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Gegen zehn, nachdem ich die Mixtur verdünnt und nachgefüllt hatte, zeigte der Whisky seine belebende Wirkung, und die Partygäste waren freundlich, zurückhaltend oder interessant, ganz, wie es die Situation erfordert; alles wie gehabt in diesem turbulenten Monat. Diese Leute entsprachen nicht im geringsten meinen Erwartungen. Mit erstaunlicher Aufmerksamkeit hatten die Birketts Leute eingeladen, die ich mochte oder gern kennenlernen wollte und die zugleich auch mich mochten oder kennenlernen wollten; ein eher seltenes Zusammentreffen. Den Ruf eines Wunderkindes zu haben birgt ein gewisses Risiko. Diese Leute hier schienen richtig nett zu sein. Keiner von ihnen war übermäßig unsympathisch. Die Stimmung im Raum war wohltuend entspannt. Ich drehte mich um, taxierte die Runde, und mein Blick fiel auf eine wohlproportionierte, ansehnliche junge Blondine, die mich betrachtete.

»Nun, Professor Laing, wie geht's uns so?«

»Sehr gut, Lady Liz. Ich bin aber augenblicklich nicht im Dienst.« Ein plötzlicher Schmerz, die Erinnerung an vergangene Leidenschaft durchfuhr mich.

»Auf jeden Fall freue ich mich, Sie noch auf den Beinen zu sehen. Ich hörte, man hat Sie gestern betrunken gemacht.«

Sie besaß das Talent, mit ihrer kehligen Stimme gerade das Ohr des Zuhörers zu erreichen, und sonst niemanden.

»Man hat es versucht.«

»Ich war nicht eingeladen.«

»Niemand war eingeladen. Es waren nur ein paar Leute, die irgendwann einmal unter mir gearbeitet haben.«

Diese Bemerkung registrierte sie mit dem schwachen Heben einer Augenbraue. Die Klassifizierung schloß sie keineswegs aus.

Sie sagte: »Dann bin sicher auch ich unter Ihrer Würde.« Auch diese Bemerkung war rein privater Natur, wie ihre Augenbraue verriet.

Ich antwortete: »Das können Sie jederzeit herausfinden.«

»Ich würde nach Bedford umziehen müssen, nicht wahr?«

»Sehr idyllisch dort.«

»Ziemlich überlaufen, wie ich hörte.«

»Ich denke, wir könnten noch eine Freiwillige dazwischenschieben.«

»Vermutlich hätte ich Konkurrenz.«

Zwischen uns funkte es, zwischen dieser aufregenden jungen Lady und mir, was wir genossen, bis eine schafsgesichtige wachsame Freundin von ihr sie, wie ein Lehrer seinen Zögling, auf ihr unschickliches Benehmen hinwies. Sie hatte prompt die Tonart gewechselt. Das war bereits ein paar Minuten her, und ich hatte ihre Freundin seither nicht mehr gesehen. Etwas in ihren letzten Worten hatte mir das Gefühl gegeben, der veränderte Tonfall könne nicht nur an ihrer schafsgesichtigen Freundin liegen.

Ich fragte: »Was tun Sie hier?«

»Ich studiere bei Birkett.«

»Fleißig, wie ich hoffe.«

»Ich führe ein ausgewogenes Leben.«

»Das dachte ich mir.«

»Sie auch, wie ich höre.«

Das hatte ihr sicher das Schafsgesicht erzählt. Der Verdruß legte sich, übrig blieb nur schieres Verlangen.

Ich fragte: »Haben Sie am Sonntag schon was vor?«

»Ja.«

»Etwas Wichtiges?«

»Ziemlich wichtig.«

»Das klingt relativ.«

»Alles ist relativ, Herr Professor.«

»Sind Sie zu Hause, wenn ich um vier anrufe?«

»Möglich.«

»Caspar!«

Ich fuhr herum. Das ist, nebenbei gesagt, mein Vorname. Es gibt nur einen Menschen, der ihn nach orientalischem Basar klingen lassen kann; noch dazu ein Mensch, der durchaus fähig war, aus dem, was sich zu einem ordentlichen Zweier zu entwickeln schien, einen stilvollen Dreier zu machen.

Ich sagte ohne Begeisterung: »Hallo, Uri.«

Er war spät dran, hatte es aber geschafft, sich auf dem Weg ein Glas zu sichern, das er in der schimmernden, behandschuhten Hand hielt. Sein melancholisches Lächeln strahlte mild, und seine hervortretende Gesichtsnarbe stand ihm gut.

»Geschäftlich hier?«

»Nur, um meine Wertschätzung auszudrücken.«

»Wem?« Er hatte die Augen noch keinen Moment von dem Mädchen abgewandt.

»Dir natürlich.« Seine Stimme war sehr dunkel, und seine Züge blieben unbeweglich wie die eines tragischen Clowns; eines weltgewandten, ausgezeichnet gekleideten, tragischen Clowns. Sein Haar war zurückgebürstet und duftete schwach nach Haarwasser. »Ich bin ehemaliger Student von Birkett. Er weiß, wie sehr ich dich schätze.«

»Ja, schon gut. Elizabeth, das ist Uri Namir, Krieger, Büchernarr und Langweiler.«

»Wie reizend«, sagte Uri ungerührt.

»Uri ist ein Held. Aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg. Uri ist Israeli.«

»Hallo.«

»Und das ist Elizabeth Longrigg.«

»Bin entzückt.«

»Lady Elizabeth Longrigg.«

»Außerordentlich entzückt.« Sein Interesse stieg noch um eine Nuance, falls das möglich war. »Sind Sie das wirklich? Eine Lady?«

»Jederzeit«, erwiderte Elizabeth. Sie betrachtete seinen Handschuh mit unverhohlenem Interesse. Dieses Mädchen brachte mein Blut schon wieder ungeheuer in Wallung. Mich faszinierte die Art und Weise, wie sie alles mit unverhohlenem Interesse betrachtete, was sie nun mal unverhohlen interessierte.

