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Chipper huschte zum Motelzimmer zurück und kratzte aufgeregt am Eingang. Er bellte sogar.

Kurz darauf öffnete sich die Tür. »Was ist los?«, fragte Jeff, während Chipper sich durch den Spalt quetschte und aufs/**/ Bett sprang. »Hast du getan, was getan werden musste?«

Im Augenblick überlegte Chipper eher, was in aller Welt er tun sollte.

Harry Green führte offensichtlich etwas im Schilde. Er hatte mit irgendjemandem am Telefon über seine beiden Begleiter gesprochen. Aber mit wem?

Chipper wollte Jeff gerade einen Gedanken schicken, da öffnete sich die Tür erneut, und Harry kam herein.

Er schüttelte sich. »Nachts ist es ganz schön frisch da draußen!«

»Ja, man muss sich fast schon eine Jacke anziehen«, meinte Jeff. »Und apropos anziehen – mir ist noch etwas eingefallen. Als ich von meiner Tante weg bin, bin ich leider nicht mehr dazu gekommen, in Ruhe zu packen. Ich weiß, wir haben zwischendurch angehalten und Zahnbürsten und so eingekauft, aber ich brauche bald mal was zum Umziehen.« Er schnupperte an seiner Achselhöhle. »Sehr bald. Sonst lassen Sie mich nicht mehr in den Van einsteigen.«

»Ist angekommen«, antwortete Harry. »Ich sag dir was, gleich morgen fahren wir bei einer Mall vorbei und besorgen das Nötigste: Unterwäsche, ein paar Shirts, Jeans und so. Und wir suchen uns einen Waschsalon und stecken das alte Zeug in die Maschine. Das klingt doch nach einem Plan?«

»Schon«, meinte Jeff. »Aber irgendwann brauchen wir auch noch einen Plan, wie es überhaupt weitergehen soll …«

Chipper blickte zwischen den beiden Menschen hin und her und verfolgte das Gespräch.

»Weiß ich doch«, sagte Harry. »Darüber habe ich auch schon ausführlich nachgedacht.«

Jeff schöpfte Hoffnung. »Haben Sie vielleicht eine Idee?«

»Na ja, noch keine hundertprozentige. Aber ich arbeite daran, das kannst du mir glauben.«

Doch Jeff musterte Harry skeptisch. »Ich habe irgendwie das Gefühl, Sie nehmen das alles sehr … locker.«

Harry grinste ihn an. »Was soll es denn bringen, in so einer Situation in Panik zu verfallen? Nee, so was muss man mit kühlem Kopf angehen. Man muss sorgfältig überlegen und alle Eventualitäten durchspielen.«

»Aber Sie waren doch noch nie in so einer Situation.«

»Da hast du auch wieder recht.«

Jeff wurde immer misstrauischer. »Was haben Sie noch mal vor der Rente gemacht?«

»Was? Habe ich dir doch erzählt. Ich war als Bauarbeiter unterwegs. Habe Häuser gebaut und renoviert und was es noch so alles zu tun gibt.«

»Und für solche Jobs braucht man einen ganzen Rucksack voller Verkleidungen?«

»Das habe ich dir doch erklärt! Junge, was hast du denn plötzlich?« Harry wirkte verletzt. »Vertraust du mir nicht mehr, oder was?«

Da entspannte sich Jeffs Miene. »Tut mir leid. So war das nicht gemeint.«

Mit einem Wink forderte Harry ihn auf, sich aufs Bett zu setzen, hockte sich neben ihn und drückte seine Schultern kräftig. »Hey, was ist denn mit dir? Ich gebe hier mein Bestes, um euch zu helfen. Siehst du das nicht?«

»Doch, doch.« Jeff nickte langsam. »Das weiß ich.«

Chipper starrte auf das Handy in Jeffs Hand. Ob Harry es mitbekommen würde, wenn er Jeff eine Nachricht schickte? Und was sollte er ihm überhaupt schreiben?

Sollte Harry wirklich etwas im Schilde führen und nur darauf warten, ihnen in den Rücken zu fallen … was, wenn Chipper ein Fehler unterlief und Harry dahinterkam, dass er durchschaut war? Wären Jeff und er dann nicht in noch größerer Gefahr? Wie würde Harry reagieren? Man konnte es nicht wissen. Okay, Chipper hatte ein paar Asse in seinem felligen Ärmel, er könnte zum Beispiel einen trommelfellzerfetzenden Lärm erzeugen wie damals, als sie von diesem üblen Daggert in die Enge getrieben worden waren. Aber wie sollte es danach weitergehen? Jeff und er waren irgendwo am Ende der Welt. Selbst wenn sie aus dem Motelzimmer entkommen konnten, wohin sollten sie fliehen?

