiert, aber nur im Zusammenspiel mit dir, Becci!“ Nick zwinkerte Rebecca zu.

„Was? Das heißt was ...?“ Rebecca schaute fragend in die Runde.

„Wir werden mit dir in zwei Wochen nach Berlin zum großen Musikwettbewerb mit anschließendem Casting und womöglich Vertrag mit dem Musikmanagement fahren.“

Klara schrie vor Freude und jubelte, im Gegensatz zu Rebecca, die das noch gar nicht verarbeiten konnte. Ihr gingen gleich wieder Gedanken durch den Kopf, was dann mit ihren Kindern in dieser Zeit wäre, dass sie ja auch viel zu alt für so etwas sei ...

„Becci, überleg jetzt nicht, sondern handele! Ich kümmere mich auch gern um deine Kinder in der Zeit“, versprach Klara, und man konnte sich auf ihr Wort verlassen, das wusste Rebecca auch.

„Das ist sowieso nur ein Wochenende, du kannst bei uns im Bus mitfahren, und wir wohnen bei Freunden von Nils“, beteuerte Nick.

Nils, der Schlagzeuger, prostete Rebecca mit seinem Bier zu und meinte nur, dass das alles überhaupt kein Ding wäre.

„Ich werde darüber schlafen, Jungs ... Bitte lasst mir einen Tag, um alles abzuklären, okay?“ Rebecca hatte nur noch Chaos im Kopf und eindeutig zu viel Alkohol im Blut. „Ich würde jetzt gern langsam ins Bett gehen, Klärchen.“

„Ich schreib Jens kurz auf dem Handy ’ne SMS, okay? Er wird spätestens in ’ner halben Stunde hier sein.“

Nick blickte Rebecca tief in die Augen, als er mit ihr auf den gelungenen Abend anstieß.

„Du bist ’ne tolle Frau, und du siehst heute wirklich richtig klasse aus. Danke, dass du so mutig auf der Bühne warst. Du musst einfach mitkommen, du gehörst auf die Bühne mit deiner Stimme!“

Rebecca wurde unsicher, aber ihr Herz pochte, und in ihrem Bauch kribbelte es auf einmal verdächtig, als wäre sie verliebt ... Nein, das konnte ja gar nicht sein, das durfte nicht sein.

„Ich kann mich doch nicht verlieben in einen Kerl, der vierzehn Jahre jünger ist als ich. Ich bin verheiratet, habe drei Kinder ... auch wenn Martin mich betrügt. Aber ich darf trotzdem nichts mit einem anderen anfangen, schon gar nicht, wenn der so jung ist.“ Diese Gedanken schossen wie Blitze in Rebeccas Kopf herum.

„Wir werden ja sehen. Ich gehe mal zur Toilette, du entschuldigst mich?“ Rebecca wollte schnell weg, um nicht noch mehr in Verlegenheit zu geraten.

Summer of Love und ein großes Sonnenblumenfeld

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