Читать книгу Summer of Love und ein großes Sonnenblumenfeld - Lina Nordmeer - Страница 8
Nächste Woche Donnerstag
ОглавлениеDonnerstag um fünf Uhr nachmittags kam Nick zu Familie Schönemann.
Stina hatte sogar extra ihr Zimmer aufgeräumt und ihre Haare frisch gewaschen, was sie sonst eher selten machte, mit der Begründung, dass es Wasserverschwendung sei, sich so oft zu waschen, und man ja die Umwelt damit schädigen würde.
Annika öffnete Nick die Tür, sie wollte gerade zu ihrem neuen Freund und war mal wieder total aufgestylt. Ihre langen blonden Haare hatte sie geglättet und sich geschminkt, als würde sie in eine Disco gehen.
„Hi, komm doch rein, Stina wartet schon. Du musst der Nachhilfelehrer sein. Ich bin Annika, die große Schwester von Stina“, flirtete Annika. Das tat sie besonders gern, wenn Männer jung und attraktiv waren.
Ganz kurzes Profil von Nick ...
Nick war 24 Jahre jung, 1,78 m groß und trug etwas längere, rotgelockte Haare. Sein Gesicht war mit Sommersprossen übersät, und er hatte smaragdgrüne Augen.
Rebecca stellte sich ihm vor und führte ihn zu Stina in ihr Zimmer.
Stina wurde rot im Gesicht und stotterte vor Verlegenheit herum, als Nick fragte, ob er mal ihr Englischbuch sehen dürfte, um sich zu informieren, was Stina gerade im Unterricht lernte.
„Möchten Sie etwas trinken?“, fragte Rebecca höflich.
„Wir können uns gern auch duzen. Ich bin, wie gesagt, Nick!“ Er streckte Rebecca seine Hand entgegen, als wäre das Du damit geklärt.
Rebecca zögerte erst ein wenig, aber sie konnte seinem Charme nicht widerstehen und wollte auch nicht so bieder wirken.
„Und, wie war die erste Stunde?“, fragte Annika am Abend ihre Schwester mit einem Augenzwinkern.
„Jedenfalls nicht so, wie du wieder denkst. Ich denke, ich kann was bei ihm lernen, er kann echt gut erklären ...“, motzte Stina und biss in ihre Karotte.
„Jetzt zickt euch nicht wieder an ... hab da gerade echt keine Lust drauf.“
„Wann gibt es endlich Abendessen?“, drängelte Till.
„Papa kommt gleich, wir warten noch ein paar Minuten ...“ Doch Rebecca war sich nicht sicher, ob Martin nicht schon längst gekommen war, nur auf eine andere Weise, und das Abendessen vielleicht ganz dabei vergessen hatte.
Rebecca schämte sich fast ein bisschen für ihre Gedanken, aber Martin wurde ihr in der letzten Zeit immer gleichgültiger, er hatte sich so sehr zum Negativen verändert.
Die Kinder haben ihn noch nie wirklich interessiert, zumindest nicht, wenn es Probleme gab mit ihnen. Er war mehr derjenige, der sich im Urlaub mit ihnen die schönen Dinge herauspickte, wie Drachen steigen lassen oder Sommerrodelbahn fahren, Lagerfeuer machen und solche Sachen.
Martin kam nicht zum Abendessen, Rebecca setzte sich mit Stina und Till allein an den Tisch, Annika ging in ihr Zimmer, sie wollte noch eine Folge „Topmodel“ anschauen und mit ihrer Freundin chatten.
Martin kam erst um kurz nach 22 Uhr leicht angeschwipst nach Hause, seine Krawatte hatte er abgelegt, und die oberen Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet, auch sonst sah er etwas zerzaust aus. Seine Haare waren nicht akkurat gekämmt und gegelt wie sonst, und sein Hemd hing ihm locker über seine Hose.
„Hallo Kleine, tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, ich war noch mit ein paar guten Kunden ein Gläschen Rotwein trinken ... Man muss sich die Leute ja warm halten, nicht wahr?“, säuselte Martin Rebecca ins Ohr, als er sie mit einem flüchtigen Wangenkuss begrüßte. Er hatte aber eine ziemliche Alkoholfahne für ein Glas Rotwein. „Der musste wohl sehr hochprozentig gewesen sein“, dachte Rebecca und ekelte sich vor seinem Kuss fast ein wenig.
„So ... hättest ja wenigstens mal kurz anrufen können, die Kinder hätten gern mit dir zu Abend gegessen ...“ Rebecca hatte bei diesen Worten einen sehr zynischen Ton drauf und wirkte kühl und emotionslos, was Martin, wenn sie stritten, immer in Rage brachte.
„Na, sind wir mal wieder frustriert? Ich kann auch nichts dafür, wenn du mit deinem Alltag so unzufrieden bist. Geh doch wieder arbeiten, such dir einen Nebenjob für vierhundert Euro, das bringt dich mal wieder zum Lachen. Das hast du ja wohl verlernt die letzten Jahre, was?“ Martin wurde verletzend und machte sich über Rebeccas Leben lustig, das konnte er in solchen Situationen sehr gut.
Doch Rebecca hatte keine Lust auf fruchtlose Diskussionen und ging an ihren Computer.
„Ich schlafe heute im Gästezimmer. Deine Fahne ist ja unerträglich!“, motzte sie ihn noch kurz an und verschwand dann an ihren Schreibtisch.