Wäre er auf sich allein gestellt gewesen, hätte Chipper einfach Hals über Kopf abhauen können. Das hatte schon einmal gut geklappt, bei seinem Ausbruch aus dem Institut. Aber diesmal hätte er Jeff dabei, und das erschwerte die Flucht erheblich.

Wäre es nicht besser, noch eine Weile zu beobachten, wie sich die Lage entwickelte und was Harry vorhatte? Und auf diese Weise vielleicht herauszufinden, für wen er arbeitete? Ob das Ganze womöglich eine raffinierte Falle war, ob Harry in Wirklichkeit zum Institut gehörte und sie nur zum Schein davor beschützte? Oder ob er für eine fremde Regierung oder für eine andere Geheimorganisation tätig war, die es auf Chippers Technologie abgesehen hatte?

Inzwischen hatte Jeff mehrmals auf sein Handy geschaut. Nun guckte er Chipper an. »Du bist so still.«

Chipper hob den Blick. Was sollte er nur antworten?

Ich bin einfach müde.

»Sind wir alle, würde ich sagen«, meinte Jeff. »Harry, ich habe mir gerade noch mal auf der Landkarte unsere Route für morgen angesehen. Wir kommen direkt an der Stadt vorbei, in der ich früher gewohnt habe.«

»Aha«, sagte Harry. »Und?«

»Könnten wir … na ja, könnten wir vielleicht bei meinem alten Zuhause vorbeifahren? Ich würde Chipper gerne zeigen, wo ich früher gewohnt habe. Das würde dich doch interessieren, Kumpel?«

Na klar.

Harry überlegte. »Also falls du darüber nachdenkst, Pepper zu besuchen – das wäre viel zu riskant.«

»Nein, nur mal vorbeifahren«, erwiderte Jeff. »Ohne anzuhalten. Versprochen.«

»Und was, wenn deine geliebte Hündin gerade im Garten herumtollt? Was dann? Dann willst du doch sicher kurz aussteigen. Und in dem Moment könnten sie uns entdecken.«

Als Jeff sich das Wiedersehen mit Pepper ausmalte, zitterte seine Unterlippe. »Na ja, wenn sie wirklich gerade im Garten ist, könnten wir ja einmal um den Block fahren, und wenn uns eindeutig niemand folgt, dann könnten wir –«

»Siehst du?« Entnervt schüttelte Harry den Kopf. »Du fängst schon damit an. Erst heißt es: ›Oh, Harry, ich will nur mal durch die Straße fahren.‹ Und dann: ›Oh, Harry, kann ich nicht doch kurz aussteigen und Pepper einen Ball zuwerfen, oh, Harry, kann ich nicht auch noch alle meine Freunde besuchen …‹« Er sank müde in sich zusammen und blickte erst nach ein paar Sekunden wieder auf. »Wenn wir geschnappt werden wollen, sollten wir es genau so machen.«

Sowohl Harry als auch Chipper waren überrascht von Jeffs Reaktion.

Jeff fing an zu weinen.

Er schlug sich die Hände vors Gesicht und heulte.

»Ach, Junge«, sagte Harry und fasste ihn behutsam am Rücken. »Ach, nun mach doch nicht so was.«

Chipper drückte seine Schnauze zärtlich an Jeffs Knie und wimmerte, als müsste er gleich mitheulen.

»Ich wollte nur noch mal mein altes Zuhause sehen«, schluchzte Jeff. »Weil ich manchmal … weil ich manchmal Angst habe, dass ich es vergesse.«

»Dass du was vergisst?«, fragte Harry.

Mit Tränen in den Augen versuchte Jeff, es ihm zu erklären. »Was, wenn ich einfach alles vergesse, was mir mal wichtig war? Wenn wir jetzt für immer auf der Flucht sind, Sie und Chipper und ich, dann kann ich mich vielleicht bald gar nicht mehr an früher erinnern. Dann vergesse ich mein altes Zuhause und meine Mom und meinen Dad und dass ich mal eine Hündin hatte, die Pepper hieß. Ich habe sogar Angst davor, meine Zeit bei Tante Flo zu vergessen, dabei müsste ich darüber doch froh sein.« Er zögerte. »Glauben Sie, mit Tante Flo ist alles in Ordnung?«

Harry nickte nachdenklich. »Ich wette, Emilys Dad schaut regelmäßig nach ihr.«

Jeffs Lippen krümmten sich zu einem wackeligen Lächeln. Er sah Chipper an. »Und was denkst du?«

Der Hund ließ sich ein paar Sekunden Zeit.

Dass ich dich nie vergessen würde. Egal, was passiert.

Chase

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