Brüsk sagte ich: »Uri, wir müssen noch miteinander reden, bevor du gehst.«

»Wissen Sie«, sagte Uri, »Sie sind die erste Lady, der ich begegne – die erste wirklich adlige Dame. Ungewöhnlich, nicht wahr? Schließlich bin ich schon seit ein paar Jahren hier. Im Ausland denkt man, England sei voller Lords und Ladies. Ich erzähle allen, daß mir noch nie ein echter Lord oder eine Lady begegnet sei. Und jetzt treffe ich doch eine.«

»Was tun Sie in London, Mr. Namir?«

»Ich arbeite an der Botschaft.«

Ich sagte: »Er ist auf der Suche nach Büchern für einen anderen bekannten Krieger, Büchernarren und Langweiler.«

»Ach, das. Das war nur einmal der Fall. Hören Sie nicht auf ihn, Lady Longlegs.« Er hatte ihren Namen ganz sicher von Anfang an richtig verstanden; er beherrschte diesen Trick, der Schuft, die Konversation auf zwei Ebenen gleichzeitig zu führen, um sein Interesse an einem Thema zu signalisieren, das gerade nicht Gegenstand des Gesprächs war.

»Bei welcher Gelegenheit war das?« Sie lächelte ihn an.

»Oh, mir wurde mal die Aufgabe übertragen, für Ben Gurion einige Bücher aufzustöbern. Er ist ein großer Büchernarr und war damals auf Stippvisite hier.«

Ich sagte: »Ist das nicht auch heute noch deine Aufgabe?«

Er wollte gerade etwas anderes sagen, brach aber abrupt ab und sagte statt dessen: »Ja, stimmt. Da fällt mir ein, Caspar, ich muß mit dir reden.«

»Ich muß sowieso jetzt los«, sagte Elizabeth.

Ich sagte: »Warten Sie ...«

»Ich muß weg. Nur für einen Augenblick.«

»Ich möchte Sie Wiedersehen.«

»Gut.«

Sie wandte sich ab und ging davon.

»Die ist verrückt nach dir«, sagte Uri.

»Weißt du, allmählich wirst du zum allgegenwärtigen Ärgernis.«

»Die ist verrückt, nach etwas ganz Bestimmtem«, stellte Uri fest.

Elizabeth war schon an der Tür, wo sie sich angeregt mit einem Philosophiedozenten unterhielt, der sich dort aufgebaut hatte.

»Du bist hier wirklich zu beneiden«, sagte Uri. »Hier herrschen traumhafte Verhältnisse. Als Professor, mein Gott – da stehen dir die jungen Dinger doch scharenweise zur Verfügung. Wann machst du dich auf?«

Ich erzählte es ihm.

»Und wie sieht dein Zeitplan aus?«

Auch das sagte ich ihm.

»Und du hast niemanden, der dir hilft, das Zeug zu finden?«

»Ich hab' denen geschrieben, was ich suche. Wenn Leute verfügbar sind, werden sie mir helfen.«

»Ich meine Leute mit Ahnung.«

»Dazu wird der Etat nicht reichen.«

»Was, genau, suchst du?«

Er hatte gute Grundkenntnisse auf literarischem Gebiet, daher erklärte ich es ihm. Ich mußte in den letzten Tagen zuviel getrunken haben, denn ich hörte das Echo meiner eigenen Stimme.

»Und in welchen Bibliotheken rechnest du dir die besten Chancen aus?«

Während ich sprach, wurde mir bewußt, daß es nicht am Widerhall meiner Stimme lag. Ich hatte ihm das alles bereits erzählt. Ich hatte es ihm – wann? – am Montag erzählt. Heute hatten wir Donnerstag. Anläßlich eines anderen Empfangs hatte ich ihm davon berichtet. Und er hatte mir gesagt, er stöbere nach ein paar Büchern für Ben Gurion. Deshalb hatte ich angenommen, er sei heute abend geschäftlich unterwegs. Er betrachtete mich kritisch, den gebürsteten Kopf zurückgelehnt, genau wie beim ersten Mal, und beobachtete, wie bei mir der Groschen fiel.

Ich sagte: »Uri, haben wir das alles nicht schon durchgekaut?«

»Ich habe etwas außerordentlich Interessantes für dich, Caspar.«

»Bücher?«

»Es wäre mir sehr lieb, wenn du dir den Sonntag freihalten könntest. Den kommenden Sonntag.«

»Da bin ich leider beschäftigt.«

»Muß das sein, Caspar?«

»Leider ja.«

»So beschäftigt, daß du dich trotzdem mit Lady Lulu verabreden kannst?«

Der Dreckskerl hatte gelauscht.

Er sagte: »Caspar, tu's nicht, triff für Sonntag keine Verabredungen. Halt dir den Tag bitte frei. Ich rufe dich an. Irgendwann im Laufe des Tages.«

»Tu das«, sagte ich und sah mich um.

»Sie ist weg«, sagte Uri.

»Was?«

»Vor ein paar Minuten gegangen. Sie hat gewinkt. Sie hat gesehen, daß du beschäftigt bist.«

Er ging ein paar Minuten später, und innerhalb der nächsten halben Stunde verabschiedeten sich auch die meisten anderen. Ich blieb noch. Birkett hatte mich untergehakt, und ich redete von griechischen und hebräischen Höllen.

Das Geheimnis der Menora

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