Sie wusste ganz genau, dass Martin nicht mit irgendwelchen Kunden etwas trinken war, da steckte sicherlich diese blöde Chantal Schiemke dahinter, mit ihren platinblond gefärbten Extensions und der solariumgegerbten Haut ... Wie sie allein die Vorstellung nur hasste, dass diese furchtbare Person mit ihrem Mann irgendwelche erotischen Praktiken vollzog – obwohl sie sich ja eigentlich immer über diese dumme Kuh lustig gemacht hatte. „Pfui“, sagte Rebecca bei dem Gedanken laut und wunderte sich über den Geschmack ihres Mannes. Sie wollte die beiden irgendwann mal auf frischer Tat ertappen, das wäre für sie befriedigend. Aber erst einmal musste sie sich wieder ein eigenes Leben aufbauen, wieder arbeiten gehen, aber nicht so einen blöden Hilfsjob. Wenn arbeiten, dann wieder in die Werbebranche einsteigen oder ins Musikgeschäft. Rebecca träumte vor dem Musikforum für kreative Songschreiber so vor sich hin. Sie hatte sich dort vor einigen Monaten eingeloggt, um Kontakte mit anderen Musikern zu knüpfen, die eine Band hatten oder auch Texte und Melodien schrieben.
„Summer of Love“ war ihr Chatname dort.
Rebecca wäre gern in den 68ern achtzehn Jahre alt gewesen, das wäre ihre Zeit gewesen, eine Hippiefrau mit lange Haaren und langen Kleidern.
Plötzlich schrieb sie jemand im Chatroom an, als sie so von der Hippiezeit träumte. Mister Red, wer war das denn? Den kannte sie noch gar nicht. Er fragte sie nach dem tollen Songtext, den sie vor einer Woche ins Forum gestellt hatte. Er hätte dazu eine fabelhafte Melodie, die er ihr gern mal zusenden wollte.
„Warum eigentlich nicht?“, dachte Rebecca. Sie gab ihm ihre E-Mail-Adresse und wartete auf eine Antwort.
Nur ein paar Minuten später blinkte ihre Mailbox, sie hatte Post bekommen.
Rebecca war neugierig und hörte gleich mal rein. „Wow, das ist ja der Hammer, das ist genau die Melodie, die zu dem Text passt“, dachte Rebecca und summte die Melodie beim zweiten Anhören gleich freudig mit.
Sie schrieb diesem Mister Red sofort eine Nachricht im Chat: „Hey, das ist ja echt superklasse, was du dir da ausgedacht hast. Da können wir vielleicht was draus machen ...?“
Mister Red: „Dachte ich mir auch so ... wollen wir uns mal treffen?“
Rebecca bekam einen heißen Kopf, das war ihr jetzt zu schnell. Sie antwortete: „Hm ... können wir mal machen, muss jetzt leider offline gehen ... melde mich wieder. Gute Nacht!“
Sie musste sich erst mal einen Plan überlegen.
Am Samstag ging sie wie an jedem Wochenende auf den Markt, um frische Lebensmittel einzukaufen. Danach besuchte sie mit Klara meistens noch das Café Bellevue, um einen Milchkaffee zu trinken.
Klara saß schon an einem sonnigen Platz und erwartete Rebecca. Sie war gespannt, was ihre Freundin ihr Wichtiges mitzuteilen hatte.
Rebecca erzählte von dem Chat mit dem unbekannten Mister Red. Klara war so aufgeregt, dass sie kaum ihren Mund schließen konnte.
„Oh Becci, das ist ja so cool ... Was dir da gerade passiert, echt wie im Fernsehen! Bleib dran, du und Martin, ihr seid doch eh nur am Zanken ... Das tut dir gut!“, ermunterte Klara ihre beste Freundin und bestellte zur Feier des Tages zwei Spritz.
Rebecca war froh, dass sie mit ihrer Freundin über alles reden konnte ... sie hatte ja sonst niemanden.
Gleich am Abend setzte sie sich wieder an ihren Computer und ging ins Musikforum.
Mister Red war noch nicht online. Sie hoffte so sehr, dass er sich noch einmal bei ihr melden würde.
Kaum hing sie dem Gedanken nach, blinkte ihr Chatfenster schon auf, und Mister Red schrieb ihr: „Hallo unbekannte Songschreiberin ... wann werden wir uns endlich treffen ... hab noch so viel geniale Ideen, die ich dir unbedingt zeigen muss.“
Rebecca wurde es heiß und kalt gleichzeitig. Es musste ein gutes Omen sein, dass er gerade jetzt schrieb ... „Bestimmt sind wir schon telepathisch miteinander verbunden, das kann kein Zufall sein“, dachte sie und schrieb automatisch, ohne lange nachzudenken, eine Antwort zurück: „Ja, wir können uns nächsten Samstag treffen, im Café Bellevue, in der Stadt ... also, ich komme aus Heidelberg, hoffe, du wohnst nicht so weit entfernt?“
Stimmt, daran hatte Rebecca ja gar nicht gedacht, sie wusste nicht, wo dieser Mister Red eigentlich herkam ...
„Was ein Zufall, ich komme auch aus Heidelberg. Also nächste Woche, Samstag um 17 Uhr im Café Bellevue ... ich werde da sein. Du erkennst mich an meiner Gitarre, die ich eigentlich immer dabei habe ... da können wir gleich am Neckarufer ein bisschen loslegen?“
Rebecca wurde rot. Was meinte er denn jetzt damit ... loslegen? Sie wollte nicht mit ihm am Fluss ’ne Nummer schieben, was dachte der denn von ihr? Doch da kam schon wieder eine Nachricht von Red, als hätte er wirklich ihre Gedanken lesen können: „Natürlich meinte ich mit loslegen MUSIKALISCH ... also keine Bange, ich werde nicht über dich herfallen :)“
Das beruhigte Rebecca dann wieder ganz schnell, und sie freute sich schon sehr auf das Treffen, obwohl ihr ein wenig mulmig zumute war bei der ganzen Sache.