Читать книгу Chase - Linwood Barclay - Страница 11

06

Оглавление

»Wir müssen etwas tun«, sagte Emily Winslow nicht zum ersten Mal.

Es war später Abend, und Emily sah vom Steg aus zu, wie ihr Vater John in einem kleinen Boot kauernd die defekte Zündkerze eines Außenbordmotors austauschte. Ein Gast hatte das Boot für morgen früh reserviert. Damit ihr Vater besser sehen konnte, was er da eigentlich machte, richtete Emily eine Taschenlampe auf den Motor.

»Wie oft haben wir das jetzt schon besprochen? Hundertmal?«, erwiderte ihr Vater. Die Abdeckung hatte er bereits abgenommen, um an den Motor heranzukommen, und nun lockerte er mit einem Schraubenschlüssel die Zündkerze.

»Aber Jeff und Chipper sind immer noch auf der Flucht«, sagte sie. »Und Jeff ist ein Freund von mir. Ich muss ihm doch irgendwie helfen. Sie sind jetzt schon seit drei Tagen weg, und wir haben nichts von ihnen gehört.«

»Dabei wird es wahrscheinlich auch bleiben«, meinte ihr Vater. »Wir können’s nicht ändern. Das ist eine Nummer zu groß für uns. Diese Typen, die hinter den beiden her sind … das sind keine stinknormalen Wachtmeister. Die sind von irgendeiner Geheimorganisation, die kein Mensch kennt. Sollten wir irgendwie versuchen, Jeff zu helfen, wären wir auf der Stelle selbst in größter Gefahr. Und was sollen wir überhaupt machen? Wir wissen nicht mal, wo sich die beiden gerade herumtreiben. Wir können nichts ausrichten.«

Emily musterte ihren Vater streng. »Ich verstehe dich nicht.«

Da blickte er vom Motor auf. »Wie meinst du das?«

»Du warst doch bei der Polizei. Früher wäre es dir nicht egal gewesen, wenn jemand in solchen Schwierigkeiten steckt.«

John Winslow sah sie traurig an. »Ach Schatz, es ist mir doch nicht egal. Das weißt du doch. Aber im Moment … im Moment geht das einfach nicht. Wir müssen schön in Deckung bleiben. Das ist jetzt das Klügste. Sollten diese Typen auch nur ahnen, dass wir etwas unternehmen wollen, fallen sie sofort über uns her.«

»Früher hattest du nie Angst.«

»Aber ich denke doch nur an dich«, erwiderte John. »Wenn es nur um mich ginge, wäre ich den Typen schon lange auf den Fersen. Dann würde ich Jeff helfen. Aber so einfach ist das nicht. Was glaubst du denn, was deine Mutter sagen würde, wenn sie jetzt hier wäre und wenn ich diesen Gestalten hinterherjagen würde? Und dann stößt mir etwas zu, und du bist ganz allein? Oder noch schlimmer – wenn ich gegen die vorgehe, rächen sie sich am Ende an dir. Das kann ich nicht riskieren.« Er schüttelte wütend den Kopf. »Nein. Kommt nicht infrage. Dein Leben setze ich nicht aufs Spiel. Nicht mal, wenn ich dadurch Jeff und seinem Hightech-Wauwau das Leben retten könnte.«

»Ich habe das Gefühl, ich kenne dich gar nicht mehr«, sagte Emily.

John schleuderte den Schraubenschlüssel ins Boot und stieg auf den Steg. Als der Lichtkegel der Taschenlampe über sein Gesicht strich, sah Emily seine knallrot gefärbten Wangen. Er stemmte die Fäuste in die Hüften.

»Was glaubst du denn, wieso wir hier überhaupt noch in Ruhe quatschen können?«, fragte er seine Tochter.

»Was?«

»Wieso wir überhaupt noch am Leben sind?«

»Wie meinst du das?«

»Gott, wir wissen doch schon viel zu viel. Wir wissen, dass es da einen Hund mit sehr besonderen Fähigkeiten gibt, der aus irgendeinem Geheimprojekt hervorgegangen ist – und trotzdem hocken wir noch in unserem Angelcamp. Warum wohl?«

»Warum?«

»Weil die wissen, dass wir keinen Pieps sagen werden. Weil die wissen, dass wir wissen, dass für uns Feierabend ist, sollten wir die Geschichte an irgendwen ausplaudern. Oder dass mir das zumindest klar ist. Okay, einen Ex-Cop umzulegen, würde ziemlich viel Aufmerksamkeit erregen, aber ich sag’s dir, wenn es sein muss, ziehen die das durch.«

So wütend hatte Emily ihren Vater noch nie erlebt. Trotzdem wich sie nicht zurück. Sie blickte ihm standhaft in die Augen, auch wenn sie ihm kaum bis zum Kinn reichte. »Als ich klein war, bist du einmal einfach nicht von der Arbeit nach Hause gekommen, und ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, weil es da draußen doch so viele böse Menschen gibt. Weißt du, was Mom mir da gesagt hat?«

Johns Unterkiefer zitterte ganz leicht. »Was?«

»›Um deinen Daddy brauchst du dir keine Sorgen zu machen‹, hat sie gesagt. ›Der fürchtet sich vor nichts und niemandem.‹ Tja, da hat sie sich wohl geirrt.«

Mit diesen Worten drückte Emily ihrem Vater die Taschenlampe in die Hand, drehte sich auf dem Absatz um und ging vom Steg hinunter in Richtung Haus.

Chase

Подняться наверх